
Ein Porträt von Helmut W. Pesch
Leigh Brackett (1915–1978) zählt zu den Vorreiterinnen anspruchsvoller wie abenteuerlicher Science Fiction im anglo-amerikanischen Raum. Mit ihren phantastischen Abenteuergeschichten hat sie ganze Generationen von Schriftsteller:innen maßgeblich beeinflusst. Darüber hinaus war sie eine der erfolgreichsten Drehbuchautorinnen ihrer Zeit: Ihr haben wir Filme wie Der große Schlaf, Rio Bravo und Das Imperium schlägt zurück zu verdanken. – Helmut W. Pesch, Phantastikexperte und bekennender Brackett-Fan, würdigt die Autorin eingehend.
George Lucas: Haben Sie schon mal Drehbücher verfasst?
Leigh Brackett: Ja, das habe ich Rio Bravo, El Dorado, The Big Sleep, The Long Goodbye …[Pause]
Lucas: Sie sind die Leigh Brackett?
Brackett: Ja Ist das nicht der Grund, warum Sie mich angerufen haben?
Lucas: Nein, ich habe Sie angerufen, weil Sie früher Pulp-Science-Fiction geschrieben haben!
So oder so ähnlich soll sich ein Telefongespräch im Jahre 1977 zugetragen haben. Das Ergebnis war, dass Leigh Brackett den ersten Drehbuchentwurf für The Empire Strikes Back, den zweiten Teil der ursprünglichen Star-Wars-Trilogie, verfasste. Sie starb im März 1978, bevor der Film gedreht wurde.
So schloss sich am Ende ihres Lebens der Kreis, indem sie zu ihrer alten Liebe, der Space Opera, zurückkehrte, mit der alles begonnen hatte, und ihr damit zugleich neues Leben einhauchte.
Geboren wurde Leigh Brackett 1915 in Los Angeles. Ihr Vater starb, als sie drei Jahre alt war, an der Spanischen Grippe. Leigh wuchs, behütet von Mutter und Tante, im Haus ihres Großvaters in der Nähe von Santa Monica auf und muss in ihrer Jugend ein ziemlicher Wildfang gewesen sein. Mit acht Jahren las sie The Gods of Mars (1918) von Edgar Rice Burroughs und entdeckte ihre Liebe zur Science Fiction. Mit dreizehn schrieb sie ihre erste Geschichte. Ab 1939 arbeitete Leigh Brackett als freie Schriftstellerin und veröffentlichte 1940 ihre erste Kurz- geschichte, »Martian Quest«, in Astounding.
Zwischenzeitlich hatte sie über ein Schreibseminar den Autor Henry Kuttner kennengelernt, der später mit seiner Frau C L Moore eine ähnliche literarische Partnerschaft eingehen sollte wie Brackett mit ihrem Ehemann Edmond Hamilton. Er verhalf ihr nicht nur zu einem literarischen Agenten, sondern machte sie auch mit anderen Autoren bekannt, darunter neben Hamilton künftige Science-Fiction-Größen wie Robert A Heinlein, Jack Williamson und Ray Bradbury, mit denen Brackett eine lebenslange Freundschaft verband. Bradbury, der seine frühen Geschichten, die später zu The Martian Chronicles (1950) zusammengefasst wurden, ebenfalls wie Brackett in den 1940er-Jahren in dem Pulp-Magazin Planet Stories veröffentlichte, sollte sogar eine ihrer Erzählungen, »Lorelei of the Red Mist« (1946), zu Ende schreiben, als Brackett wegen anderer Verpflichtungen die Zeit dafür fehlte.
Brackett merkte bald, dass sie von der schlechten Bezahlung der Science-Fiction-Magazine nicht leben konnte. Ihr erster Roman, No Good From a Corpse (1944), ist eine »hartgesottene« Detektivgeschichte im Stil von Raymond Chandler und Dashiell Hammett. Der Produzent und Regisseur Howard Hawks wurde auf den Roman aufmerksam und fand Gefallen an den Dialogen. Er beauftragte seinen Agenten, »diesen Brackett-Typen« zu kontaktieren, und war höchst überrascht zu erfahren, dass es sich dabei um eine junge Frau handelte.
Auf dieser Grundlage wurde Brackett 1944 von Hawks engagiert, um zusammen mit William Faulkner am Drehbuch zu Raymond Chandlers The Big Sleep zu arbeiten. Die Dreharbeiten gestalteten sich ziemlich chaotisch, auch weil die Zusammenarbeit mit Hawks am Set nicht einfach war. Das Ergebnis, ein Klassiker des Film noir, steckt voller Continuity-Fehler, aber er wird zum einen getragen von einem charismatischen Humphrey Bogart in der Rolle des Philip Marlowe, der, hochkonzentriert, jede Szene bei der ersten Aufnahme beherrschte, und seiner schönen Partnerin Lauren Bacall, zum anderen von einer Story, die keinen Moment lang an Spannung nachlässt. Auch wenn nicht einmal der Regisseur später sagen konnte, wer denn nun den Chauffeur des Wagens ermordet hatte.
Brackett unterhielt für den Rest ihres Lebens eine immer wiederkehrende Beziehung zu Hollywood. Hawks holte sie 1958 zurück für das Drehbuch zu Rio Bravo, dem ersten von mehreren Filmen mit John Wayne. Brackett hatte zuvor selbst noch nie einen Western geschrieben. Das holte sie 1963 mit Follow the Free Wind nach, einem Roman über James Beckwourth, einen historisch verbürgten Afroamerikaner, der im frühen 19 Jahrhundert als Abenteurer und »Mountain Man« bekannt war und schließlich Kriegshäuptling der Crow-Indianer wurde, als der er über hundert Skalps erbeutete. In Bracketts eigenen Worten:
Es gibt viele Zeugnisse über die Dinge, die James Beckwourth getan hat, aber, soweit ich weiß, kein einziges darüber, warum er sie tat oder was er dabei dachte und fühlte. Das gilt sogar für Jims eigene Autobiographie, die am aussagekräftigsten in dem ist, was er nie sagt.
In dieser Welt, die feindseliger und fremder nicht sein könnte als irgendeiner von Bracketts Science-Fiction-Planeten, ist allein schon die Vorstellung des immerwährenden Krieges erschreckend:
In der Welt des weißen Mannes ging es beim Krieg immer um etwas Jemand gewann, jemand verlor, etwas wurde entschieden, und der Krieg war vorbei. Hier trug der Krieg seinen Grund in sich, und die Idee des Sieges, wie ein weißer Mann ihn verstand, war unvorstellbar. Krieg wurde geführt, weil ein Mann ohne ihn nichts zu tun hätte.
Der Roman wurde mit dem Spur Award als bester Wildwest-Roman des Jahres ausgezeichnet.
Aber wir greifen vor. Am Silvesterabend 1946 heiratete Brackett ihren Schriftstellerkollegen Edmond Hamilton, bekannt als Schöpfer des Weltraum-Superhelden Captain Future, und das Paar lebte von da an auf der kargen kalifornischen Hochebene und ab 1950 zeitweise auf einer Farm in Ohio. Dort kam Brackett erstmals in Kontakt mit den Amischen, Nachfahren deutscher Protestanten, die sich im 17 Jahrhundert von den Mennoniten abgespalten hatten und in mehreren Auswanderungswellen nach Amerika gekommen waren. Sie führen ein Leben, das stark in der Landwirtschaft verwurzelt ist, und sind dafür bekannt, dass sie bestimmte technische Errungenschaften ablehnen und Neuerungen nur nach sorgfältiger Abwägung ihrer Auswirkungen übernehmen. Brackett sagte sich, dass im Falle eines Untergangs der modernen Zivilisation, welche auf dem Zusammenwirken einer Vielzahl von Arbeitsbereichen basiert, die Amischen mit ihrer weitgehenden Autarkie die besten Voraussetzungen zum Überleben hätten. Diese Idee nahm sie als Grundlage für ihren Roman The Long Tomorrow (1955; dt Das lange Morgen; im neu gegründeten Carcosa Verlag, Wittenberge, gerade neu übersetzt von Hannes Riffel erschienen; Textauszug hier nebenan), der von vielen als ihr wichtigstes literarisches Werk angesehen wird.

The Long Tomorrow folgt über weite Strecken dem Muster eines klassischen Bildungsromans. Darüber hinaus hat er einen durchgehenden religiösen Subtext. Er beginnt mit der Absicht des Protagonisten, des jungen Len Colter, eine Sünde zu begehen und gegen das Verbot seines Vaters an der Versammlung eines Wanderpredigers teilzunehmen. Bei dieser Zusammenkunft wird ein Mann namens Soames gesteinigt, der für das alte System vor der großen Katastrophe steht. Der Lohn der Sünde ist eine Prügelstrafe, aber das einmal aufgeworfene Problem bleibt ungelöst: Ist es statthaft, der Wissbegierde zum Erhalt des Friedens und um den Preis der Selbstbescheidung eine Grenze zu setzen, ein »Bis hierher und nicht weiter«, oder ist das Lernen ein Wert an sich? Brackett gibt keine eindeutige Antwort; sie betrachtet beide Haltungen als unterschiedliche Formen der menschlichen Befindlichkeit.
Auch die Utopie von Bartorstown, dem letzten Technikrefugium der Menschheit in einem versteckten Canyon, wo die Erben der Zivilisation mit einem Supercomputer die Antwort auf die Frage suchen, wie eine Wiederkehr der Katastrophe verhindert werden kann, erweist sich als ambivalent. Denn ob es diese Antwort wirklich gibt, bleibt ungewiss. Zudem bedarf es dazu eines Systems, das ebenso rigide und freiheitsberaubend ist wie das, welches es bekämpft. Wie Hostetter, Lens Mentor, es an einer Stelle sagt:
»Auch wir sind Fanatiker, genau wie der Mob, der Soames gesteinigt hat … Uns bleibt keine andere Wahl! Wir dürfen uns nicht treiben lassen, wir dürfen nicht so leben wie alle anderen, denn sonst besteht die Gefahr, dass uns Bartorstown irgendwann gleichgültig wird « [231/232]
Obwohl die Geschichte manche Züge einer klassischen Queste aufweist – der Aufbruch, die Begegnungen mit Helfern und Widersachern, die letzte Prüfung, das Ziel –, fehlt ihr doch das wichtigste Element einer Heldenreise: die Heimkehr als gereifte Persönlichkeit. Darüber hinaus ist Len eher ein »Drifter«, ein Getriebener, ein Unangepasster, der nirgendwo wirklich hingehört, und das hat er nicht nur mit den gebrochenen Heldenfiguren der Schwarzen Serie gemeinsam.
Diese Charaktereigenschaft ist auch den Helden in Bracketts Science-Fiction-Erzählungen eigen, ob sie nun Rick Urquhart, Matt Carse oder Eric John Stark heißen. Sie alle sind Einzelgänger, vom Typ her vergleichbar mit hartgesottenen Detektiven oder Westernhelden. Am deutlichsten wird dies in der Kurzgeschichte »Shambleau« (1933) von Bracketts Autorenkollegin C L Moore, in der der Held Northwest Smith heißt und die »Lederkleidung des Raumfahrers« [532] trägt. Doch die Space Opera jener Zeit ist mehr als nur Wildwest im All. Mars und Venus, auf denen Bracketts Geschichten hauptsächlich spielen, waren, wie Den Valdron in einem Artikel über Brackett und Burroughs schreibt, »nicht nur Planeten, für die es eine begrenzte Anzahl astronomischer Beobachtungen gab, sondern psychische Landschaften in der Kultur, aufgeladen mit Ideen und Erzählungen, die in die Kultur eingebettet waren. Es waren Landschaften, die so real und lebendig oder so unwirklich und archetypisch waren wie der Wilde Westen, der geheimnisvolle Orient und das dunkelste Afrika.« [Web]
Die Vorstellung vom Mars als einem alten Planeten, einer sterbenden Wüstenwelt mit einer versunkenen oder dekadenten Kultur, die weiter zurückreicht als die irdische, hatte ihre Wurzeln in der Wissenschaft des 19. und 20. Jahrhunderts, basierend auf Beobachtungen von Astronomen wie Giovanni Schiaparelli – von dem der Begriff »canali« stammt, der als »Kanäle« missverstanden wurde – und Percival Lowell und literarisch überformt von Autoren wie H G Wells und Edgar Rice Burroughs. Parallel dazu entwickelte sich ein zweites Narrativ von der Venus, durch deren Wolkendecke man nicht hindurchsehen konnte, als einem jungen Planeten mit dampfenden Dschungeln. Räumlich wie zeitlich lag die Erde als gemäßigte Welt zwischen diesen beiden Extremen. Wissenschaftlich war in den 1940er-Jahren längst klar, dass Mars und Venus eine lebensfeindliche Atmosphäre boten, aber gerade in dieser Ambivalenz zwischen literarischer und faktischer Realität liegt der eigentliche Reiz der Geschichten.
In ihrer Konzeption des Sonnensystems treibt Brackett die Analogie noch einen Schritt weiter. Merkur, der innerste Planet, ist die Welt des Anfangs. In dieser lebensfeindlichen Welt wächst Eric John Stark auf, der als einziger Überlebender einer Menschenkolonie von den Aborigines – ein Begriff, der bewusst an die Ureinwohner Australiens erinnert – aufgenommen wird, die an der Schwelle zwischen Mensch und Tier stehen. In einem Traum erinnert er sich daran:
Er war wieder ein Junge auf dem Merkur, der einen Pfad hinabstieg, der von einem Höhleneingang zum Grund eines Tales führte. Über ihm ragten die Berge in den Himmel und verloren sich in der flachen Atmosphäre. Die Felsen tanzten in der schrecklichen Hitze, aber seine Fußsohlen waren wie Eisen, und er spürte es kaum Er war völlig nackt. [Queen 15]
In dieser Welt geht es im wahrsten Sinne des Wortes ums nackte Überleben. Als die Menschen den wilden Jungen schließlich einfangen, sperren sie ihn zunächst wie ein Tier in einen Käfig. Erst Starks Mentor Simon Ashton gelingt es mit Mühe, ihn einigermaßen zu zivilisieren, doch in Situationen, in denen es ums Überleben geht, verwandelt er sich wieder in sein altes Ich als N’Chaka, der »Mann ohne Stamm«.
Während bei Bracketts früh verstorbenem älterem Zeitgenossen Robert E Howard (1906–1936) der Grundkonflikt zwischen Barbarei und Zivilisation besteht, die archetypisch durch das Römische Reich verkörpert wird, das jeden Widerstand unter genagelten Stiefeln zertrampelt – wobei die Barbarei, wie Howard seinen Protagonisten Conan sagen lässt, als »der natürliche Zustand der Menschheit« am Ende immer obsiegen wird [Howard 754] –, ist er bei Brackett anders gelagert. Zwar tritt auch hier die Erde als Kolonialmacht auf, vergleichbar den Briten in Indien oder den Franzosen in Indochina, aber der soziokulturelle Aspekt ist nur ein nachgeordnetes Thema. Stark und die anderen einsamen Helden sind keine Kulturbringer wie David Innes in Pellucidar bei Edgar Rice Burroughs, und sie assimilieren sich auch nicht wie John Carter auf Barsoom, Burroughs’ Version des alten Mars [Valdron, Web], oder wie James Fenimore Coopers Lederstrumpf und andere historisch verbürgte Renegaten, die sich den Indianern anschließen. Sie bringen auch keine Lösungen, sondern wirken allenfalls als Katalysatoren, die den Niedergang eher beschleunigen als aufhalten. Die Sympathie der Erzählerin gilt zwar den Eingeborenen, aber sie ergreift nicht offen Partei für sie. Ihr Grundthema ist ein existentielles, für das die Konstellation der Planeten eine Metapher ist: das Tier im Menschen.
In den Marsgeschichten wird dies durch Shanga bildlich dargestellt, was mit »Zurückgehen« übersetzt wird. Ein anderer Name dafür ist »das Tierlicht«. Dabei handelt es sich um eine künstlich erzeugte Strahlung, das Opfer »rückwärts auf dem Pfad der Evolution fliehen« [Beast-Jewel 11] lässt und die wie eine Droge wirkt, wobei gesagt wird, dass Erdenmenschen als jüngere »Rasse« dagegen eine größere Widerstandskraft haben als die Marsianer [24]. Brackett verwendet dafür den Begriff »Atavismus« [Queen 17], der in der Biologie eigentlich das zufällige Auftreten früherer evolutionärer Merkmale, wie z B der Vollbehaarung beim Menschen, bezeichnet. Bei Brackett geht es aber vielmehr um die Idee, dass Evolution auch umkehrbar ist, ein Phänomen, das sowohl biologische als auch kulturelle und psychologische Aspekte aufweist.
Dieser Gedanke zieht sich durch alle Werke Bracketts, von den Detektivgeschichten, in denen im Grunde jeder, so zivilisiert er auch erscheinen mag, zu einem Mord fähig ist, über The Long Tomorrow, in dem die Welt in einen früheren Kulturzustand zurückfällt und sich stets bewusst ist, dass die Katastrophe auf Dauer nicht verhindert werden kann, und Follow the Free Wind, in dem sich der zivilisierte ehemalige Sklave dem Indianerstamm anschließt, bis hin zu den Mars- und Venusgeschichten. Eric John Stark ist in gewisser Weise die Verkörperung dieser Idee. Er ist im wahrsten Sinne des Wortes der dunkle Mann, dessen Haut von der unbarmherzigen Sonne des Merkur schwarz gebrannt ist. (1) Das Tier im Menschen ist bei ihm immer präsent, als ständige Gefahr, aber auch als Urkraft, die erwacht, wenn es um existenzielle Fragen wie Leben und Tod geht, für die der Verstand keine Lösung bietet.

Deutlich wird dies in einer Szene aus einem späteren Roman Bracketts, in dem sie nach langer Pause wieder zu ihrer Figur Eric John Stark zurückkehrt. In The Ginger Star (1974) muss sich Stark einem Rudel riesiger telepathischer Hunde stellen, welche die Zitadelle der Lords Protector bewachen und ihre Opfer erst mit Angst lähmen, bevor sie sie zerfleischen:
Angst.
Angst war eine Krankheit.
Angst war eine dunkle Welle, die ihn überrollte, ihm Sehen und Hören nahm, Geist und Willen zermalmte (…)
Weit unten in der dunklen Masse der Angst, die jeden menschlichen Mut zerstörte, sprach ein anderer Geist. Ein kalter Tier-Geist, der weder denkt noch schlussfolgert, ein lebendiger Geist, der verzweifelt zu leben versucht, ein Geist, der sich selbst als Knochen und Muskeln fühlt, als Kälte und Schmerz, als Hunger, der gestillt, als Angst, die ertragen werden muss Angst ist Leben, Angst ist Überleben. Das Ende der Angst ist der Tod.
Der kalte Tier-Geist sagte: »Ich bin N’Chaka «.
Das Blut pulsiert, heiß vor Leben, heiß vor Hass. Hass ist ein Feuer im Blut, ein Geschmack im Mund von bitterem Salz.
Ich bin N’Chaka.
Ich sterbe nicht.
Ich töte. [147]
Die Skaith-Trilogie, deren erster Band mit den Romanen The Hounds of Skaith (1974) und The Reavers of Skaith (1976) fortgesetzt wird, gehört sicherlich zu Bracketts schwächeren Werken. Auch wenn sie erzählerisch immer noch auf der Höhe ist, hat die ursprüngliche Inspiration an Kraft verloren. Stark, der sich hier auf die Suche nach seinem Mentor Ashton begibt, besucht nach einem Zwischenstopp auf der hochtechnisierten Zentralwelt des menschlichen Sternenimperiums den Planeten einer sterbenden Sonne. Dort wird er zu einer geradezu mythischen Gestalt, dem Dunklen Mann der Prophezeiung, hochstilisiert. Während in der Chronologie des Sonnensystems die Marsianer am Ende ihre Unabhängigkeit wiedererlangen, sind hier die Kolonisatoren die einzig möglichen Retter, welche die Bewohner von Skaith von ihrem dem Untergang geweihten Planeten fortbringen könnten, sofern diese bereit sind, sich zu verändern. Dies mag auch den historischen Veränderungen in der Welt der Autorin geschuldet sein; so war sie als Republikanerin – zu einer Zeit, als dies noch eine ehrenwerte konservative Haltung war – eine Befürworterin des Vietnamkriegs. Was die Politik betraf, so war auch Brackett ein Kind ihrer Zeit.
Und doch gibt es auch in diesem mitunter langatmigen Werk Passagen, für die man ganze andere Romane wegwerfen möchte.
In der Mitte des Raumes saß auf einer eisernen Stange eine Kreatur, die selbst ganz aus Eisen und Bronze zu sein schien, eine martialische Rüstung aus glänzenden Federn Selbst mit geschlossenen Flügeln sah sie schnell und kraftvoll aus, ein einziger scharfer, sauberer Streich vom Scheitel ihres schlangenförmigen Kopfes bis zum Ende ihres spitz zulaufenden Schwanzes. Ein solches Geschöpf wohnte im Haus eines jeden Häuptlings der Ochar. Gefüttert vom Tisch des Häuptlings, war es mit seinem schmalen goldenen Halsband das Abzeichen und Symbol und der Stolz des Häuptlings, gleichrangig mit der Ehre, höher als Leben, Frau, Mutter oder Kind.
»Schnellflügel«, sagte Ekmal. »Himmelsstürmer. Windreiter. Blitzbruder.«
Die Kreatur öffnete Augen wie zwei rote Sterne und sah Ekmal an. Sie öffnete ihren Schnabel und schrie laut das einzige Wort, das sie kannte:
»Krieg!« [Hounds 47]
Angesichts solcher Szenen wird verständlich, warum Brackett als »writer’s writer« gilt. Darunter versteht man Schriftstellerinnen und Schriftsteller, die in der von ihnen gewählten Form etwas besonders Beeindruckendes zustande bringen, das von anderen ihrer Zunft bewundert wird, weil sie aus eigener Erfahrung wissen, wie schwierig es ist. Brackett war im Gegensatz zu ihrem Mann Edmond Hamilton zudem dafür bekannt, dass sie ihre Geschichten nie nach einem Exposé schrieb, sondern als geborene Erzählerin einfach aus dem Kopf zu Papier brachte. [Hamilton 16]
Eine Einschätzung wie diese geht oft auch damit einher, dass solche Talente von der Literaturkritik weitgehend ignoriert werden. Bei Brackett kommt erschwerend hinzu, dass sie in verschiedenen Medien und zudem in mindergewerteten Genres wie dem Kriminalroman, dem Western und der Space Opera, als deren »Königin« sie oft bezeichnet wird, tätig war. Aber ihr Einfluss auf die nächste Generation von Autoren innerhalb ihres Wirkungskreises ist unbestreitbar. Sie war nicht nur eine Frau, die in einer von Männern dominierten Szene Respekt genoss, und damit ein Rollenvorbild für spätere Autorinnen. Sie trug durch ihr Beispiel auch dazu bei, das sprachliche und erzählerische Niveau dieser Literaturgattungen, insbesondere der Science Fiction, anzuheben. Michael Moorcock nannte sie »eine der wahren Patinnen der New Wave« [Web], der experimentellen Strömung in der SF der 1960er-Jahre, und nicht ohne Grund wählte Harlan Ellison eine ihrer Geschichten für die nie erschienene abschließende Fortsetzung seiner bahnbrechenden Anthologie Dangerous Visions (1967) aus. Über die stilistische Qualität und die innovative Kraft ihrer Geschichten können auch die heute antiquiert wirkenden Schauplätze nicht hinwegtäuschen.
Ob die Space Opera wirklich, wie Brackett in ihrem Vorwort »Beyond our Narrow Skies« zu The Best of Planet Stories #1 (1975) schreibt, »das Volksmärchen, die Heldensage in unserer speziellen Nische der Geschichte« [2] und somit eine legitime Erbin der Mythen und Legenden der Vergangenheit ist, mag Ansichtssache sein. Aber mit der Behauptung, dass man diese Geschichten auch dann noch lesen wird, wenn so mancher Gesellschaftsroman in Vergessenheit geraten ist, hat sie recht behalten.
Bibliographie
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—, The Long Tomorrow (New York: Ace, 1955). Das lange Morgen; deutsch von Hannes Riffel (Wittenberge: Carcosa, 2023).
—, Follow the Free Wind [1963]; (Knox, ME: Center Point, 2002).
—, The Secret of Sinharat, erw. Ausg. von »Queen of the Martian Catacombs« (New York: Ace, 1964). Krieg der Unsterblichen; deutsch von Hubert Straßl (München: Pabel [UTOPIA ZUKUNFTSROMAN 579], 1968).
—, The Ginger Star (New York: Ballantine, 1974). Der sterbende Stern; deutsch von Jürgen Saupe (München: Pabel [TERRA TASCHENBUCH 320], 1979).
—, The Hounds of Skaith (New York: Ballantine, 1974). Dämon aus dem All; deutsch von Jürgen Saupe (München: Pabel [TERRA TASCHENBUCH 324], 1980).
—, »Beyond our Narrow Skies« in: The Best of Planet Stories #1, hrsg. von Leigh Brackett (New York: Ballantine, 1975), 1–8.
—, The Reavers of Skaith (New York: Ballantine, 1976). Hamilton, Edmond, »Story-Teller of Many Worlds« in: The Best of Leigh Brackett, hrsg.
von Edmond Hamilton (New York: Ballantine, 1977) 7–17; »Vorwort«, in: Die besten Stories von Leigh Brackett; deutsch von Eva Malsch (München: Moewig, 1981), 7–17.
Howard, Robert E., »Beyond the Black River« in: Weird taleS Vol. 25 (1935), No. 5, 591–608; No. 6, 734–54.
Liptak, Andrew, »Leigh Brackett’s Planetary Romances« (28.03.2013). Web. www. kirkusreviews.com/news-and-features/articles/leigh-bracketts-planetary-romances/. (27.03.2023.)
Mikulec, Sven, »Leigh Brackett: A Terrific Writer Ahead of Her Time just as She Was Ahead of Her Colleagues«. Web. https://cinephiliabeyond.org/leigh-brackett-terrific-writer-ahead-time-just-ahead-colleagues/. (27.03.2023.)
Moorcock, Michael, »Queen of the Martian Mysteries: An Appreciation of Leigh Brackett« (2002; Reprint, 13.06.2002). Web. www.fantasticmetropolis.com/i/brackett/, archiviert unter https://web.archive.org/web/20070902073949/http:// www.fantasticmetropolis.com/i/brackett/ (29.03.2023)
Moore, C. L., »Shambleau« in: WEIRD TALES Vol. 22, Nr. 5 (November 1933). 531–550. Nevell, Diane & Victoria Lamont, »Savagery on Mars: Representations of the Primitive in Brackett and Burroughs« in: Visions of Mars: Essays on the Red Planet in Fiction and Science, hrsg. von Howard V. Hendrix, George Slusser & Eric S. Rabkin (Jefferson, NC: Farland, 2011), 73–79.
Valdron, Den, »Spaceman’s Burden«. Web. www.erbzine.com/mag17/1783.html.
© Helmut W. Pesch (27.03.2023)
Mit freundlicher Genehmigung des neu gegründeten Carcosa Verlags, Wittenberge, aus: Vor der Revolution. Ein phantastischer Almanach. Erste Folge. Hrsg.: Hannes Riffel.