Geschrieben am 6. September 2015 von für Crimemag, Kolumnen und Themen

Kommentar: Tobias Gohlis: Tapfer gegen Windmühlen

Tapfer gegen Windmühlen

Oder wie einige Helden in der Süddeutschen auf den doofen Krimi eindroschen und sich dabei schwer am Kopf verletzten

Wenn die Buchverlage eins in den letzten Jahren geschafft haben, dann das: Die Wahrnehmung dessen, was landläufig als „Krimi“ bezeichnet wird,  haben sie mit qualitativ fragwürdiger Massenproduktion, stumpfen Me-Too-Titeln und grellen Covern so richtig ruiniert. Kein Wunder also, dass sich da ein paar SZ-Redakteure, die mit Kriminalliteratur nichts am Hut haben, aber dringend etwas dazu schreiben wollen, gründlich verlaufen. Tobias Gohlis, Sprecher der KrimiZEIT-Bestenliste, äußert deshalb ein paar deutliche Worte zur besseren Orientierung.

WindmühleNeulich machte die Süddeutsche Zeitung in Revolution der Literaturkritik.

Einige tapfere Kriegerinnen und Krieger legten Don Quijotes Lanze ein und rannten gegen fette Riesen aus Dummheit, schlechtem Stil und klapprigen Phrasen los. Und als sie niedergestreckt waren, pusteten sie ins Horn. Doch alle Sancho Panzas und anderen einfachen Literaturknechte staunten: Die fetten Riesen waren Windmühlen. Schließlich konnten sie seit der Schulzeit lesen.

Tapfer Reich-Ranicki zitierend, mit Chandler, Simenon und anderen sakrosankten Heroen im Köcher droschen sie wie wild auf „die erfolgreichsten Krimigenres“ ein. Um herauszufinden, was leider wahr ist. Offenkundig halten die Krieger Mayer, Scharnigg, Matzig und Hordych und die SZ-Redaktion die Tatsache, dass 85 bis 90 Prozent der Krimis mehr oder minder unterhaltsamer Blödsinn sind, für eine bemerkenswerte Neuheit. Und so warfen sie sich in die Bresche und metzelten sie nieder: die Regionalkrimis, die Historienkrimis, die Kochkrimis und die Tierkrimis. (Vergessen wurden: Psycho-, Wein-, Bretagne-, Camargue-, Horror-, Provence- und Serienkillerkrimis sowie die Abteilung „romantic suspence“).

Was sie da – sicher im Dünkel, sich und ihrem hoffentlich nicht so dünkelhaften Publikum einen Jux zu machen – anstellten, hieße auf den Roman übertragen: die Gattung abzuklären, indem man sie in Familien-, Bildungs-, Entwicklungs-, Heimat- und Liebesromane usf. einteilt. Und dann mit Erstaunen feststellt, dass die Liebesromane von Utta Danella und Gustave Flaubert gewisse Unterschiede aufweisen. Dabei handelt es sich auch noch um Frauenromane.

So dummdreist darf man offensichtlich, im Sattel der Ahnungslosigkeit reitend, nur gegen Krimis vorgehen. Dass dabei selbst im Detail Phrasen gedroschen und selbstentlarvende Urteile geäußert werden, nur nebenbei. Wann je hätte Dan Brown einen „besseren Roman“ verfasst? Was ist mit der Phrase gesagt, dass „genau genommen (..)  alle erfolgreichen Kriminalromane immer auch Regionalkrimis“ waren? So wie der Joyces Ulysses und Faulkners Romane auch „genau genommen“ Heimatliteratur sind? Da wird mit dem Hammer philosophiert: immer gegen den eigenen Kopf, zum Schaden des Publikums, das besseres verdient hätte als die Bestätigung der umlaufenden Vorurteile.

Schlechte WegstreckeEs scheint, als werde die SZ in größeren Abständen von einem Anti-Krimi-Koller befallen. Vor fünf Jahren begann Joachim Käppner (der übrigens 2013 ein gutes, aufklärendes Sachbuch über Profiler geschrieben hat) seine Philippika mit den Sätzen: „Der Kriminalroman wird immer dümmer – und gräbt sich sein eigenes Grab.“ Und grub mit.

Käppner zielte damals auf den deutschen Krimi und konnte deshalb immerhin an Michael Connelly und anderen nicht-deutschen Autoren noch was Gutes finden, was es seiner eingeschränkten Perspektive nach hierzulande nicht gab. Natürlich ist es das gute Recht von Literaturkritikern, ignorant zu bleiben. Das erspart ihnen viel Mühe. Zum Beispiel die, für ihre Leser nach relevanten, literarisch aufregenden Kriminalromanen zu suchen. Denn die gibt es, in allen Preisklassen, aus allen Ländern und in allen Sprachen. Aber sie sind in der Masse des Stereotypen schwer zu finden. Monatlich werden sie von der Jury der KrimiZEIT-Bestenliste ausgesucht, die zehn besten Kriminalromane des Monats. Auch aus der Redaktion der SZ ist ein Kritiker dabei. Der hat sich an dem Husarenritt gegen die Wand allerdings nicht beteiligt.

Tobias Gohlis

(Sprecher und Begründer der KrimiZEIT-Bestenliste)
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