Sachbücher, kurz und bündig
Sekundärliteratur ist unerlässlich, wenn man nicht nur konsumieren will. Alf Mayer (AM) und Thomas Wörtche (TW) waren auf einem Streifzug im Revier unterwegs.
Bernard Benoliel, Gilles Esposito u.a.: Hitchcock – Alle Filme
Wilhelm Bode: Tannen. Ein Portrait
Braunbuch über Reichstagsbrand und Hitlerterror. Faksimile-Nachdruck
Norman Davies: Ins Unbekannte. Eine Weltreise in die Geschichte
Stephen Fry: Helden
Peter Grünlich: Der Alleswisser: Wie ich versucht habe, Wikipedia durchzulesen, und was ich dabei gelernt habe
Björn Hayer, Janin Aadam (Hg.): Das U-Boot. Eine kulturgeschichtliche Leerstelle
Bodo V. Hechelhammer: Spion ohne Grenzen
James Hibberd: Feuer kann einen Drachen nicht töten. GAME OF THRONES …
Jessica Hundley: Tarot
Philip Jodidio: Zaha Hadid. Complete Works 1979–Today
Lea N. Michel: The President of the United States on Screen: 164 Presidents, 1877 Illustrations, 240 Categories
Laura Miller (Hg.): Wonderlands. Die fantastischen Welten von Lewis Carroll u.v.a.
Danny Morgenstern: Unnützes James Bond Wissen
Moritz Rauchhaus, Tobias Roth (Hg.): Feindflugblätter des Zweiten Weltkriegs
Henk Schiffmacher, Noel Daniel: TATTOO. 1730s-1970s

Gehört untern Baum
(AM) Dieses Buch gehört unter jeden Weihnachtsbaum, schön ist es außerdem. „Vor einem strahlenden Tannenbaum werden alle Zweifel stumm und alle Kinderherzen gläubig“, meinte Hans Fallada in seiner Geschichte vom „Gestohlenen Weihnachtsbaum“, doch der liebste Baum der Deutschen, seit mehr als 200 Jahren Lichterbaum, Treuebaum, Christbaum, ja sogar christlicher Weltenbaum und gleichzeitig Inbegriff des kommerziellen Weihnachtsrummels, dieses Gefühlsgewächs also, es ist uns fremder als wir glauben. Die Tanne ist uns unbekannt geblieben.
Mit einer kalten Dusche eröffnet der Waldkenner Wilhelm Bode sein Portrait der Tannen, rechtzeitig vor dem Fest als Band 67 der von Judith Schalansky herausgegebenen Reihe „Naturkunden“ erschienen. Weißtannen und Rotfichten werden gerne verwechselt, das geht sogar bis zum Etikett der Biermarke „Tannenzäpfle“ aus der Brauerei Rothaus im Schwarzwald, immer noch der tannenreichsten Region Deutschlands. Das Etikett zeigt, Name hin oder her, einen Zweig mit hängenden Fichtenzapfen. „Die Forstwirtschaft glaubte 200 Jahre lang, ökologisch unbelehrbar, an die Fichte, ihren vermeintlichen Brotbaum, mit dem sie hoffte, nachhaltig zu sein – bis sie inzwischen wie ein Kartenhaus zusammenstürzt und sich zum Notbaum entwickelt“, schreibt Bode im Kurzsteckbrief der Gemeinen Fichte, auch als Rotfichte oder Rottanne bekannt.

Der Band im Kleinoktav-Format liegt wunderbar schmeichlerisch in der Hand, auch das Papier ist zum Küssen, der Inhalt eine Wucht. Auf prächtig illustrierten 156 Seiten nimmt uns der Autor mit auf einen in vieler Hinsicht augenöffnenden Waldspaziergang, Kultur-, Literatur- und Mentalitätsgeschichte inklusive, rückt dabei nicht nur den mit dem Forst verbundenen Nachhaltigkeitsbegriff zurecht. Wir treffen Maler, Dichter, Liederschmiede, Frontsoldaten, Flößer, John Heartfields Nazi-Tanne und den Klimawandel, wissen nach der Lektüre auf angenehme Weise mehr. Naturkunde vom Feinsten, wie es das Programm der Reihe ist. Siehe dazu auch bei uns im „Special Verlust“ hier und hier.
Wilhelm Bode: Tannen. Ein Portrait. Reihe Naturkunden Bd. 67, herausgegeben von Judith Schalansky. Matthes & Seitz, Berlin 2020. Kleinoktav-Format (12 × 18 cm), flexibler Einband, fadengeheftet und mit farbigem Kopfschnitt, zahlreiche farbige Abbildungen, 156 Seiten, 20 Euro.

Geschichte, die unter die Haut geht
(AM) Episode von meiner Neuseelandreise: Wir sind weit im Norden mit einem Maori-Guide für eine Wald-Tour verabredet, treffen uns in der Lobby eines altes Kolonialhotels. Charlie düst an, in einem zerschrammten geländetauglichen Gefährt, sagt, wir würden nicht nur etwas über Bäume sondern auch über Maori-Kultur erfahren. Fangen wir doch gleich hier an, er deutet auf sechs Gemälde von Maori-Häuptlingen über der Rezeption. „Welches Bild zeigt eine Frau?“ Wir sind zu fünft, geben fünf Tipps ab, alle falsch. Charlie lacht. Wenn ich’s erkläre, ist es ganz einfach und ihr werdet es nie wieder vergessen. Okay. Tā moko, die Gesichtstätowierung der Maori, ist eigentlich den Stammes- und Oberhäuptern einer Familie vorbehalten. Die Tattoo-Linien bei den Häuptlingen erzählen die ganze Geschichte des Stammes, kriegerische Konflikte auf der Stirn, je mehr Linien dort zu sehen sind, desto mehr Kampf und Ehre. Im Gesicht der Frauen wird die Familiengeschichte erzählt, und zwar nur auf Mund und Kinn. Alles klar? Jetzt ist die Familienmatriarchin sofort auszumachen.
Der Amsterdamer Tätowierer und Historiker Henk Schiffmacher ist seit den 1970er Jahren um die Welt gereist und hat dabei eine der weltweit größten Sammlungen zeitgenössischer und historischer Tattoo-Ephemera zusammengetragen – das Schiffmacher Tattoo Heritage. In der Tattoo-Welt ist er ein Häuptling, tatsächlich hat die niederländische Königin ihn zum Ritter ernannt. Er hat viele Rock- und Popstars tätowiert, sein Tattoo-Studio in Amsterdam ist eine Pilgerstätte. Nach den von ihn herausgegebenen 1000 Tattoos in Taschens Bibliotheca Universalis (1,09 kg, 544 Seiten, sagenhaft günstige 15 Euro) gibt es jetzt den Prachtband TATTOO. 1730s-1970s mit Exponaten aus seiner Privatsammlung. 700 Seiten, fünf Kapitel, unfassbar viele Abbildungen. Natürlich kommen auch die Maoris vor und ihr Porträtist Gottfried Lindauer, der sie malte. Dazu Originalzeichnungen (in der Branche als Flash bekannt), Fotos, Lithographien, Radierungen, Tätowier-Instrumente, Gemälde, Poster, Ladenschilder, Designs und allerlei Artefakte aus aller Welt der Tattoos. Alles kommentiert von Schiffmacher selbst. Eine Kulturgeschichte der besonderen Art und zugleich eine Lebensreise, so etwas wie Memoiren. „Wer lernen wollte, wie man tätowiert, der wurde tätowiert“, schreibt Schiffmacher. „Man gab seinen Körper, um zu lernen, und stahl mit seinen Augen.“ Sein größter Wunsch: Dass Tattoos als immaterielles Kulturerbe der Menschheit anerkannt werden.
Henk Schiffmacher, Noel Daniel: TATTOO. 1730s-1970s. Henk Schiffmacher’s Private Collection. Verlag Benedikt Taschen, Köln 2020. Nummerierte Erstauflage von 10.000 Exemplaren. Hardcover, Format 29 x 38,8 cm, 6,16 kg, 440 Seiten, 125 Euro. Verlagsinformationen: Taschen.com

Hilfeschrei an die Welt
(AM) „Der Mord geht durch Deutschland: heimtückisch, bestialisch, planmäßig… Aus SA-Kasernen werden in geschlossenen Särgen verstümmelte Leichen abtransportiert. In düsteren Wäldern findet man Tote, die bis zur Unkenntlichkeit entstellt sind. Flüsse schwemmen zusammengebundene Körper von Ermordeten ans Land. In Leichenschauhäusern sind ‚unbekannte’ Tote aufgebahrt…“ Es ist ein Brandruf an die Welt, den das im Juli 1933 in Paris erschienene Braunbuch – Über Reichstagsbrand und Hitlerterror auf über 400 Seiten hinausschreit.
Unter Federführung des kommunistischen Verlegers Willi Münzenberg stellten die anonym bleibenden Autoren, zu denen auch etwa Arthur Koestler gehörte, Dokumente und Beweise zusammen, die belegen sollten, dass die Nationalsozialisten den Reichstagsbrand am 27. Februar 1933 selbst gelegt hatten. Außerdem informierte das Buch über den Vernichtungsfeldzug gegen die Kultur, über die Zerstörung der legalen Arbeiterorganisationen, über die Brutalität der Judenverfolgung und den Terror in den Konzentrationslagern. Ein Text, betitelt „Mordliste des ‚Dritten Reiches’“, abgeschlossen am 29. Juli 1933, übergibt 250 namentlich Fälle der Öffentlichkeit.
Hunderte freiwilliger Mitarbeiter, Schriftsteller, Arbeiter, Ärzte, Rechtsanwälte, die der Hitler-Terror ins Exil getrieben hatte, aber auch Mithelfer „aus dem großen brauen Kerker, der sich ‚Drittes Reich’ nennt, die unter Lebensgefahr Material über die deutschen Ereignisse besorgten“, waren an dem Projekt beteiligt. Jede Behauptung des Buches, so wird betont, „stützt sich auf dokumentarisches Material“. Im Kapitel „Die Welt lässt sich nicht belügen“ findet sich Bericht Egon Erwin Kischs über seine Verhaftung in der Brandnacht und einen offener Brief von Ernst Toller an Joseph Goebbels. Das „Braunbuch“ mit einem Cover von John Heartfield (Göring mit Henkersbeil und blutiger Metzgersschürze) gilt als die Exilveröffentlichung mit der wohl weitreichendsten Wirkung. Es wurde in viele Sprachen übersetzt, bis 1935 sollen insgesamt 600.000 Exemplare verkauft worden sein. Im Verlag Walde + Graf – siehe auch den Band über Feindpropaganda im Schwesterverlag Das kulturelle Gedächtnis hier in dieser Rubrik besprochen – wird dieses zeitgeschichtlich bedeutsame Dokument jetzt nach über 30 Jahren wiederveröffentlicht. Dafür ein Bravo!
Braunbuch über Reichstagsbrand und Hitlerterror. Faksimile-Nachdruck der Originalausgabe von 1933. Willi Münzberg, Editions du Carrefour, Paris 1933/ Walde + Graf Verlag, Berlin 2020. 380 Seiten, zahlreiche Fotografien, 19,95 Euro.

Beklemmendes Porträt
(TW) Spion ohne Grenzen. Heinz Felfe. Agent in sieben Geheimdiensten von Bodo V. Hechelhammer rekonstruiert das Leben des Mannes, der eines der größten Desaster des Bundesnachrichtendienstes war. Tatsächlich schaffte es Felfe, für den Sicherheitsdienst (SD) der Nazis zu arbeiten, für den MI6, für den KGB, für die Organisation Gehlen, also den späteren BND, für die Vorläuferorganisation des VS und für die Stasi auch. Vom SS-Obersturmführer zum Professor für Kriminalistik an der Humboldt-Uni (bis 1991), das ist schon eine Karriere. 1961 wurde Felfe als „Leiter der Gegenspionage Sowjetunion“ im BND enttarnt und ins Gefängnis gesteckt, aber schon 1969 vom KGB ausgetauscht und lebte, bis zu seinem Tod am 8. Mai 2008 („Tag der Befreiung“, welch hübsche Ironie“ in Ost-Berlin. Felfe war der absolute Anti-Glamour-Spion, ein unauffälliger, eher sauertöpfischer Spießer, geldgierig ohne Ende, nach oben buckelnd, nach unten tretend, aber wenn nötig auch dreist und fordernd, wenn’s der Vorteilnahme diente. So quälte Felfe nach seiner Umsiedlung in die DDR die Stasi bis aufs Blut mit Sonderwünschen für sein (relatives) Luxusleben, wohl wissend, dass er vom KGB gedeckt wurde. Denn für den KGB war Felfe der Propagandacoup überhaupt, schon beinahe auf dem Niveau der Cambridge Five. Felfe steht natürlich auch für die Kontinuität der Nazi-Strukturen über die „Organisation Gehlen“ bis zum BND, die Hechelhammer (im Hauptberuf Leiter des Historischen Büros des Bundesnachrichtendienstes) mit unfasslicher Materialfülle nachzeichnet, kein Ruhmesblatt für die Sicherheitsarchitektur der BRD. Aber nix für Verschwörungstheoretiker: Felfe war genauso überzeugter Nazi wie er überzeugter Kommunist war und dabei voll auf dem Boden des bundesdeutschen Grundgesetzes stand, falls erforderlich. Geltungsdrang, gnadenloser Opportunismus, bürokratische Virtuosität, moralische Indolenz und Gier, eine Kombination, mit der man vermutlich sehr weit kommen kann. Egal, wann und wo. Insofern ist Hechelhammers Felfe-Porträt auch ein beklemmendes Porträt des systemoptimierten Menschen und damit ziemlich aktuell.
Bodo V. Hechelhammer: Spion ohne Grenzen. Piper, München 2020. 416 Seiten. 22 Euro.

Streng verboten
(AM) Mein Vater, der mir seit Kindheit vom Krieg erzählte, musste über neunzig werden, ehe er mir ein besonderes Artefakt zeigte. Von diesem zusammengefalteten Stück Papier hatte er mir – und vermutlich nicht nur mir – sechzig Jahre lang kein Sterbenswörtchen gesagt. So heiß, so verboten, so unsoldatisch war es, was er in seine Felduniform eingenäht, den ganzen Russlandfeldzug über bei sich trug. Hätte die SS es bei ihm gefunden, wäre er sofort an die Wand gestellt worden. Es war streng verboten, die Blätter aufzuheben und zu lesen. Für ihn, ein Frontschwein, fünf Mal verwundet, mehrmals kurz in Gefangenschaft, immer wieder entkommen, war es eine Art Lebensversicherung: ein deutschsprachiges sowjetisches Feindflugblatt, aufgemacht wie ein Passierschein. Text, sinngemäß: Der deutsche Soldat, der diesen Passierschein vorzeigt, benutzt ihn als Zeichen für seinen ehrlich Willen, sich zu ergeben. Er soll entwaffnet werden. Er ist gut zu behandeln. Er hat Anspruch auf Verpflegung und, wenn nötig, ärztliche Behandlung. Er muss so rasch wie möglich aus der Gefahrenzone gebracht werden.

Die Textsorte Flugblatt, so schreiben die Herausgeber in ihrem sehr lesbaren Text, entstammt einer klandestinen Umgebung, ihre Produktion ist geheimdienstliche Tätigkeit und unterliegt strengster Geheimhaltung. Wie alles Kriegsgerät soll es die Zahl der Feinde verringern. Es zielt auf Demotivation, auf Zersetzung, auf Kapitulation. Es lebt vom richtigen Ton, es ist eine Kunst. Profis waren dafür zuständig. Ei sörrender“ wurden für nicht wenige Landser lebensrettende Worte. In unserer Novemberausgabe habe ich einige Bücher über die Propagandakrieger und Verhörspezialisten aus Camp Ritchie und Camp Sharpe besprochen. Das hier ist sozusagen der Komplementärband dazu. Feindflugblätter des Zweiten Weltkriegs, herausgegeben von Moritz Rauchhaus und Tobias Roth, ist eine weitere Ruhmestat des Verlags Das kulturelle Gedächtnis. Das Buch verdankt sich der Aufmerksamkeit der Autoren Rauchhaus und Roth, die bei den Recherchen für „Wohl bekam’s! In hundert Menus durch die Weltgeschichte“ (CM-Rezension hier) des Schatzes gewahr wurden, der da in der Berliner Staatsbibliothek schlummert: rund 24.000 Blätter, teils vom Erlanger Sammler Klaus Kirchner zusammengetragen, der in 26 Katalogen eine beispiellose Bibliothek der Feindflugblätter des Ersten und Zweiten Weltkriegs erstellt hat. Die Herausgeber führen klug durch das Thema, wir treffen die Schriftsteller Klaus Mann, Stefan Heym und Erich Weinert, erfahren Hintergrund zur Weißen Rose, zur Befreiung Italiens und den Propagandakrieg an der West- und der Ostfront. Das verschwenderisch illustrierte und schön gestaltete Buch (von 2xGoldstein) zeigt 85 Flugblätter im Faksimile, die fremdsprachlichen werden vollständig übersetzt. Ein großer Wurf. Ein Standardwerk. Siehe auch den Textauszug in dieser Ausgabe.
Moritz Rauchhaus, Tobias Roth (Hg.): Eine Sammlung amerikanischer, britischer, deutscher, französischer Feindflugblätter des Zweiten Weltkriegs. Mit einem Nachwort und einem Essay von Christiane Caemmerer. Übersetzungen von Elisabeth Rudolph. Graphisch in Szene gesetzt von 2xGoldstein. Verlag Das kulturelle Gedächtnis, Berlin 2020. Format 15,5 × 23,5 cm, durchgängig vierfarbig gebunden, Kopffarbschnitt, Prägung und Lesebändchen. 288 Seiten, 28 Euro.

Echokammern der Phantasie
(AM) Fröhliche Wissenschaft. Die acht Beiträge der von Björn Hayer und Janin Aadam herausgegebenen Studie Das U-Boot führen polydisziplinär durch Literatur, Hörspiel und Film, und als würde vor unseren Augen ein bislang unbekanntes, farbenprächtiges Korallenriff aufleuchten, entdecken wir mit diesem Band aus dem Marburger Büchner-Verlag tatsächlich so etwas Eine kulturgeschichtliche Leerstelle.
Deutlich vor Jules Verne und seinem Roman „20.000 Meilen unter dem Meer“ (1870) entwarf Heinrich von Kleist bereits im Jahr 1805 „ein hydrostatisches Tauchboot“. Die Kulturgeschichte des U-Boots ist der von anderen Fortbewegungsmitteln der Moderne ebenbürtig. Wie bei Eisenbahn oder Automobil verdichten sich hier Ambitionen, Hoffnungen, militärisches Expansionsstreben und Pioniergeist ebenso wie die ganze Hybris der Moderne. Die Fahrt unterhalb der Wasseroberfläche bedeutet auch ein sinnbildliches Eintauchen in die Untiefen der menschlichen Seele und lässt Triebe, Träume und Verdrängtes offenbar werden. Erfahrungen der Klaustrophobie sind hier ebenso zu machen wie die „Ästhetische Dimensionen der Mathematik in U-Boot-Filmen“ erfahren, so der Untertitel des Kapitels „Zeit, Zahl, Zeiger“. (Zu Submarine-Movies hat vor kurzem der australische Afficionado Andrew Nette bei uns veröffentlicht.) Jules Verne kommt natürlich vor, Lothar-Günther Buchheims „Das Boot“ oder Neville Shutes Roman „On the Beach“. Verblüfft hat mich der Reichtum der Kapitel zum U-Boot-Motiv in Hörspielen, in Kinderbüchern und Kinderhörspielen und überhaupt in der Kinder- und Jugendliteratur. So schnell also vergeht er also nicht, dieser Phantasieraum unserer Unterwasser-Echokammern.
Björn Hayer, Janin Aadam (Hg.): Das U-Boot. Eine kulturgeschichtliche Leerstelle. Mit Beiträgen von Michael Bahn, Friederike Ehwald, Dagmar Heißler, Maike Jokisch, Anne D. Peiter, Monika Preuß und Gabriela Scherer. Büchner Verlag, Marburg 2020. Klappenbroschur, 236 Seiten, 22 Euro.

Tief eingeschriebene Gewaltkultur
(TW) Die westliche Zivilisation, so sagt man gerne, basiert im Wesentlichen auf der Antike. Reden wir hier aber nicht von edler Einfalt und stiller Größe und auch nicht vom Hort der Demokratie oder ähnlichen ersprießlichen Dingen, sondern reden wir von abgeschnittenen Geschlechtswerkzeugen, blutgierigen Monstern, beklagenswerten Schändungen, Meuchelmorden galore, zoophilem Schweinskram, irren Vatermördern, brandschatzenden Heroen, fiesen Giftmorden, Kannibalismen, Inzest, Marter und Folter, Eifersucht und Rache. Und schon sind wir bei den Quellen unserer Zivilisation angekommen, bei ihren Mythen und Sagen, denen wir noch heute auf Schritt und Tritt begegnen – vor allem in den sich so originell dünkenden Serialkiller-Narrativen, in Slasher-Orgien und anderen Hervorbringungen der Populären Kultur. Damit niemand mehr sagen kann, das habe er/sie aber nicht gewusst und schließlich sei es eine Zumutung, die Texte von Homer, Ovid, Hesiod und Co. zu lesen („dieser Schreibstil gefällt mir nicht“), hat sich Stephen Fry die Mühe gemacht, ach wo, das Vergnügen gegönnt, diese Basis unserer Kultur nachzuerzählen: Helden. Die klassischen Sagen der Antike neu erzählt (Aufbau. Dt. von Matthias Frings). Der Kontrast zum Hohen Ton, den ich Bildungsbürger bei Gustav Schwabs „Sagen des klassischen Altertums“ (1838-1840; damit ist noch meine Generation in den 1960s aufgewachsen) so kreuzkomisch fand, könnte nicht größer sein. Fry plaudert locker, natürlich sprachlich aktualisierend und oft ironisch kommentierend (natürlich kann er sich z.B. bei der Nummer von Zeus mit Danaë – Sie wissen schon, der Goldregen – den zarten Hinweis auf eine Golden Shower nicht verkneifen), aber stets quellensicher und vor allem seinen Gegenstand ernst nehmend. Das ist wichtig, denn es geht tatsächlich um die Motivgeschichte nicht nur der Populären Kultur, sondern um die tief in die Menschheitsgeschichte eingeschriebene Gewaltkultur. Helden ist übrigens der zweite Teil einer Trilogie: „Mythos“ hieß der erste Band, „Troy“ (gerade auf Englisch erschienen) wird den 3. Teil ergeben. Sollte man schon kennen …
Stephen Fry: Helden. Die klassischen Sagen der Antike neu erzählt. (Heroes, 2019). Deutsch von Matthias Frings. Aufbau Verlag, Berlin 2020. 461 Seiten, 26 Euro.

Bildmacht
(AM) Insgesamt 164 US-Präsidenten und Präsidentinnen, deutlich mehr also als die 45 realen, versammelt eines der wohl ungewöhnlichsten Bücher des Jahres, nämlich der im Zürcher Kunstverlag Scheidegger & Spiess in Koproduktion mit dem Institut für Buchkunst Leipzig entstandene Band The President of the United States on Screen: 164 Presidents, 1877 Illustrations, 240 Categories. Es ist eine Übung in Minimalismus, ein radikales Buch, ein Streifzug durch die Filmgeschichte und eine gewaltige Recherchearbeit, entstanden als Diplomarbeit von Lea N. Michel.

Die in der modernen westlichen Filmgeschichte wohl am häufigsten dargestellte Figur unterteilt sie in sechs Typologien – Father & Husband, Villain, Alien, Clown, Hero, Lover – und in 241 Unterkategorien. Als Vater und Ehemann etwa im Bett mit seiner Frau, im Badezimmer, beim Rasieren, im Bademantel, beim Anziehen, beim Singen, in der Küche, beim Kaffeetrinken, Zeitungslesen, Frühstücken oder mit seiner Tochter bei unterschiedlichen Tätigkeiten, etwa ein Versprechen abzunehmen. Dann natürlich im Oval Office (sieben Kategorien), draußen im Freien (sieben), an Bord von Air Force One, im Kindergarten, bei einem Bankett, am Telefon, im Fernsehen, beim Kuchenessen – und wieder mit seiner Tochter. Dasselbe fast als Bösewicht, nur mit noch mehr Varianten. Als Alien, als Clown, als Held, als Liebhaber. Wenn man sich an die Methodik des Bandes gewohnt hat, beginnen die Bilder schnell zu sprechen. Ein Essay von Teresa Rudolf führt zudem mit vielen schönen Querverweisen ins Buch. Auch der Index hilft. In diesen Seiten kann man sich verlieren.
Lea N. Michel: The President of the United States on Screen: 164 Presidents, 1877 Illustrations, 240 Categories. Herausgegeben von Ludovic Balland und Julia Blume. Text Englisch. Scheidegger & Spiess Verlag, Zürich, und Institut für Buchkunst Leipzig, 2020. Broschiert, 464 Seiten, 1877 farbige Abbildungen, 38 Euro.
Die Karten als Wegweiser zum Selbst
(AM) Mit diesem Buch eröffnet der Verlag Taschen eine neue Reihe, die Library of Esoterica. Der Band Tarot, vom Kreativstudio Thunderwing in Los Angeles gestaltet, ist dazu ein Statement: solideste Ausstattung, das bei einem sehr schlanken Preis, gutes Papier, gute Bindung, mehr als 500 Abbildungen, Kultur-, Kunst- und Wirkungsgeschichte zugleich. Herausgeberin ist die Filmemacherin und Kunst- und Musikjournalistin Jessica Hundley, die unter anderem über die Country-Rock-Legende Gram Parsons veröffentlicht hat. In zahlreichen Beiträgen und unter verschiedenen Blickwinkeln nähert sich das ansprechend gestaltete Buch der über 600jährigen Geschichte des Tarot, seiner Ikonographie und der Bedeutung seiner 78 Karten. (Ein Deck hat 22 Trumpfkarten der sogenannten Großen und 56 Bildkarten der Kleinen Arkana.).

Es ist das erste visuelle Kompendium dieser Art zum Thema, die Bildwelten sind reich und es ist verblüffend, wie die archetypischen Bilder des Decks – der Narr zum Beispiel, oder der Magier – immer wieder neu interpretiert und dargestellt werden. Diese Bildgeschichte reicht vom Mittelalter bis zur Moderne. Der Band versammelt die Decks von fast 100 zeitgenössischen Künstlern aus aller Welt (darunter Salvador Dalí und Niki de Saint Phalle), die das Medium Tarot für seine Fähigkeit schätzten und schätzen, sich selbst zu erkennen, das Bewusstsein zu schärfen und kulturelle Identitäten auszuprägen. Es gibt Textauszüge von Carl Gustav Jung und Joseph Campbell sowie einen Essay über Orakel-Decks von Marcella Kroll.
Sogar James Bond übrigens spielte Tarot, 1973 in „Leben und sterben lassen“. Mit gezinkten Karten verführte er eine Seherin, ihre Name, natürlich: Solitaire. Weil sie sich in ihn verliebte, verlor sie dadurch jedoch ihre Fähigkeit, die Zukunft voraussagen zu können.
Jessica Hundley, Thunderwing, Johannes Fiebig, Marcella Kroll: Tarot. The Library of Esoterica. Deutsche Ausgabe. Taschen Verlag, Reihe Library of Esoterica, Köln 2020. Hardcover, Format 17 x 24 cm, 1,61 kg, 520 Seiten, 30 Euro. Verlagsinformationen: Taschen.com

Nützlich und gut
(TW) Die Filme von Alfred Hitchcock kennen wir alle, naja, fast alle – die Duschszene in „Psycho“, die Dalí-Landschaft in „Spellbound“, der Flugzeugangriff in „North by Northwest“, der Krawattenmord in „Frenzy“ und die Attacken in „The Birds“, um nur ein paar Szenen zu nennen, die sich vermutlich ins kollektive Gedächtnis eingebrannt haben. Aber natürlich kennen wir nicht alle Hitchcock-Filme, die frühen, britischen Produktionen zum Beispiel haben es nicht zu globaler Präsenz gebracht, und auch seine erstaunlich vielen Arbeiten fürs Fernsehen kann man noch entdecken. Gut also, dass Hitchcock – Alle Filme von Bernard Benoliel, Gilles Esposito, Murielle Joudet und Jean-François Rauger (Edition Delius, Dt. von Sina de Malafosse, Sarah Pasquay und Melanie Köpp) ein verlässliches Kompendium zum schnellen Nachschlagen ist. Die Filme sind jeweils knapp kommentiert, meistens mit Entstehungsgeschichte und Rezeptionsbackground versehen. Dazu Fun Facts, glücklicherweise wohl dosiert, und Kontexte in extra Kapiteln: „MacGuffin“, „Mama! – Die Hitchcock’schen Mütter“, Bernard Herrmann“ etc. Und natürlich Fotos galore, Bibliographie, Register (sehr sinnvoll), prallvoll. Die – auch glücklicherweise nicht sehr ausschweifenden – Exegesen sind zumindest alle diskutabel, nur die Ungeschicklichkeit Hitchcock im Text immer „der Cineast“ zu nennen, nervt ein wenig. Anyway, ein schönes Handbuch, nützlich und gut.
Bernard Benoliel, Gilles Esposito, Murielle Joudet und Jean-François Rauger: Hitchcock – Alle Filme (Hitchcock, la totale, 2019). Deutsch von Sina de Malafosse, Sarah Pasquay und Melanie Köpp. Delius Klasing Verlag, Bielefeld 2020. 648 Seiten. 78 Euro.

Grandiose Wissenschaft
(AM) Auf die 80 zugehend, einen Schlaganfall überstanden, erlaubte sich der walisische Historiker Norman Davies noch einmal die Flügel auszubreiten. Das Ergebnis ist der ziegelsteindicke Band Ins Unbekannte. Eine Weltreise in die Geschichte. Es ist gigantisch gutes und humorvolles Reise- und Recherchebuch, Geschichtslektion, Literatur- und Kulturführer zugleich, das alles auf höchstem Niveau – ein Antidot zum schnellen „Wissen“ per Wikipedia.
Zwölf der 15 Kapitel konzentrieren sich auf Orte oder Landschaften, sei es Baku, Delhi, Singapur, Tasmanien, Neuseeland oder Cornwall, drei sind thematisch orientiert. Ihr letztes heißt „Imperium: Europäische Geschichte wird exportiert“ und würde als eigenes Buch über Kolonialismus taugen. In seiner stupenden Schule des Sehens findet Davies sich Goethe verpflichtet: „Denken ist interessanter als Wissen, aber nicht als Anschauen.“ Das blendend geschriebene (und übersetzte) Buch ist ein Geschenk, die Summe eines akademischen Lebens voller Neugier und politischer Wachheit. Geschichte beginnt für ihn nie bei den Eroberern, sein Bewusstsein für und sein Wissen um die Marginalisierung indigener Völker ist stupend. Das letzte Wort gibt er dem indischen Politiker Shashi Tharoor: „Kein Wunder, dass über dem Empire die Sonne niemals unterging – den Engländern wollte selbst Gott nicht im Dunkeln begegnen.“
Norman Davies: Ins Unbekannte. Eine Weltreise in die Geschichte (Beneath Another Sky. A Global Journey into History, 2017). Aus dem Englischen von Tobias Gabel und Jörn Pinnow. WBG Theiss, Darmstadt 2020. Hardcover, 896 Seiten, 39,95 Euro.

Entfesselte Architektur
(AM) „Aber die Schwerkraft!“, rief der als Bauleiter für ihr erstes tatsächlich umgesetztes Projekt zuständige Architekt immer wieder aus. Es war die spitzwinklige Feuerwache des Designmöbel-Herstellers Vitra in Weil am Rhein, 1991–93 gebaut, tatsächlich mit einer schwebenden Wand, wie Zaha Hadid es gewollt hatte. Die 1950 in Bagdad geborene, in London studierte und mit 66 Jahren viel zu früh verstorbene Architektin war eine Revolutionärin. Ihre Entwürfe stellten die Geometrie auf den Prüfstand, hinterfragten das Primat des rechten Winkels und stellten die Schwerkraft in Frage – so, wie wenn ein Dichter erst einmal das Alphabet aushebeln würde, ehe er sein erstes Buch dann in der neuen Sprache schreibt.

Als sie, dies als erste Frau, den hoch renommierten Pritzker-Preis erhielt, waren gerade vier ihrer Gebäude verwirklicht: die Vitra-Wache, eine Straßenbahn-Endhaltestelle in Straßburg, ein Pavillon in London und das erste von einer Frau erbaute Museum der USA, das Lois & Richard Rosenthal Zentrum für zeitgenössische Kunst in Cincinnati. Ich begegnete ihren akurat gezeichneten absoluten Regelbrüchen zum ersten Mal, als ich mich für die Lufthansa mit der Kulturgeschichte des Fluggedankens befasste. Zaha Hadid fand, dass auch Gebäude fliegen können sollten. In der bewährten Qualität des Verlags Benedikt Taschen gibt es jetzt als Volksausgabe in hervorragendem Preis-Leistungs-Verhältnis eine schwergewichtige, reich illustrierte Monographie, editiert vom Architekturkritiker Philip Jodidi.
Kommentar eines Freundes, dem ich den Band zeigte: „Auf welchem Planeten sind wir denn hier?“
Philip Jodidio: Zaha Hadid. Complete Works 1979–Today. 2020 Edition. Mehrsprachige Ausgabe: Deutsch, Englisch, Französisch. Verlag Benedikt Taschen, Köln 2020. Hardcover, Format: 22,8 x 28,9 cm, 3,35 kg, 672 Seiten, 50 Euro. Verlagsinformationen: Taschen.com.


Hübsches Mosaik
(AM) Die Vita des Autors klingt so: 18% langweiliger Job, 16% unschönes Familienleben, 7% Exzesse mit Kumpels, 56% ermüdende Schul- und Studienjahre und 3% lustige Buchprojekte. Sein aktuelles Werk Der Alleswisser gehört zweifellos dazu. Jedoch, so die einigermaßen bescheidene Selbsteinschätzung von Peter Grünlich, liefere sein Projekt Wie ich versucht habe, Wikipedia durchzulesen, und was ich dabei gelernt habe, kein Bild der Erkenntnis, sondern sei allenfalls ein hübsches Mosaik geworden, immerhin aber hoffe er, „Ohrwürmer des Wissens“ bieten zu können. Vorbereitet hat er sich auf sein Abenteuer mit der Autorenschaft an Büchern wie: Was wir tun, wenn die Fernbedienung nicht mehr geht, Warum wir die Adventszeit lieben, Was wir in der Schule lernen, Wovon wir einen Ohrwurm bekommen, Wo wir benutztes Geschirr hinstellen, Was wir tun, wenn es an der Haustür klingelt oder Was wir tun, wenn der Aufzug nicht kommt.

Die ganze deutsche Wikipedia, ausgedruckt, wären 600.000 Seiten. Grünlichs Streifzug hat 272. Von nicht einmal einem Prozent der Inhalte, bekennt er, habe er jemals zuvor gehört. Seine Funde gehören zur Kategorie Unnützes Wissen. Das kann man mögen oder nicht, mit der Brauchbarkeit ist es dann nochmal eine eigene Sache. Es gibt zum Thema übrigens auch eine täglich aktualisierte, nicht mit diesem Buchprojekt in Zusammenhang stehende Internetseite. Aber über eine Ínternet-Enzyklopädie im Medium Buch zu lesen hat seinen Charme. Wissen, entschleunigt. Auch wenn es unnütz ist.
Peter Grünlich: Der Alleswisser: Wie ich versucht habe, Wikipedia durchzulesen, und was ich dabei gelernt habe. Yes Publishing, München 2020. 272 Seiten, 14,99 Euro.

Narnia, Oz, Mittelerde und die andern Traumorte
(AM) Dieses Buch der Mitbegründerin von Salon.com, eines der ersten Onlinemagazine, kommt aus der Abteilung Weihnachtsgeschenke. Die Wissenschaftliche Buchgemeinschaft (wgb) als Verlag garantiert für Wonderlands ein Niveau oberhalb des Coffeetables, die 100 Beiträge von über 40 Autorinnen und Autoren führen in Die fantastischen Welten von Lewis Carroll, J.K. Rowling, Stephen King, J.R.R. Tolkien, Haruki Murakami u.v.a.
Herausgeberin Laura Miller war 2006 Autorin eines Literaturführers zu zeitgenössischen Autoren, wir sehen also nicht nur Antikenstaub. Das Buch ist sehr großzügig illustriert und ausgestattet, reicht von uralten Mythen bis zu den Welten moderner Fantasyromane. Enzyklopädische Vollständigkeit aber darf man sich bei der Maßzahl 100 nicht erwarten, es fehlen zum Beispiel Michael Ende zum Beispiel mit seiner „Unendlichen Geschichte“, Anne Rice, Marion Zimmer Bradley oder James Tiptree. Aber es gibt auch schöne Entdeckungen wie Nnedi Okorafors „Lagune“ (2014, deutsch 2016 bei CrossCult), in dem Lagos von Außerirdischen besetzt ist.
Laura Miller (Hg.): Wonderlands. Die fantastischen Welten von Lewis Carroll, J.K. Rowling, Stephen King, J.R.R. Tolkien, Haruki Murakami u.v.a. (Literary Wonderlands: A Journey Through the Greatest Fictional Worlds Ever Created, 2016). Aus dem Enflischen von Hanne Henninger, Susanne Kolbert und Madeleine Kaiser. Verlag wbg Theiss, Darmstadt 2020. 320 Seiten, Hardcover, über 300 Abbildungen, 28 Euro.

Hebt auch ganz schön
(TW) Ob Unnützes James Bond Wissen von Danny Morgenstern nicht in der Tat unnütz ist (ach, diese Koketterie), mag ich nicht entscheiden. Müssen wir wissen, dass James Bond in „Diamantenfieber“ sechsmal am Golden-Nugget-Casino vorbeifährt? Oder dass „Skyfall“ der Film ist, in dem 007 „am häufigsten die Hände in der Tasche hat“? Immerhin offeriert das Bändchen über 2500 solcher „Fakten“, die, wenn auswendig gelernt, sicher ausreichen, beim (virtuellen) Small Talk als Experte durchzugehen. Und das hebt dann auch sehr schön …
Danny Morgenstern: Unnützes James Bond Wissen. CrossCult, Ludwigsburg 2020. 464 Seiten. 15 Euro.

Mediengeschichte
(AM) Kein Journalist hat mehr Zeit am Set von „Game of Thrones“ verbracht als James Hibberd von „Entertainment Weekly“. Die Zahl seiner Artikel über die 2011 begonnene und nach acht Staffeln jetzt beendete Serie – siehe auch Markus Pohlmeyer dazu in dieser Ausgabe – geht in die Hunderte. 2019 wurde er dafür vom Los Angeles Press Club als Journalist des Jahres nominiert.
In Feuer kann einen Drachen nicht töten führt er durch die Hintergründe der Entstehung des gigantischen TV- und Streaming-Events, für den es alleine 59 Emmys gab. Geschrieben sei das Buch „mit Tinte und Blut“, sagt er. Die 32 Kapitel sind mediale „oral history“ pur, sie beruhen auf vielen Interviews mit Mitgliedern des Film- und Produktionsteams, mit Darstellerinnen und Darstellern, den Showrunnern David Benioff und Dan Weiss und dem Autor George R.R. Martin. 70 „behind-the-scenes“-Fotos kommen hinzu. Ein Blick hinter die Kulissen. Geköpft würde ihr Autor sicher nicht dafür.
James Hibberd: Feuer kann einen Drachen nicht töten. GAME OF THRONES und die offizielle, noch unbekannte Geschichte der epischen Serie (Fire Cannot Kill a Dragon: Game of Thrones and the Official Untold Story of the Epic Series, 2020). Deutsch von Andreas Helweg. Penhaligon Verlag, München 2020. 464 Seiten, 28 Euro.