Geschrieben am 9. November 2013 von für Crimemag, KickAss

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kickassSüdsee ist nicht mehr

‒ Felix Hofmann hat einige Anmerkungen zu ins Wasser geschmissenen Steinen von Alf Mayer.

Früher haben sie Artikel zusammen geschrieben, etwa „Über die Dummheit im deutschen Film“, der in Kassel lebende ehemalige „Filmkritik“-Autor Felix Hofmann und Alf Mayer, dem er hier auf ein paar CrimeMag-Artikel antwortet. Hofmann, ein Autor unter eigener, schwarzer Flagge, gibt im Selbstverlag die Zeitschrift anachron heraus.

Man muss, glaube ich ‒ hierzulande, aber nicht nur hier – aufpassen beim Formulieren. Ich bevorzuge analytische Sätze zur Gewalt. Oder das einfache Registrieren von Fakten, so kalt wie möglich. James Carlos Blake tut das offensichtlich, scheint mir aber ab und zu auch in Schwelgerei abzugleiten. Dann lesen sich die Sätze wie Reklame für Gewalt. Es dauert nicht lange, und so was driftet ab in Langeweile.

Sogar einer wie Jerry Garcia, der Denker und Komponist und Lead-Gitarrist der „Grateful Dead“, die man jahrzehntelang in die Friedfertigkeitsecke der Hippies weggerechnet hat, was zu 90 Prozent Unsinn ist, aber zu zehn Prozent eben auch stimmt, geht zu einem anderen Tonfall über, wenn die Rede auf Gewalt kommt. Seine kühle Feststellung (in einem Interview) lautete:

„Gewalt ist so amerikanisch wie apple-pie.“
Viel mehr ist/war ihm kaum zu entlocken. Robert Earl Keen, ein Singer-Songwriter aus dem New Country Umfeld, ironisiert die Sache:
„I use my guns, whenever kindness fails.“

Ich finde zwar nicht, wie die blinden und unterwürfigen Europäer das tun, dass Gewalt ein problematisches Thema ist, aber es ist ein schwieriges. Allein mit der Parole „Mehr Realismus!“ kommt man dem nicht (mehr) bei. Ansonsten kann ich mir durchaus vorstellen, dass Blake mir was zu sagen hat. Die Western-Literatur neu zu arrangieren, keine schlechte Idee, vorausgesetzt es geht nicht ins Regionalistische.

Zu Nisbet: Was mir immer wieder gefällt, ist dies: Wir hören nicht auf, den Leuten zu sagen, dass sie die falschen Bücher lesen. Mehr kann man kaum noch tun. Und man stellt immer wieder fest: Die guten Schriftsteller lesen ganz andere Bücher als ihre Leser, und sie haben das schon immer so getan. Das ist so, wie es ist, und es ist fatal. Rückgriffe auf Faulkner, Hayden, Melville und Stevenson sind mir so geläufig und willkommen wie Rhabarberkuchen.

Politik: nur noch eine Ersatzhandlung

Dass Geschichte nichts anderes ist als eine Orgie in Gewalt, und dass es heutzutage in der Politik ausschließlich um Macht- und Vormachtansprüche geht, ist keine besonders aktuelle Neuigkeit. Was mich mehr interessiert, ist die Kombination von Politik mit Paranoia. Das kommt in deinem Bespitzelungstext ganz gut zum Vorschein. Man müsste noch dazu sagen, dass dies eine Ersatzhandlung ist. Die Politik ist längst entmachtet. Deren einstiges Primat ist auf die Ökonomie  übergegangen. Jetzt müssen Politiker, besonders die des sich selbst frei nennenden Westens ständig beweisen, dass sie trotzdem weiterhin gebraucht werden. Das ist meiner Ansicht nach der Hauptgrund, weshalb sie sich auf das Überwachungs- und Bespitzelungsgewerbe verlegt haben. Es ist die letzte Arena, in der sie noch, zumindest auf dem Papier, das Sagen haben. Aber auch das ist schon im Schwinden. Nicht zufällig hat der Mr. President B.O. den entscheidenden Satz in der Sache gesagt: Man müsse nicht immer alles tun, was technisch möglich sei.

Aber er hat diesen Satz natürlich so gesagt, als würden er und seine Mit-Politiker die Entscheidungsgewalt über dieses technisch Mögliche noch innehaben. Eine Illusion, bestenfalls. Eher: eine Irreführung. Die Politiker wissen, dass ihnen auch diese Sache gerade entgleitet, wenn nicht bereits entwendet wurde.

Auf der Seite der Ausspionierer ist nichts mehr zu machen. Es gibt kein einziges Argument, das hier noch etwas ändern kann. Das ist inzwischen eine nicht mehr abschaltbare und auch nicht mehr kontrollierbare Maschinerie. Es sei denn, man wirft das alles ins Meer. Wozu es nicht kommen wird. Also bleibt zum Argumentieren nur die Seite der Bespitzelten. Was tun? Und wie es tun?

Auch Snowden war ein Rädchen – er hätte uns auslöschen können

Zum Außenseitertum: Man kann von der Außenseite her denken und auch schreiben, aber mehr schafft man nicht mehr. Man kann ganze Bücher schreiben, wie Blake, doch in der Sekunde, in der sie bei einem Verlag/Verleger landen, verlieren sie und ihr Autor den Status des subversiven Außenseiters. Von da an bist du ein Gefangener des Finanzamts, also mittendrin in dem, worin du nicht sein willst. Denn du zahlst in genau den Topf ein, aus dem die Regierung deine Knete herausnimmt und ihre Kriege ebenso davon bezahlt wie ihre Geheimdienste. Du selbst bezahlst die Spitzel, die dich bei der ersten besten Gelegenheit in die Pfanne hauen. Wir haben es mit einem perfiden System zu tun, das kein noch so hartnäckig durchgehaltenes Außenseitertum mehr zulässt.

Das Finanzamt ist übrigens eine viel größere Disziplinierungsmaschine als die Geheimdienste, auch und besonders in den USA. Gemeint ist nicht so sehr das Finanzamt als Geldeintreiber, sondern als Behörde, als Krake, die mehr Leute in ihren Fängen hat als die Geheimdienste, nämlich alle. Bei den Schnüfflern fallen noch immer welche durchs Netz, bei der Tax-Revenue nicht. Aber das nur nebenbei.

Früher konnte man noch sagen: Okay, diese Gesellschaftsscheiße hier ist so widerlich, ich fahre jetzt zur See, oder: Ich baue mir eine Blockhütte im hintersten Kanada, oder: Ich lege mich in eine Hängematte auf einer Südsee-Insel ‒ und ab da gehöre ich dieser Idiotenwelt nicht mehr an. Heute erwischt dich jeder Überwachungssatellit an jedem Ort des Globus und, wenn’s ganz hart kommt, jede simpel gestrickte Drohne, die jedes Jüngelchen in der Staatsmaschinerie auf dich loslassen kann.

Hast du Snowden mal ins Gesicht geschaut? Jetzt ist er zwar ein mutiger Mann, ein Gejagter, aber davor gehörte er zu den Jägern, war ein Rädchen, ein Milchbubi-Rädchen, das dich und mich mit einer einzigen, winzigen Aktennotiz auslöschen konnte. DAS ‒ ist die wahre Ungeheuerlichkeit an dieser ganzen Sache.

Felix Hofmann