Geschrieben am 16. November 2013 von für Crimemag, Kolumnen und Themen

KickAss (II) – Bloody splinter aus dem alltäglichen Wahnsinn

kickassBlockwart, heute bitte mit g

– Neues von der NSA und ihren Schergen. Von Alf Mayer

„Abgehängt“ sieht Nikolas Busse im FAZ-Leitartikel vom 13. 11.13 zum Stand der NSA-Bespitzelungen den Rest der Welt von Amerika, der ach so „oft schon abgeschriebenen… Weltmacht“, die es nun geschafft habe „die wichtigsten Spionagemittel fast monopolartig zu kontrollieren“. Der Nato- und EU-Korrespondent wagt gar die These: „Das wird den Vereinigten Staaten noch auf viele Jahre, wenn nicht Jahrzehnte, die globale Vormachtstellung sichern.“ Zeit also, sich mit Big Brother gut zu stellen. Demnach sieht Busse „die Aufregung über das Mobiltelefon der Kanzlerin aufgebauscht“, an „Entwicklungsländer“, so wörtlich, erinnern ihn „die Reaktion von Deutschen oder Franzosen auf die Enthüllungen der vergangenen Monate. Wer selbst schwach ist, kann nur noch auf die Selbstbeschränkung der Mächtigen hoffen. Von den Amerikanern wird man am Ende sicher das eine oder andere Zugeständnis erhalten, weil sie bessere Verbündete sind, als vielen Europäern bewusst ist.“

Da sammelt ein Herrenreiter Pluspunkte in Washington, ein extra T-Bone-Steak wird für Herrn Busse wohl drin sein. Und ja, so erschreibt man sich sein US-Einreisevisum, Herr Trojanow. Was kümmern Generalisten wie Busse auch irgendwelche geistigen Befindlichkeiten oder andere Details. Sollen die Europäer eben digital aufrüsten, wegen des EU-Binnenmarkts aber doch am besten gemeinsam. Und nur keine Hemmungen: „Die Googles, Facebooks und Microsofts dieser Welt, die die NSA so schamlos für ihre Zwecke nutzt, mögen von privaten Unternehmern gegründet worden sein. Aber ohne die staatliche Förderung, die das Pentagon über viele Jahre hinweg in die Entwicklung der Informationstechnologie gepumpt hat, hätte es sie vielleicht nie gegeben.“ Wenn die europäischen Regierungen die Privatsphäre und die Sicherheit ihrer Bürger ernsthaft schützen wollten, meint Busse, „dann müssen sie bereit sein, dafür Geld auszugeben“.

Mit public-private-partnership gegen Cyber-Kriminalität

Da ist tatsächlich noch viel zu tun, enthüllt sich auf Seite 2 der FAZ von diesem Tage. Wie ich sie liebe, die von Druckerschwärze gekitteten Zusammenhänge, all jenes sich bei einer Zeitungslektüre ergebendes Neben- und Miteinander disparater Fakten, und oft denke ich mir, was ein Karl Kraus, dessen „Fackel“ oft zu weiten Teilen aus ausgeschnittenen Zeitungsartikeln montiert war, aus unseren Untergängen der Menschheit und aktuell besonders der Freiheit zu machen verstände. Auf Seite 2 also nicht die Reminiszenz auf Merkels Fahrer, der ja im Jemen anrufen könne, was selbstverständlich den Milliarden-Abhöraufwand der NSA  rechtfertigt, oder sonstiges Paranoia-Geschwurbel, sondern eine Pressekonferenz des Bundeskriminalamtes anlässlich seiner Cybercrime-Tagung. Die Cyberkriminalität ist nach Einschätzung des BKA eine „ungebremst entwicklungsoffene, entgrenzte Kriminalität“.

BKA-Präsident Jörg Ziercke sieht „eine Bedrohung mit unvergleichbarer Dimension“ am Werk, „größer als jene, die der Handel von Kokain, Heroin und Marihuana erzeugen“. Diebstahl und Erpressung, Drogenhandel, Geldwäsche und Kinderpornographie, Terrorismus und Spionage hätten freie Bahn. Zielke warb für eine „public-private-partnership“ zwischen Polizei und Wirtschaft bei der Cybercrime-Bekämpfung (darauf muss mal erst mal kommen), forderte Geld vom Staat und eine Aufrüstung der Justiz. Die Auswertung „von Beweisen in massenhaft beschlagnahmten Daten“ entwickle sich ebenso zum Problem wie die Ablage solcher potentiellen Beweisstücke im virtuellen Raum – im „Dark Net“.

Ja, und treuer Augenaufschlag in Richtung Beispiel Bombenanschlag beim Boston-Marathon: „Die Polizei muss in der Lage sein, solche Datenmengen zu sichten, die durch öffentliche Fahndungsaufrufe entstehen können.“ Dort waren der Polizei innerhalb weniger Stunden mehr als eine Million Fotos und über 1000 Stunden Videomaterial zur Verfügung gestellt worden, selbsternannte Fahnder hatten Lynchstimmung gegen dann falsch Verdächtigte erzeugt. „Blockwart“, diese alte deutsche Wort, vor dem die Welt einst fröstelte, ist eben heute mit einem g zu schreiben und nix so Schlimmes mehr.

Auf Seite 31, FAZ, dürfen Nora Bossong und Annett Gröschner die Kanzlerin zur Rückgabe ihres Freiheitsordens „per DHL weltweit“ auffordern, weil Barak Obama ihr den umhängte, während ihr Handy von den Amis überwacht wurde. Schön dabei der Hinweis, dass Merkel die „Presidental Medal of Freedom“ mit der Begründung überreicht bekam, sie sei schon zu Zeiten des Eisernen Vorhangs eine aufrechte Kämpferin für die Freiheit gewesen und habe jegliche Zusammenarbeit mit dem Staatssicherheitsdienst der DDR abgelehnt. Das kann man ihr für den Staatssicherheitsdienst der USA nun wirklich nicht nachsagen.

Schwerter zu Pflugscharen – oder doch lieber umgekehrt?

Seite 34 der FAZ vom gleichen Tage, der Bogen der alltäglichen Schizophrenie ist eben weit gespannt, kommt dann Udo di Fabio, ehemaliger Richter am Bundesverfassungsgericht, ausführlich zu Wort. Süßer Weise mit einem Vortrag, den er beim BKA gehalten hat: „Ist das Grundrecht ein Ladenhüter? Wirtschaftliche Interessen haben sich mit solcher Macht ins Netz verlagert, dass Privatheit nicht mehr zu garantieren ist. Man kann nur auf die Klugheit der Nutzer setzen“, lauten Überschrift und Unterzeile. Die Klugheit der Nutzer also als letztes Bollwerk gegen das Ausradieren der Freiheitswerte. Nun ja, Udo. Tröstlich ist das nicht. All die jahrzehntelange Arbeit an Paragraphen, alles für den Gummibaum? Die Tobsuchtszelle?

Di Fabio weist in Sachen NSA auf kleine dumme deutsche Besonderheit hin, „die das Bundesverfassungsgericht vor kurzem in seiner Entscheidung zur Antiterrordatei behandelt“ habe – nämlich auf das bei uns (noch) geltende Trennungsgebot zwischen Geheimdienst und Polizei. Die Zusammenführung von Daten der Nachrichtendienste und der Polizeibehörden unterliege verfassungsrechtlich engen Grenzen. Zitat: Die „politische Vorfeldaufklärung der Nachrichtendienste“ sei in der Informationssammlung vergleichsweise breit möglich, weil sie vom „polizeilichen Eingriffsinstrumentarium“ eben getrennt sei. Kurz gesagt, Zitat des Verfassungsrechtlers: „Wer keine Macht gegen die Freiheit des Bürgers hat, darf mehr Informationen sammeln als die Behörde mit dem scharfen Schwert.“ Na dann sind wir ja beruhigt.

Vielleicht arbeiten sie im Lederhosen-und-Laptop-Land Bayern ja schon an einer neuen Software, denn Seehofer, der alte Hund der, hat für dort den „Bürgerstaat des 21. Jahrhunderts ausgerufen“ (FAZ, 13.11., Seite 4). Seid umschlungen, ihr Millionen von Daten. Äh, Bürgern. Manche sähen in der Gesellschaft millionenfache Schwierigkeiten, die der Staat lösen solle. „Wir sehen in der bayerischen Bevölkerung millionenfache Lösungen.“ Mehr, viel mehr Volksbefragungen sind das Ziel der bis zum Jahr 2018 reichenden Seehoferschen Regierungserklärung. Warum aber dann, dies mein Verbesserungsvorschlag, noch Geld für teure Wahlen ausgeben, die Staatsregierung kann doch billiger und schneller wissen, was die Untertanen wirklich denken. Und jetzt möchte ich ein Bio-Kalbssteak vom Kloster Plankstetten oder sonst was Anständiges aus dem Freistaat, warum sollen nur immer die FAZ-Servanten einen Bonus kriegen. Saupreissn, ihr, gschniegelte!

Alf Mayer

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