„Harry, hol schon mal die Drohne…“
Wie Michael Connelly sich zum Postboten bei Amazon macht. Alf Mayer.
Die US-Nachrichtenshow „60 Minutes“ vom 1. Dezember 2013 nutzte Amazon-Chef Jeff Bezos, um pünktlich zum „Cyber Monday“, dem neuen Über-Shopping-Tag, seine Firma mit einer spektakulären Ankündigung in aller Munde zu bringen. Während es bei uns die Bundeswehr nicht schafft, eine einzige, zugegebenermaßen schwergewichtigere Drohne genehmigungsfähig in die Luft zu bringen, kündigte Bezos an, dass Amazon-Pakete ab 2015 als „Prime Air“ von Drohnen zugestellt werden könnten. Während sich Experten dies- und jenseits des Atlantiks die Münder fusselig diskutierten, wie denn solche Drohnen-Armadas jemals genehmigungsfähig werden könnten, fiel mir ein Titelbild von „Popular Mechanic“ aus den späten 1950ern ein, auf dem Papi am Feierabend seinen kleinen Zweisitzhelicopter in der häuslichen Garage parkt.
In der Tat bin ich gespannt, ob und wie selbst die besten NSA-Beziehungen helfen könn(t)en, Millionen von unbemannten Fluggeräten auf eine paranoide Nation wie es die Amerikaner sind, loszulassen. Unmittelbar nach dem Rucksack-Anschlag auf den Boston-Marathon jedenfalls funktionierte selbst die normale Amazon-Zustellung per Paketboten nicht, falls man in den USA einen Schnellkochtopf bestellt hatte. Solch ein Ding war in Boston als Bombenbehältnis benutzt worden, bei mehr als einer Bestell-Familie trat danach das FBI die Haustür ein. „Vorsorglich.“ Natürlich.
Diesem Amazon also ausgerechnet, hat nun Michael Connelly die nach zwanzig Jahren Rechtstreit mühsam zurückgewonnen Verfilmungsrechte an seinen Harry-Bosch-Romanen anvertraut. Ein Pilotfilm namens „Bosch“ befindet sich bereits „in post production“. Falls der ankommt, stehen Amazon viele Harry-Bosch-Stunden zur Verfügung, um seine Kunden möglichst nie mehr aus den Klauen der Happy-Amazon-Welt zu lassen. Als „Prime Kunde“ hat man dann eben viele „Prime Vorteile“ – schöne neue Welt.
Das hauseigene Produktionsstudio Amazon Studios ist laut eigenen Ankündigungen bestrebt, den Fokus bei seinen eigenproduzierten Serien nicht ausschließlich auf Comedys und Kinderprogramm zu richten, sondern in Zukunft auch auf den Bereich Drama. Deshalb sei die Pilotepisode zur potentiellen Krimiserie „Bosch“ in Auftrag gegeben worden. Das Script stammt von Michael Connelly und „Treme“-Miterfinder und Executive Producer Eric Overmeyer. Die Figur Harry (eigentlich Hieronymus) Bosch ist in bisher rund 20 Romanen von Connelly aufgetreten, angefangen 1992 mit „The Black Echo“ und zuletzt 2012 in „The Black Box“. Connelly hat weitgehende Mitspracherechte und ist entsprechend aufgeregt:
„I knew before we shot any video that we had really good team on both sides of the camera. I love the cast – I went to every casting session. I was involved in all the choices to some extent. I was pretty confident, but then you go and see the first shot. The first shot was actually underwhelming because it was just an establishing shot of the courthouse. I had my family with me and it was a great day, but at the same time it was still a matter of thinking ‘I hope we don’t fumble this…’ Everything was lined up correctly and it’s taken twenty years to do it. I think it’s going to be good. Every day was kinda like that to start with. My apprehension eased away the more we got into it. The more we got to the important scenes and got them done… I saw Titus Welliver (who plays Harry) get the relentless look in his eyes – and that’s the key thing about Harry Bosch. I saw the scene where it all means something to him and he was great…”
Der Pilot beruht auf „Storyelementen“ aus „City of Bones“ und „The Concrete Blonde“. Titus Welliver, der auf der Bühne auch schon mal Heinrich IV. gab, hat eine lange Fernseh- und Filmkarriere, meist als zeitgenössischer „heavy“. Er stand gerade für Michael Bays „Transformers: Age of Extinction“ vor der Kamera, wo er einen SEAL Teamleader spielt. Regie führte der routinierte TV-Regisseur Jim McKay, der u.a. eine „Wire“-Episode (Refugees), eine „Breaking Bad“-Episode (Cancer Man) und zehn Folgen von „Der Therapeut“ (In Treatment) unter seinen credits hat.
PS. Derrick sagt in Wirklichkeit: „Harry, wir brauchen den Wagen…“, die servilere Form hat sich dennoch eher überliefert. Nun also hat Harry Bosch bei Jeff als Fahrer angeheuert. Mal sehen, ob er bald Drohnen fliegen muss….
PPS: Witzige Tweets zum Thema, mehr zum geschäftlichen Hintergrund.
Alf Mayer