Geschrieben am 19. März 2011 von für Crimemag

KickAss – Bloody Splinters

KickAss – Bloody Splinters aus dem Branchenwahnsinn

Zoë Beck erzählt von einem Erlebnis der mindestens vierten Art:

Der Buchhändler als natürlicher Fressfeind des Autors

Letztens zum Beispiel, da freute ich mich ganz wahnsinnig. Da gab es nämlich irgendwo in einer deutschen Stadt eine Buchhandlung, die ein ganzes Schaufenster mit meinem Buch dekoriert hatte. Ich dachte: Hey, wenn sie schon ein ganzes Schaufenster mit meinem Buch dekoriert haben, könnte ich ja mal reingehen und Dinge sagen wie, danke, dass Sie ein ganzes Schaufenster mit meinem Buch dekoriert haben! So was mache ich sonst nie, was vor allem damit zu tun hat, dass normalerweise keine ganzen Schaufenster usw. Aber die hier, die mögen vielleicht mein Buch, wer weiß!

Ich gehe also rein und frage höflich nach der Krimiabteilung. Man schickt mich zur Krimiexpertin („Die Kollegin da drüben, die kennt sich mit, äh, so was aus.“), die allerdings gerade mit Rumräumen beschäftigt ist. Man will sich ja nicht aufdrängen. Also scanne ich mit dem autorentypischen Storecheckblick, wie das Krimisortiment so aussieht. Was gibt es, was fehlt, und vor allem: Wo ist mein Buch platziert? Dafür, dass sie ein ganzes Schaufenster usw., ist es nicht ganz so präsent, wie heimlich und mit klopfendem Herzen erhofft. Immerhin liegen noch ein paar wenige Exemplare auf einem tapferen kleinen Stapel vor dem Einsortierteundvergessenebücherregal. Und dann, dann kommt ein Kunde, also ein echter, den riecht die Krimiexpertin sofort.

„Kann ich Ihnen helfen, was suchen Sie denn?“, wirbelt sie herum.

Der echte Kunde antwortet: „Ach, ich hätte gerne schon was Spannendes, aber mehr so psychologisch, nicht blutig … Wissen Sie ungefähr, was ich meine? Keine Serienkiller. Und es darf schon etwas ernsthafter sein. Ich steh nicht so auf diese Schenkelklopfer. Und ich les ja gerne Sachen, die in England und so spielen. Aber bitte nichts Historisches. Soll schon heute sein. Und realistisch. Also, nicht so Fantasy oder Tiere oder irgendwas.“

Da strahlt die Krimiexpertin. Und ich auch. Mit so was in der Art hat sie ja immerhin ein ganzes Schaufenster dekoriert. Also, so ungefähr jedenfalls. Die strahlende Expertin greift nach Karin Slaughter und hält es ihm unter die Nase.

„Ach nee“, sagt der Kunde, nachdem er den Klappentext überflogen hat. „Lieber was … also, weniger … dafür mehr … äh … wie ich schon sagte …“

Die Dame greift sich Volker Kutscher. Der Kunde liest den Klappentext.

„Oh, also, das ist mir dann doch zu … da hätte ich lieber … und haben Sie denn nichts, was so ein bisschen auf den Britischen Inseln …? Minette Walters hab ich ja immer gerne …“

Und jetzt passiert es: Die Krimiexpertin nimmt tatsächlich mein Buch in die Hand. Den ganzen winzigen Stapel gar. Aha, sie wollte nur Spannung aufbauen! Falsche Fährten legen, um im letzten Moment … Nein. Sie legt meine Bücher zur Seite und klettert auf die frei gewordene Fläche, um sich etwas aus dem Regal weiter oben zu angeln.

„Hier“, keucht sie. „Hier hab ich was. Das spielt in Irland.“

„Irland klingt doch schon mal gut“, sagt der Kunde.

Ich weine gleich und denke: Falsche Insel, verdammt noch mal! Dann höre ich sie sagen:

„Das ist wirklich prima. Ein Schafskrimi. Total lustig. Der Schäfer wird umgebracht und die Schafe ermitteln den Mörder.“

Diesmal liest der Kunde erst gar nicht den Klappentext. Er sagt: „Danke, ich schau mich einfach noch mal in Ruhe um.“

Die Buchhändlerin nickt und räumt weiter rum. Ich sehe den Kunden aus dem Laden hasten. Er bleibt kurz vor dem Schaufenster mit meinen Büchern stehen, aber nur sehr kurz, dann rennt er gleich wieder weiter.

Die Dame schaut auf und entdeckt mich. „Kann ich Ihnen was helfen?“, will sie wissen.

„Nö“, sage ich. „Ich schau nur so.“

Wer, frage ich mich, hat eigentlich das Schaufenster dekoriert und – warum?

„Ach, ich hätte doch eine Frage“, sage ich. „Wer hat eigentlich das Schaufenster dekoriert?“

„In dem Schaufenster ist immer unser Krimi des Monats. Dafür bin ich zuständig.“

Ganz klar: Sie hasst mein Buch. Sie will es einfach nicht verkaufen. Sie verkauft lieber Schafe oder Serienkiller. Sie hat es nur ins Schaufenster gestellt, damit es nicht den Laden verstopft. Wahrscheinlich hat ihre Chefin aus Versehen zu viele bestellt, und jetzt wissen sie nicht, wohin damit, bis sie den Mist wieder retournieren können. Ich verstehe endlich, worum es hier geht.

„Nett“, sage ich also und lasse sie weiter rumräumen. Dann schleiche ich aus dem Laden, ohne gesagt zu haben: „Danke, dass Sie ein ganzes Schaufenster mit meinem Buch …“ usw.

Zu Zoë Beck

Tags :