Grobschlächtiges aus Hollywood, Feines aus Australien
– „Gangster Squad“, ein period piece vom Ende der 1940er in Los Angeles, ist Ruben Fleischers zweite Regiearbeit nach der Untoten-Komödie „Zombieland“ (immerhin 90 Prozent auf dem Tomatometer bei www.rottentomatoes.com, einer netten Seite, die viele Filmkritiken zu einem Film versammelt). Wie ein Schnittrest aus diesem Splatterfilm wirkt die erste Szene: Ein mit Ketten gefesselter Mann liegt zwischen zwei Autos am Boden, ein anderer muss zusehen, ein fieser Typ in Mantel und Hut hält eine kurze Rede, gibt ein Kommando, die Autos fahren an, reißen den Delinquenten in zwei Stücke.
Blutiger Strohsack. Wäre ich Sean Penn, hätte ich Regisseur, Drehbuchautor und Produzenten zwischen Autos plaziert. Wer solch eine „Einführung“ meiner Schauspielkunst vorzieht, hat entweder keine Ahnung von Film oder ist ein Effekte-Spekulant, jedenfalls ein Ignorant dessen, was an Meyer Harris „Mickey“ Cohen das Besondere war …
Lassen wir es bei der Klassifizierung „grobschlächtig“, das bezieht sich im Fortgang dann nicht nur auf die Gewaltszenen, sondern auch auf das filmische Konstrukt insgesamt. Sean Penn mit irgendwie Botox-Gesicht gibt den Gangsterboss Mickey Cohen, der sich L.A. unter den Nagel reißt, ähnlich zugeschwemmte Gesichtszüge hat Nick Nolte als Chief Parker, der seinen Musterpolizisten Sergeant John O‘Mara (Josh Brolin mit vorangegangenem Kinn-Ausdruckstraining) eine gesetzlose Truppe zusammenstellen lässt, mit der ohne Uniform und Gnade das Verbrechergesindel aus der Stadt gejagt werden soll.
Auch in der Systemgastronomie kommt es auf die Qualität der Bauteile an, dieser Zutatenfilm genügt sich mit den gröberen. Alles schon gesehen – und viel besser. Aber eben nicht so neu. Brian DePalmas „Untouchables“ (1987) lassen grüßen, samt imitierter Kamerafahrten, ein wenig Polanskis „Chinatown“, Warren Beattys „Bugsy“ (1991) mit einem großartigen Harvey Keitel als Cohen und einer ebenso großartigen Annette Bening, James Ellroys „L.A. Confidential“ (1997), Lee Tamahoris „Mulholland Falls – Nach eigenen Regeln“ (1996), der auch schon eine eher kannibalistische Angelegenheit war.
Wie eben vom Pferd gestiegen
Und, liebe Leserinnen, auch Ihre Sahneschnitte Ryan Gosling wird hier als eher fade Suppe serviert, als Wiederaufguss besserer Zeiten und besserer Filme. Seine Affäre, Cohens „ gangster moll“ Grace (Emma Stone) hat mehr von überschminktem au pair-Mädel als femme fatale. Der Showdown dann mit all der Schnellfeuerballerei ist schlicht lächerlich und peinlich. So pompös, aufgemotzt, pseudo und teuer in der Ausstattung diese filmisch halbgare Ware daherkommt, so billig ist sie zusammengerührt. Dabei war noch Extrazeit gewesen, nach dem Massaker bei der „Batman“-Premiere in Denver wurden Szenen neu gedreht, der Film umgeschnitten, weil just solch eine Hinrichtung in einem Kino im Film vorgekommen war.
Zwei Darsteller fand ich gut, Lichtblicke im Stereotypengulasch. Das war Mireille Enos als Connie O’Mara, die Ehefrau von Josh Brolin, und der wirklich kernige, cowboyhafte Robert Patrick als Officer Max Kennard, der wie eben vom Pferd gestiegen auftritt. Robert Patrick ist einer jener großen Nebendarsteller, die manchem Film den richtigen Resonanzboden geben, weil da ein Professional auftritt und das dann auch den Hauptdarsteller legitimiert, so etwa Denzel Washington in „Safe House“.
Aus den credits erfuhr ich auch, was Will Beall, der Autor eines der dunkelsten Polizeiromane der jüngeren Zeit, der leider ein Einzelwerk gebliebene „L.A. Rex“ von 2006, in jüngster Zeit getrieben hat: nämlich das Drehbuch für diesen Film zu schreiben. Meine Empfehlung: lieber den Roman besorgen, und sich zuhause ein paar intensive Lektürestunden gönnen.
Gangster Squad. USA 2013. Regie: Ruben Fleischer. Buch: Will Beall. Nach dem Roman von Paul Lieberman. Mit: Josh Brolin, Sean Penn, Ryan Gosling, Nick Nolte, Emma Stone, Giovanni Ribisi, Michael Pena, Robert Patrick. Länge: 113 Minuten. FSK: ab 16 Jahren. Verleih: Warner. Deutscher Kinostart: 24. Januar 2013.
„Bäumchen wechsle dich“ zwischen drei Personen
Ein „swerve“ ist eine Ausweichbewegung, ein plötzlicher Schwenk, und als Titel gut gewählt für diesen nur auf DVD erhältlichen australischen Film. Die kleine Thrillergeschichte hat man anderswo auch schon gesehen, sie will nicht mehr als 86 Minuten unterhalten. Das tut sie auf anständige und amüsante Art.
Das Personal ist sehr überschaubar: ein Geldkoffer, ein Fremder, der ihn findet, eine rätselhafte Frau in einem Cabrio, ihr Mann, ein ziemlich wütender Polizist, ein Jäger/Killer, der den Koffer sucht, und ein Barkeeper im einzigen Hotel des kleinen Wüstenkaffs. Die Weite Australiens kontrastiert auf interessante Weise mit dem beschränkten Handlungsrahmen, der immer wieder neue Wendungen nimmt.
Die ersten sechs Minuten kommen ohne Dialog aus, der erste Stromstoß ist ein Auto, das fast von einem Zug gerammt wird; der Zug wird noch eine Rolle spielen, es ist der „Indian Pacific“ von Ost nach West. Drogen und Geld werden getauscht, eine Zeitbombe tickt, ein Auto explodiert, das andere wird bei einem Ausweichmanöver von der Frau im Cabrio gerammt und überschlägt sich spektakulär. „Was ist dir lieber? Füße oder Schultern?“, fragt ein Rettungssanitäter den anderen, nachdem wir zuvor erfuhren: „Die Windschutzscheibe hat ihm den Kopf sauber abgetrennt.“
Colin, der Fremde auf der Durchreise, gibt den Geldkoffer bei der Polizei ab, wo ihn Frank in einer Zelle deponiert und den Fremden für den Abend einlädt. Die Ehefrau ist die aus dem Cabrio, die eigentlich mit einem gepackten Koffer aufgebrochen war. Der Abend am Swimmingpool hat nette Lichteffekte, überhaupt ist der Film alleine seines Lichtes wegen eine Freude. Ok, eine Australienreise ersetzt er nicht, aber das Licht erkennt und erinnert man wieder. Auch dies ein schöner Gegensatz zur Schwärze der Story, die bald schon in einen Minenschacht führt, in dem ein Toter liegt, und in dem der inzwischen tote Polizistenehemann nun auch landen soll. „Du planst das schon eine ganze Weile, oder?“, fragt Colin die geheimnisvolle Jina (Emma Booth), aber es folgen noch etliche Volten in diesem drei Personen-und-ein-Verfolger-Stück.
Einen ironischen Rahmen setzen ein Marschkapellenwettbewerb, eine immer vor den Weg laufende Polizistenreisegruppe, der kleine Ort Neverest mit nur einer Straße, die aus ihm führt, und der mürrische Barkeeper, der am Ende eine Fabel bereithält. Der Ton ist leichtfüßig, die Mechanik nicht überfrachtet, der Film ein weit ehrlicheres (kleines) Vergnügen als die aufgedonnerte „Gangster Squad“.
Swerve – Falscher Ort, falsche Zeit (Swerve). Australien 2011. Regie und Buch: Craig Lahiff. Mit: Jason Clarke, Emma Booth, David Lyons. 86 Minuten. DVD: Ascot Elite.
Alf Mayer