Geschrieben am 25. April 2009 von für Crimemag, Hörbuch

Nikolai von Michalewsky: Abschiedswalzer

Schlichtweg spannend

Das tut gut. Endlich wieder einmal schnörkellose Krimihörspiele. Keine privaten Krisen bei den Kommissaren, keine stundenlange Seelenschau, keine überflüssige Action. Einfach pure Spannung, pure Kombinatorik und der Knalleffekt. Jörg von Bilavsky freut sich über Hörspiele.

Nikolai von Michalewsky (1931–2000) war nicht grundlos einer der meistgebuchten Hörspielautoren Deutschlands. In fast 40 Jahren hat er knapp 30 Kriminalhörspiele hauptsächlich für Radio Bremen und den WDR erdacht. Drei seiner besten aus den späten 80er- und frühen 90er-Jahren sind jetzt erstmals auf CD gepresst worden. Das sind noch viel zu wenige, wenn man für diesen Autor und seine Krimis erst einmal Feuer gefangen hat. Das kann durchaus auch etwas dauern, weil meist zuerst alles recht harmlos oder scheinbar eindeutig aussieht:

In „Bei Bildausfall Mord“ beispielsweise wissen wir erst nach ein paar Minuten, dass Terroristen in wenigen Stunden eine Passagiermaschine in die Luft jagen wollen. Die Suche nach dem Selbstmordattentäter kann beginnen. Doch alles, was der Kommissar über den Täter oder die Täterin an Bord wissen kann, verbirgt sich auf einer Tonbandaufnahme. Akustische Spuren, die er oder sie bei Mord an einem abtrünnigen Mitwisser hinterlassen hat, müssen Aufschluss über das Erscheinungsbild des Mörders geben. Michalewsky interessieren nicht die politischen Motive des Terroristen. Ihn und den Hörer faszinieren einzig und allein, wie sich ein Blinder lediglich aus Geräuschen ein klares Bild von einer Person machen kann.

Im „Abschiedswalzer“ hingegen hat Michalewsky ein durchaus bekanntes Muster gewählt, aber gekonnt variiert: Ein Todkranker will sich von einem Fremden töten lassen, weil er für einen Selbstmord zu feige ist und die Hinterbliebenen nichts von der Lebensversicherung sehen würden. Als der Laborbefund korrigiert wird und er noch 100 Jahr alt werden kann, beginnt der Wettlauf mit dem Tod erst richtig. Wie soll er den einmal angeheuerten und anonymen Mörder wieder „abbestellen“. Ein wahrhaft überraschender Ausgang ist auch hier garantiert. Das Wechselbad der Gefühle spielt nur eine Nebenrolle. Was zählt ist der Clou am Schluss.

Keine überflüssige Tiefenpsychologie

Und auf den darf man auch im dritten und letzten Hörspiel gespannt sein. Muss sich in „Ich oder Du“ ein Kommissar doch gegen einen ausgebrochenen Geiselmörder zur Wehr setzen, den er selbst vor ein paar Jahren dingfest gemacht hat. Zu dumm, dass er sich allein in einer eingeschneiten Berghütte befindet und das Überraschungsmoment auf Seite des Rächers ist. Obgleich sein Schicksal besiegelt zu sein scheint, findet Michalewsky am Ende doch noch einen ganz besonderen Dreh. Die Ängste und Schmerzen des Kommissars führt uns der Autor zwar in den Monologen vor, aber das dient lediglich dem Spannungsaufbau und nicht der tiefenpsychologischen Analyse.

Michalewsky hat ein sicheres Gespür für perfekt konstruierte Plots und stimmig darin eingebettete Dialoge. Seinen Protagonisten gibt er immer lediglich so viel Profil, dass der Hörer sie grob einordnen und – vor allem – unterscheiden kann. Seelische Defekte und Probleme sind für ihn kein Thema. Für ihn zählen die Dramaturgie der Ereignisse, der Weg und die Mittel zur überzeugenden Auflösung eines Falls. In Zeiten des sozialkritischen und psychologischen Krimis mag das etwas schlicht erscheinen – aber gerade dieses Schlichte ist oft spannender und unterhaltsamer als alles andere.

Jörg von Bilavsky

Nikolai von Michalewsky: Abschiedswalzer und weitere Hörspiele der Extraklasse. 3 CDs. Laufzeit: 153 Minuten. Sprecher: Elmar Nettekoven, Ulrike Lösch, Christian Korp und andere. Steinbach Sprechende Bücher 2009. Preis: 17,99 Euro.