Geschrieben am 1. September 2022 von für Crimemag, CrimeMag September 2022

Maulwurfgeschichte – Eine kleine Grabung

Wie kam der Maulwurf zur negativen Assoziation mit Spionage?

Eine kleine Spurensuche von Bodo V. Hechelhammer

„Der Maulwurf. BND-Mann unter Spionageverdacht“ schrieb der Spiegel als Schlagzeile am 4. Juli 2014, als es um Verrat im deutschen Auslandsnachrichtendienst ging.[1] „Maulwurf gesucht“, titelte die taz am 15. Oktober 1990, nachdem zuvor Klaus Kuron als DDR-Spion in den Reihen des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) enttarnt worden war.[2] Und einen ganzen Krieg zwischen den amerikanischen und sowjetischen Geheimdiensten sah das New York Magazin am 27. Februar 1978 im Artikel „The war of the moles“.[3]

Es dreht sich also um Maulwürfe. Diese exemplarischen Zeitungsartikel haben keineswegs den kleinen Maulwurf von Zdeněk Miler im Sinn gehabt, auch nicht den lieben Pauli aus dem Universum Rolf Kaukas. Vielmehr geht um sinistre Spione, die in einen feindlichen Dienst eindringen, Spionage betreiben und abwertend eben als Maulwurf bezeichnet werden. Weil sie unerkannt den ganzen Laden in aller Stille umgraben und nach Informationen suchen. Auch die Fachliteratur hat die Begrifflichkeit übernommen, wie etwa David Wise in seinem 1992 erschienen Spionagebuch Molehunt: The Secret Search for Traitors That Shattered the CIA.[4] Und unter den Krimi- und Thriller-Titeln findet man nicht gerade selten das scheue Tier exponiert auf dem Cover, wie etwa bei Dani von Wattenwyls Thriller aus dem Jahr 2010 Der Maulwurf und verweist damit bereits klar auf den Plot.[5]  Selbst bei den Geheimdiensten, wie etwa der Central Intelligence Agency (CIA), hat sich der Begriff längst offiziell im Sprachgebrauch eingebürgert. So sprach Nora Slatkin, Exekutivdirektorin in Langley von 1995 bis 1998 in einer Rede vom 15. Mai 1996 ganz selbstverständlich im Kontext der Spionageabwehr von „the team of molehunters that tracked down Aldrich Ames“.[6]

Aber wie kam der Maulwurf zu der negativen Assoziation mit Spionage?

Die Chiffre fand Verbreitung nicht etwa als scheuer Fachausdruck, der sich langsam seinen Weg aus dem Dunkeln der Geheimdienstkreise ans Licht der Öffentlichkeit grub. Das Oxford English Dictionary schreibt die Etablierung des Ausdrucks dem Großmeister des Spionageromans zu, dem englischen Schriftsteller John le Carré, der in seinem 1974 erschienenen Roman Tinker Tailor Soldier Spy, (Dame, König, As, Spion) über einen russischen Spion im britischen Geheimdienst schrieb und entsprechend als Maulwurf bezeichnete.[7]

… Ivlov’s task was to service a mole. A mole is a deep penetration agent so called because he burrows deep into the fabric of Western imperialism, in this case an Englishman. Moles are very precious to the Centre … [Tinker, Tailor, Soldier, Spy, 1974]

Demnach hat der bekannte Autor, der zwischen 1958 und 1964 selbst für die britischen Geheimdienste MI5 und MI6 gearbeitet hat, dafür gesorgt, dass über seine Spionageromane auch seine Spracherfindung von der Öffentlichkeit, den Medien und schließlich von den Geheimdiensten selbst akzeptiert und implementiert wurde. Und le Carré hat wahrlich einige Eigenbegriffe erfunden, wie lamplighters, scalp-hunters, mothers usw., die nur schwer in die deutsche Sprache entsprechend zu übersetzen sind, wie dessen Übersetzer Peter Torberg bestätigen könnte. Doch wie John le Carré in Interviews stolz erzählte, habe die CIA seinen Begriff von ihm übernommen.[8]

I´m told that they´ve definitley adpoted the word `mole´ for what they used to call a `sleeper´, which is a long-term penetration agnet who does nothing until he´s activated. It may be that they also use other expressions that have appeared in my books. If so, I ´m flattered. [John le Carré, 1978]

Tatsächlich verbreitete sich erst nach Tinker, Tailor, Soldier, Spy ab 1974 der Maulwurf als Synonym für einen heimlich grabenden Feindagenten, trat zuerst seinen Siegeszug durch den Blätterwald an und setzte sich allgemein im Sprachgut über Geheimdienste fest.[9] In den Jahren zuvor wurden enttarnte Feindagenten meist einfach als Spione oder als Doppelagenten bezeichnet, wie etwa Heinz Felfe, der als BND-Mitarbeiter diesen zehn Jahre lang für das KGB aufklärte, bevor er 1961 verhaftet wurde.[10]

Während die Mehrzahl seiner bildhaften Sprachschöpfungen erklärte Eigenerfindungen waren, die viel schöner klangen als vergleichbare trockene Behörden-Eigenbezeichnungen, will John le Carré ausgerechnet den Begriff des Maulwurfs aber entlehnt haben. In einem Nachdruck seines Romans von 1991 erklärte John le Carré hierzu, dass er den Ursprung des Wortes Maulwurf selbst gar nicht mehr genau wisse. Es könnte sein, so der Altmeister des Spionageromans, dass ihm der Maulwurf während seiner aktiven Zeit als Geheimagent in einem Bericht über die australische Petrov-Affäre Mitte der Fünfzigerjahre untergekommen sei, in einem Glossar über KGB-Begrifflichkeiten. 1954 ersuchte der sowjetische Diplomat Wladimir Michailowitsch Petrov politisches Asyl in Australien, weil er Informationen über einen Spionagering hätte, die aus seiner Botschaft operieren würde. Damit würde der Begriff doch aus der professionellen Geheimdienstterminologie kommen. Allerdings lässt sich ein Maulwurf begrifflich nicht in den Petrov-Papieren oder sonst wo finden. Aber vielleicht, so gestand John le Carré später rätselhaft ein, hätte er den Maulwurf doch im Laufe der Zeit erfunden. Oder doch nicht?

Ohne Frage hat John le Carrés genreprägender Roman von 1974 tatsächlich für die Verbreitung und für die Etablierung der Begrifflichkeit Maulwurf im Geheimdienstkontext gesorgt; dennoch wurde dieser davor bereits mit Spionage in Verbindung gebracht. Viele Jahre davor. Der spionierende Maulwurf ist somit keine Erfindung von le Carré.

Der Maulwurf wurde vor den Siebzigerjahren in der Literatur häufig mit Spionage in Zusammenhang gebracht. Am 28. Dezember 1922 veröffentlichte die Morning Post einen Artikel, in dem direkter Bezug zu einem russischen Spionagemaulwurf genommen wurde: „It is necessary to describe this document in detail, so that those who have ma be directly or indirectly affected by the underground burrowings of our Bolshevist moles will be familiar with their methods and plans“.[11] Im Jahr 1915 veröffentlichte Claes Jules das Buch German Mole, a Study of the Art of Peaceful Penetration, beschrieb darin die deutsche Infiltration in Belgien vor deren Einmarsch.[12] Es basiert auf Artikeln, die ein Jahr zuvor auf Französisch geschrieben wurden. Darin wird die Metapher eines deutschen Maulwurfs verwendet, der sich seinen Weg durch die belgische Gesellschaft gräbt, so dass diese beim deutschen Vordringen implodieren würde. Auch im 19. Jahrhundert wurde der Zusammenhang zur Spionage gezogen. So schrieb Wilhelm Müller 1876 über Die Reichslande Elsass-Lothringen in Unsere Zeit: deutsche Revue der Gegenwart. Monatszeitschrift zum Konversations-Lexikon: in „jedem Franzosen, der in Elsass-Lothringen zurückblieb, hatte die deutsche Regierung einen agent provocateur, der in Friedenszeiten als Maulwurf, in Kriegszeiten als Spion im Sinne und Solde Gambetta’ss operierte“. Bereits in Fabelsammlungen seit dem 18. Jahrhundert, wie in der Fabel „Der Esel als Vezier“, wird der Maulwurf zum Spion gemacht, wie etwa in den gesammelten Fabeln und Erzählungen des Theologen und Pädagogen Friedrich Philipp Wilmsen, erschienen 1833 in Berlin, zu lesen.[13] 

Und schließlich ließ Sir Francis Bacon in seinem 1626 verfassten Buch History of the Reign of King Henry VII einem Maulwurf im Geheimkontext auftauchen.[14]

As for his secret spials, which he did employ both at home and abroad, by them to discover what practices and conspiracies were against him, surely his case required it; he had such moles perpetually working and casting to undermine him. [History of the Reign of King Henry VII]

Der Erfinder von George Smiley will nicht aus diesen alten Quellen bewusst geschöpft haben. Dennoch taucht der Maulwurf etymologisch schon seit Jahrhunderten immer wieder einmal auf, wenn ein leichtverständlicher Vergleich zu einem Spion gesucht wurde. Sein Ursprung ist aber nicht eindeutig zu klären und bleibt offenbar verborgen. 

Bodo V. Hechelhammer 

Bodo V. Hechelhammers Buch „Spion ohne Grenzen. Heinz Felfe – Agent in sieben Geheimdiensten“ von Alf Mayer hier besprochen. Aktuell von ihm erschienen: „Rolf Kauka. Fürst der Füchse“, hier bei uns besprochen.

Seine Texte bei uns hier. Unter anderem ein großes Interview mit Oliver Kalkofe: SchleFaZ bedeutet Liebe und eines mit Oliver Hilmes zu dessen Buch „Das Verschwinden des Dr. Mühe. Öfter schon war er im Agentenfilm-Genre für uns unterwegs, etwa auf den Spuren von … „Serenade für zwei Spione“ (1965) …


[1] Vgl. „Der Maulwurf. BND-Mann unter Spionageverdacht“, in: Spiegel online, vom 4.7.2014.

[2] Vgl. „Maulwurf gesucht“, in: taz. Die tageszeitung, 15.10.1990, S. 5.

[3] Vgl. „The war of the moles“, in: New York Magazin, 27.2.1978.

[4] Vgl. David Wise: Molehunt: The Secret Search for Traitors That Shattered the CIA, New York 1992. 

[5] Vgl. Dani van Wattenwyl: Der Maulwurf, Basel 2010.

[6] Vgl. Executive Director Speech, 15.5.1996, in: CIA Electronic Reading Room (CIA ERR), 1996-05-15.pdf (cia.gov).

[7] Vgl. John le Carré, Tinker Tailor Soldier Spy, London 1974; Grant Barret (Hg.): Hatchet Jobs and Hardball. The Oxford Dictionary of American Political Slang, New York 2004, S. 177 f.

[8] Vgl. Matthew J. Bruccoli/ Judith S. Baughman (Hg.): Conversations with John le Carré, Jackson 2004, S. 51.

[9] Zum Beispiel „Höchststrafe für Doppelagent Felfe gefordert“, in: Deutsche Zeitung, 19.7.1963.

[10] Vgl. Bodo V. Hechelhammer: Spion ohne Grenzen. Heinz Felfe – Agent in sieben Geheimdiensten, München 2019.

[11] Vgl. Morning Post, 28.12.1922.

[12] Vgl. Claes Jules: German Mole, a Study oft he Art of Peaceful Penetration, London 1915.

[13] Vgl. Friedrich Philipp Wilmsen (Hg.): Sammlung auserlesener Fabeln und Erzählungen für Lese- und Deklamationsübungen, Berlin 1833, S. 73.

[14] Vgl. Francis Bacon: Historie of the Reign of King Henry VII, London 1626.

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