Geschrieben am 1. September 2020 von für Crimemag, CrimeMag September 2020

Markus Pohlmeyer: 100mal – Schreiben für mein Lieblingsmagazin

Wir gratulieren Markus Pohlmeyer zum 100sten Text für CM – neee, das ist falsch: Wir gratulieren uns, dass wir 100 Pohlmeyer-Texte bringen durften! Hundert Texte zwischen Antike und Donald Duck, 100 Texte über die Fundamente unserer Zivilisation. 100 Texte unterhaltsamer Gelehrsamkeit. 100 Texte zur Populären Kultur – und ja, auch Homers Epen sind Populäre Kultur, so wie Lucky Luke. Und der Schrank ist noch lange nicht leer, auch nach dem zweiten Hundert nicht. Aber ob wir dafür wieder acht Jahre brauchen? Müsste auch in fünf gehen …. In diesem Sinne: Packma’s!

Aus meiner Theologie-Science Fiction-Poesie-Werkstatt

Hundert Beiträge für CulturMag/CrimeMag und die Specials: Essays, Rezensionen und Gedichte. Das dürfte Anlass genug sein, einmal über das Schreiben selbst für CulturMag/CrimeMag zu reflektieren. Mein erster Text erschien 2012. (Das lief ungefähr so:  TW: Versteh’ ich nich … Nochmal gelesen. Nehmen wir.) Mit den Jahren entdeckte ich immer mehr – auch bedingt durch die Fülle der Stoffe – die freie Form des Essays für mich – ein flexibles Medium, thematisch und rhetorisch zu experimentieren. So konnte ich mein poetisches Schreiben mit Wissenschaft verbinden. Und ich habe mich besonders darüber gefreut, gerade auch meine Corona-Gedichtzyklen hier publizieren zu dürfen – denn sie sind aus einer langen Einsamkeit heraus entstanden, aber nicht für Einsamkeit gedacht, sie sind Monologe, aber dialogisch offen, und gewiss nicht das letzte poetische Wort zu diesem Thema.

Verrücktes ist entstanden, beispielsweise – zur großen Freude von Thomas Wörtche – meine Entdeckung des Galeerikativs:[1] nicht so sehr einer grammatischen Form (wenn, dann eher sich in Interjektionen wie Röchel! manifestierend), sondern als Metaphern-Feld und Allegorie-Raum, um die Anstrengungen des Autorenherausgeberdaseins plastisch und projektiv und dramatisch-pathetisch darzustellen. Die einen schlagen die Trommel, es rudern die anderen. Und umgekehrt. So hatte ich mir für den 100. Beitrag fünf Minuten Morgendämmerung-Genießen-auf-dem-Deck gewünscht. Alf Mayer: „Aber nur, wenn Sie die ganze Nacht durchgerudert haben! Hihihi.“ 

Was noch? Science Fiction bei Platon, ein chinesischer Autor als kosmischer Ur-Romantiker, coole Dinosaurier, mal eine Zeitreise hier, mal Cicero dort, verzauberte Mondnächte und gespenstische Aliens, Götterdämmerung mit den Borgias, Roboter in der Selbstfindungskrise, Stiluntersuchungen bei Donald Duck, viele Heldenreisen (z.B. mit Lucky Luke), beeindruckende Heldinnen und irgendwo dazwischen Thomas Mann.

Ich schreibe gern als Theologe über Science Fiction.[2] Dazu eine andere Stimme: „Als ich meiner Frau von der Idee erzählte, ein Buch über Aliens zu schreiben, zeigte sie sich leicht besorgt […]. Ich erinnerte sie daran, dass ich Theologe bin und mich ohnehin mit Themen beschäftige, die vielerorts nicht gerade als Inbegriff von Seriosität gelten. Wer davon überzeugt ist, dass ein Gekreuzigter am dritten Tag wieder zum Leben erweckt wurde, sollte nicht vorschnell die Nase rümpfen über Menschen, die an UFOs und Außerirdische glauben oder davon überzeugt sind, ihnen begegnet zu sein.“[3] Wir lebten schon immer in einer Welt der Religionen, und spätestens seit der Industrialisierung in einer Welt der Science Fiction. Warum nicht beides zusammendenken?

Ich lese gern Comics. Hierzu Alan Dean Foster: „Comic-Hefte sind für den ‚American Way of Life‘ gefährlich, müssen Sie wissen. Das ist eine Theorie, die ich ständig unterstützt habe. Ein Kind, das mit Comic-Heften heranwächst, kann gar nicht anders, als ein Bewußtsein zu entwickeln, das stets Fragen stellt; eine ganz besondere Phantasie zu besitzen, ein Gefühl für das Wunderbare, den Wunsch, genau zu erfahren, was die Dinge eigentlich in Bewegung hält, sie laufen läßt – Maschinen, Menschen, Regierungen. Kein Wunder, daß unsere vergoldeten Konservativen Angst vor ihnen haben.“[4] Bei einer Ausdehnung der Reichweite dieser Beschreibungen könnte leicht ergänzt werden: Das gilt auch für die Veden, die Bibel, Platon, Kant, für klassische Literatur überhaupt, Machiavelli, Darwin, Einstein usw.

Für CulturMag/CrimeMag zu schreiben, das ist für mich auch eine Schnittstelle zwischen meinen Forschungsinteressen und einem erweiterten Publikum: „Gerade mit Blick auf die unermüdlichen Bemühungen des Verfassers des Kosmos[5]ließe sich sagen, daß eine Wissenschaft, die ihr Wissen nicht in die Gesellschaft schafft, ihre gesellschaftliche Verantwortung und Bringschuld verkennt und zumindest mittelfristig mit schuld ist, wenn die Gesellschaft sie um ihre Mittel bringt.“[6] Die meisten meiner Online-Essays sind außerdem in die Print-Publikationen der Reihe „Flensburger Studien zu Literatur und Theologie“ eingegangen, dienen bisweilen auch als Seminarmaterialien und wurden z.B. ins Italienische übersetzt (bei http://www.settimananews.it und Il Regno).

Weiter: Komplexitätsreduktion gibt’s nicht bei diesem Online-Magazin. Aus einem noch unveröffentlichten Vorwort von Thomas Wörtche: „Komplexion, wenn man sie erkennt, ist ein deutlicher Zugewinn, ein Qualitätsmerkmal gegen die unsägliche Belanglosigkeit vieler aktueller Kulturprodukte, deren Marketing eben das ist: Das Einschwören auf ästhetische Unterforderung als neue Normativität, unter dem fadenscheinigen Mantelfetzchen ‚Demokratisierung‘.“ Für CulturMag/CrimeMag zu schreiben heißt auch: CulturMag/CrimeMag lesen.

Wann, wo, wie schrieb ich meine Texte? Innerlich – wenn ich beispielsweise das Taj Mahal oder das Colosseum mit Klemmbausteinen/Lego hochzog, übrigens eine wunderbare Meditationsübungen. Wenn ich im Kino saß – ja, nach einer gewissen Zeit musste ich erst wieder lernen, nur mal so einen Film anzuschauen, ohne gleich analytisch … Einem Essay über „Neues aus Büttenwarder“ verdanke ich übrigens, dass ich zu einem Drehtag dieser Serie eingeladen wurde. Und manches war auch für meine Studenten und Studentinnen geschrieben –  gerade auch in Zeiten von Corona bedingtem officium domesticum virtuale. (Kommt ja sowieso fast alles aus dem Lateinischen … oder Griechischen. Krass!) Und ich stehe dazu: Als sich das Modell eines Star Destroyers auf meinem Schreibtisch positioniert hatte (Beachten Sie bitte die reflexive Verbform, die den Urheber verschleiern soll), meinte eine Studentin, das gehöre einfach in jedes Uni-Büro. 

Bedanken möchte ich mich bei allen, die das technisch nicht unanspruchsvolle Geschäft der Veröffentlichung und der grandiosen (und empathisch-sympathischen) Bebilderung von CulturMag/CrimeMag-Texten übernehmen – vor allem bei Brigitte Helbling und Anne Kuhlmeyer. Und auch bei Jan Karsten für seine phantastischen PDFs. Dank auch an die Galeeren-Chefs, die gaben und geben immer wahnsinnig gute Tipps für Filme, Serien und Bücher, so dass ich meinen Horizont ständig erweitern konnte, z.B. in Sachen Western oder Krimi. „Thinking outside the box!“[7]

Und meine Texte sind immer als eine Einladung gedacht: Ich freue über Rückmeldungen von Lesern und Leserinnen.
Kontakt: Markus.Pohlmeyer(at)uni-flensburg.de

Epilog

AM: „Für Ihren 100. Beitrag haben Sie charte blanche.“
MP: „Die habe ich doch immer.“
AM: „Das lassen wir Sie nur glauben. Hihihi.“


Markus Pohlmeyer bei uns hier.

[1] Siehe dazu Markus Pohlmeyer: Donald Duck zum 85. Geburtstag – Kollage und Analyse, in: http://culturmag.de/crimemag/markus-pohlmeyer-und-donald-duck/117907, Zugriff am 1.6.2019

[2] Beispielsweise Markus Pohlmeyer: Science Fiction. Filmisch-literarisches Exil des Göttlichen, Flensburger Studien zu Literatur und Theologie, Bd. 1,1. und 2. Aufl., Hamburg 2014.

[3] A. Kreiner: Jesus, UFOs, Aliens. Außerirdische Intelligenz als Herausforderung für den christlichen Glauben, Freiburg im Breisgau 2011, 7.

[4] A. D. Foster: Einführung, in: Ders.: Meine galaktischen Freunde. Science Fiction-Erzählungen, übers. v. H. Nagel, 4. Aufl., München 1993, 7-12, hier 7.

[5] Gemeint ist A. v. Humboldt.

[6] O. Ette: Alexander von Humboldt und die Globalisierung. Das Mobile des Wissens, Frankfurt am Main u. Leipzig 2009, 20.

[7] N. Mukerji: Die 10 Gebote des gesunden Menschenverstands, Heidelberg 2017, 22.