Geschrieben am 22. Januar 2011 von für Crimemag, Vermischtes

KickAss – Bloody Splinters

KickAss – Bloody Splinters aus dem täglichen Wahnsinn unserer Branche

– (JK) Verwirrung  about Ken Bruen: Auf der Suhrkamp-Webseite heißt es „Aus dem Englischen“. Im Buch selbst (zu sehen in dieser Leseprobe) heißt es dann „Aus dem Amerikanischen“: … na ja, der Mann ist schließlich Ire, wir wissen das, das muss sein Verlag aber noch lange nicht wissen – ist ja nur Krimi …

(Frisp) „Und der Engel spielt dein Lied“ – ein schneller, brutaler, schnörkelloser Krimi – zeigt die für viele Krimis typischen Defizite. Blasse Protagonisten, fragwürdige Zufälle. Ein ambivalentes Verhältnis zu Gewalt … Zu außergewöhnlicher Lektüre wird der Text, wenn der Autor den Krimiplot verlässt.

Soso, das sind also für viele Krimis „typische Defizite“, die hier ein Roman zeigt, der zwar ein veritabler und ausgezeichneter Kriminalroman der Top-Liga ist, aber sicher kein Grimmi, nicht mal ein  „Krimi“ … Und einen „Krimiplot“ (was immer das sein mag) hat Argemís Buch erst gar nicht. Und wie könnte ein Roman seinen Plot verlassen? Egal, ob es ein „Krimiplot“ ist oder ein anderer … Wir kennen auch keine tieferen Gedanken, die man nachlesen könnte, über die Poetologie und Ästhetik der Kriminalromans, die sich mit „typischen Defiziten“ einer Textsortierung befassen und die sich Uwe Stolzmann gemacht hätte. Der Verfasser dieses Stückchen Plapper- und Schnöseljournalismus weiß eben einfach, was „typisch“ ist.  Und woher weiß er das? Es gibt kein Handbuch der „typischen Defizite“ von Krimis. Er weiß es, basta, bingo, finio.  So ist das also, wenn „Krimi“ Hochkonjunktur hat, dann stürzt sich jeder Streber drauf, zeigt auf und weiß auch was, weiß auch was, weiß auch was: Der Krimi hat Defizite! Gar nicht – alte Petze! Meine Güte …

(TW) Weniger ulkig, sondern ärgerlich, weil man flotte 30 Euro ausgegeben hat, bevor man’s merkt, ist der Zustand eines Textes, der wegen seiner Platzierung in der renommierten, teuren und aufwendig-schön gestalteten „Anderen Bibliothek“ besonders melancholisch stimmt. Es handelt sich um James Palmers Biografie des Freiherrn Roman Nikolai Maximilian von Ungern-Sternberg, mit dem Titel: „Der blutige weiße Baron. Die Geschichte eines Adligen, der zum letzten Khan der Mongolei wurde“. Aus dem Englischen von Nora Matocza und Gerhard Falkner. Wir spekulieren jetzt nicht, ob Freiherrn immer gleich Barone sein müssen – das mögen die Fachleute vom Gotha klären, wir wollen das Buch über einen der kleineren Tyrannen des 20. Jahrhunderts auch nicht im Ganzen diskutieren, das kommt noch. Nur so viel:  Ungern-Sternberg war ein regionales Scheusal mit spiritueller Giga-Macke, das sich im Russischen Bürgerkrieg auf Seiten der „Weißen“ austobte und die Art von Leben führte, die Stoff für Abenteuerromane galore bietet (z. B. Daniel Easterman: „Der Neunte Buddha“).  Abgesehen von ganz anderen Defiziten des Buches, stößt auf den allerersten Blick das  aggressive Desinteresse von Übersetzung und Lektorat übel auf, wenn es darum geht, z. B. militärische Sachverhalte darzustellen. Da ist es „eine der grausigsten Pflichten des Kavallerie …, nach einer Schlacht herumzugehen und die Rösser zu erschießen, die mit gebrochenen Beinen am Boden lagen …“ Vermutlich sind aber Kavalleristen gemeint … Oder es werden „Munitionsgürtel“ in Maschinengewehre eingelegt (cool, wer hat die denn designt?), es gab an der Ostfront des Ersten Weltkriegs „Schlachtenreihen“, als ob wir mit Brad Pitt vor Troja wären, aus jedem Gefecht wird gleich eine „Schlacht“ und kaum jemand kann einschätzen, wie viele Menschen in die einzelnen Aktionen verwickelt waren, weil pausenlos militärische Größeneineiten verwechselt werden oder unklar bleiben: Divisionen, Heer, Armee, Regiment, alles heillos durcheinander und, folgt man unserem Buch, vermutlich so was wie Sportvereine, weil ein kleines „Heer“ schon mal leicht „250.000 Mitglieder“ hat … Wir können nur spekulieren und hochrechnen, wie viele Mitglieder dann der ganze zentralasiatische Kriegsschauplatz gehabt haben mochte …

Genug der grausamen Beispiele, die eine sinnvolle Lektüre des Buches nicht leicht machen und nur aus einem Feld, dem der Militärterminologie, stammen.  Das Argument, das jetzt kommt, kennen wir aus vielen Diskussionen um Kriminalliteratur, die Sie überall einsetzen können, wo hier Militär steht: „Wir sind die wirklich gebildeten Leute von Kultur, Bildung und Geschmack, weil wir uns mit solch ekligen Dingen wir Militär gar nicht befassen wollen, auch wenn wir ein Buch in der Mangel haben, das zu großen Teilen über militärische Dinge handelt. Unsere Inkompetenz, Recherchefaulheit, Sprachschluderei und semantische Indolenz ist der wahre Nachweis unseres überlegenen Intellekts. Und Ausweis unserer moralischen Superiorität, die Krieg und Gewalt nun mal bis ins Vokabular hinein verabscheut. Und Ihr Primitivlinge, die Ihr das bemerkt, gebt uns auch noch Geld.“

Applaus …