Hinter der Linie, vor dem 4. und 5. Spieltag
– Eine Fußballkolumne von Mara Braun.
Kaum war die Saison gestartet, gab es auch gleich die erste Pause – und kaum kehrt die Kolumnistin aus der Sommerpause zurück, gibt es die erste englische Woche. Drei Spiele in acht Tagen, das muss den HSVern den Angstschweiß auf die Stirn treiben. Bei Fußballfans im Allgemeinen ist ja eine gehörige Portion Leidensfähigkeit vorhanden, was den Anhängern im Norden in den letzten paar Jahren in permanenter Regelmäßigkeit abverlangt wurde schreit aber geradezu danach, jeden einzelnen von ihnen mit einer Tapferkeitsmedaille am goldenen Band auszuzeichnen. Immerhin, ein Hoffnungszinner, pardon, -schimmer ist erkennbar: Der nächste Neue, Josef Zinnbauer, hat eine Vergangenheit bei Mainz 05, wo man nicht nur ein ausgezeichnetes Näschen für Trainerverpflichtungen besitzt, sondern zudem ein Mann, mit dem Zinnbauer dereinst gemeinsam über den Platz sprintete, zum wohl größten Trainercoup mindestens eines Bundesligajahrzehnts wurde.
Der 4. Spieltag startet am Freitagabend in Freiburg, wo die Hertha zu Gast ist. Deren Trainer Jos Luhukay hatte nach der 1:3-Niederlage gegen Mainz 05 die Leistung seiner Mannschaft tatsächlich damit erklärt, wie viele Spieler die WM noch in den Knochen hätten, was auf eine gewisse Verzweiflung schließen lässt. Die wird gegen das in der Offensive aktuell dezimierte Team der Breisgauer dank eines torlosen Unentschiedenes zwar kurzzeitig ausgebremst, dann kriegen die Berliner am 5. Spieltag allerdings gegen Wolfsburg (zuvor 1:2 gegen Leverkusen) wieder mit 3:0 auf den Deckel – und die Sorgenfalten bei den Verantwortlichen der Alten Dame erreichen eine neue Tiefenschärfe… Auch der SC muss auf den ersten Saisonsieg weiter warten, darf sich nach seinem Punktgewinn gegen die Hertha aber beim Spiel in Hoffenheim zumindest erneut über einen Zähler freuen.
Handfester Krisengipfel: Hamburg gegen München
Wenn der SC Paderborn am Samstag Hannover 96 empfängt, ist das ein Spiel um die direkte Qualifikation für die Champions League – manchmal macht es zu Saisonbeginn einfach Spaß, die Tabelle übers Bett zu hängen. Der Liganeuling lebt abermals gut davon, sich ein wenig unterschätzen zu lassen, und schlägt die Roten knapp aber verdient. Unter der Woche gegen die Bayern ist dann aber zwischenzeitlich Schluss mit lustig, während in Hannover mit einem Heimdreier gegen den zweiten Aufsteiger Köln die gute Laune postwendend zurückkehrt.
Vor dem Spiel der Bayern gegen Hamburg stellt sich nur eine Frage: Für wen verschärft diese Partie die Krise? Für die Hanseaten, mit dem bereits vierten Cheftrainer binnen eines Jahres? Oder doch die Münchner, nach drei Spieltagen noch ohne eine Sekunde der Tabellenführung? Klare Sache, der HSV gewinnt in der ersten Partie unter dem neuen Mann natürlich gegen die Übermannschaft – Siege gegen die Großen direkt nach an einen Trainerwechsel haben an der Elbe quasi Tradition. Die Niederlage gegen Borussia Mönchengladbach am 5. Spieltag kann Zinnbauer dann aber doch nicht verhindern: Wunder dauern eben etwas länger.
Wenn der Kasper mit dem Kloppo einmal ausgeht
Während in Hamburg also bereits ein ehemaliger Mainzer im Amt ist, hechelt sich die Presse rund um die Schalker Arena fast in Schnappatmung in der freudigen Erwartung, Thomas Tuchel werde zeitnah Jens Keller beerben, das avisierte nächste Opfer der Beschleunigung im Trainerkarussell. Blöd nur, dass Schalke trotz Spielerlazarett sein Heimspiel gegen Frankfurt und die Partie in Bremen gewinnt, woraufhin Horst Heldt sich fragen lassen muss, ob er die Trainerdiskussion nun beenden wolle – dabei hatte er die diesmal gar nicht selbst angezettelt.
In Stuttgart kann sich derweil Armin Veh bei Abpfiff der Partie auf Schalke ein Grinsen nicht verkneifen: Endlich holt er seinen ersten Saisondreier an neuer Wirkungsstätte, während die von ihm zum Ende der Vorsaison verlassenen Frankfurter die Heimreise mit leeren Händen antreten müssen. Doch Hochmut kommt bekanntlich vor dem Fall und der Ausgleich der Hoffenheimer in diesem Spiel in der sprichwörtlichen letzten Sekunde – woraufhin Veh ein Wasenverbot für alle Spieler erlässt. Da nutzt es auch nichts, dass diese ihrem Coach heulend geloben, das späte Gegentor unter der Woche in Dortmund wieder gut zu machen, zumal sich das Versprechen als glatte Selbstüberschätzung erweist.
Augsburg und Bremen zeigen in einem leidenschaftlichen Kick, dass Tabellennachbarschaft zuweilen auch in der frühen Saisonphase alles andere als zufällig ist – beide Teams schenken sich auf dem Platz keinen Zentimeter. Weil die Fuggerstädter beim zweiten Spiel in dieser englischen Woche auch Bayer einen Punkt abtrotzen, wird in Leverkusen heimlich, still und leise die Arbeit am „Hurra-Fußball-Arena“-Namenszug eingestellt und alle Spieler müssen bis auf weiteres in der Vizekusen-Strafbettwäsche schlafen.
Helle Aufregung herrscht dann beim Anpfiff des Abendspiels Mainz 05 gegen Dormund, weil gleich beide Trainer nicht auffindbar sind. Erst kurz vor der Halbzeitpause torkeln sie Arm in Arm und bester Laune ins Stadion, wobei Jürgen Klopp eine brennende Zigarette lässig aus dem Mundwinkel hängt und Kasper Hjulmand noch an der Zitrone aus seinem letzten Tequila nuckelt: Die beiden Übungsleiter hatten am Vorabend die nostalgische Erinnerung an ein gemeinsames Barbesäufnis durch Wiederholung aufgefrischt und dabei offenbar die Zeit aus den Augen verloren. Das Spiel endet gleichfalls harmonisch mit einem Unentschieden, unter der Woche holen die Mainzer dann einen Dreier mit Schleifchen gegen die Eintracht.
Die Ergebnisse im Überblick:
4. Spieltag
Freiburg – Hertha BSC 0:0
Paderborn – Hannover 2:1
Hamburger SV – Bayern 3:1
Schalke – Frankfurt 1:0
Stuttgart – Hoffenheim 2:2
Augsburg – Bremen 3:3
Mainz 05 – Dortmund 1:1
Wolfsburg – Leverkusen 1:2
Köln – Gladbach 1:1
5. Spieltag:
Hertha BSC – Wolfsburg 0:3
Hoffenheim – Freiburg 2:2
Bayern – Paderborn 4:1
Hannover – Köln 3:2
Gladbach – Hamburg 1:0
Bremen – Schalke 1:2
BVB – Stuttgart 3:1
Leverkusen – Augsburg 1:1
Frankfurt – Mainz 05 1:4
Mara Braun
Mara Braun, geboren 1978 in Heidelberg, aufgewachsen im hessischen Odenwald mit einem Abstecher nach Mississippi, seit 1998 in Mainz am Rhein. Studium der Filmwissenschaft & Publizistik. Journalistin, Autorin, Fußballbegeisterte, Bücherwurm, Überzeugungstäterin. Im September 2013 erschien „111 Gründe, Mainz 05 zu lieben“ (Schwarzkopf & Schwarzkopf). Mara Braun bei Facebook, bei Twitter, im Blog.