Geschrieben am 29. November 2014 von für Crimemag, Kolumnen und Themen

Hinter der Linie, vor dem Spieltag (13)

Mara Braun_neuHinter der Linie, vor dem 13. Spieltag

– Eine Fußballkolumne von Mara Braun.

Es gibt da eine bemerkenswerte Parallele zwischen Fußball und Politik, die ein ausgesprochen seltsames Verständnis von Verantwortung bei den jeweils handelnden Personen offenbart. Übernimmt nämlich eben in der Politik beispielsweise ein Minister „die volle Verantwortung“ für das Scheitern eines Projektes oder für Vergehen, die unter seiner Federführung geschehen sind, so ist das fast immer gleichbedeutend mit seinem Rücktritt von sämtlichen Ämtern. Ein Schritt übrigens, der von der Bevölkerung in den meisten Fällen auch vehement eingefordert wird – was Fragen aufkommen lässt zum Verständnis von Verantwortung in der Gesellschaft im Allgemeinen. Denn wo bitte liegt die Logik der Aussage: Ja, ich hab’s verbockt, um meine Einsicht unter Beweis zu stellen schmeiße ich die Brocken hin und darum, wie es weitergeht, soll sich ein anderer kümmern. Tschüsschen, Küsschen, undsoweiter!

Genau dieses Verhalten nun konnten die Anhänger des VfB Stuttgart zu Wochenbeginn mit einiger Verwunderung bei ihrem bis dato Trainer Armin Veh beobachten. Der hatte zum Ende der Vorsaison in Frankfurt den Hut genommen, weil er der Meinung war, am Main könne er seine Ziele nicht erreichen: zu wenig Kohle, keine echten Perspektiven, zusammenfassend, Mimimimimi! Mir passt’s hier nicht! Also wanderte er ab nach Stuttgart, zurück an den Ort seines Meistertriumphes, um da gemeinsam mit Fredi Bobic wundervolle Zeiten zu erleben. Blöd nur, dass der Ende September ziemlich spontan seinen Platz räumen musste, was Veh damals wie folgt kommentierte: Mimimimimi! Das ist, Sie ahnen es, heulsusisch für, Nie krieg ich, was ich will. Weil Armin Prinz von Heul zu Suse in der Liga fortan auch nicht bekam, was er wollte, sondern stattdessen regelmäßig einen eingeschenkt, schmiss er den Job eben hin, weil: Mimimimimi. Und außerdem sei alles, was da sportlich schief laufe, zum einen seine Schuld, zum anderen fehlendes Glück – und das eben dieses ausbleibe, liege sicherlich auch an ihm. Deshalb übernimmt er die Verantwortung und tritt zurück.

Die Mär vom löblichen Davonlaufen

Dieses „Wir machen den Weg frei“-Prinzip mag als Slogan eines Versicherers ja Sinn ergeben, als Begründung für einen Rücktritt ist es heuchlerisch. Vielmehr sollte dem Moment, in dem man die eigene Schuld erkennt, doch die tatsächliche Übernahme der Verantwortung folgen, also nicht der Rücktritt, sondern ein Schritt nach vorn. Denn wie daneben die Vehsche Logik vom löblichen Davonlaufen ist, macht ihre Übertragung auf andere Situationen deutlich, die dann wie folgt aussehen würden: Beim nächsten Autounfall nur kurz aussteigen, die anderen Beteiligten in den Arm schließen mit den Worten: „Es war meine Schuld!“ und dann davon brausen, damit die Geschädigten alles Weitere unter sich ausmachen können. Man will den armen Leuten ja nicht im Weg stehen! Beim Scheitern des Arbeitsprojektes den Kollegen mit treuherzigem Augenaufschlag beteuern: „Das habe ich verbockt!“ und dann fehlen, wenn die Abbitte beim Chef ansteht. Man will sich ja nicht unnötig aufdrängen! Beim entspannten Kick in der Nachmittagssonne bekennen: „Mein Schuss war es!“, wenn eine Scheibe zu Bruch geht und sich dann flugs auf den Heimweg machen. Man soll ja gehen, wenn’s am Schönsten ist! Merken Sie was? Eben, nur Armin Veh und die Politiker, die merken leider gar nichts.

Zu gehen, wenn es am schönsten ist, wäre allerdings eine spannende neue Herangehensweise für die Trainer in der Bundesliga, die künftig ihren Job regelmäßig dann hinwerfen könnten, wenn gerade alles nach Plan läuft. So wäre zumindest sicher gestellt, dass sie an ihrer alten Wirkungsstätte in positiver Erinnerung bleiben. Wie verdammt flüchtig solche Momente des Arbeitsglücks sind, besingen demnächst übrigens 99 Schalketrainer der letzten zehn Jahre auf ihrer Charityplatte CoachAid, deren Erlöse Felix Magath zugutekommen.

Die Ergebnisse im Überblick:
Freiburg – Stuttgart 3:2
Schalke – Mainz 0:5
Leverkusen – Köln 3:1
Augsburg – HSV 2:2
Hertha – Bayern 1:4
Bremen – Paderborn 1:1
Hoffenheim – Hannover 2:1
Wolfsburg – Gladbach 2:3
Frankfurt – Dortmund 1:2

Mara Braun

Mara Braun, geboren 1978 in Heidelberg, aufgewachsen im hessischen Odenwald mit einem Abstecher nach Mississippi, seit 1998 in Mainz am Rhein. Studium der Filmwissenschaft & Publizistik. Journalistin, Autorin, Fußballbegeisterte, Bücherwurm, Überzeugungstäterin. Im September 2013 erschien „111 Gründe, Mainz 05 zu lieben“ (Schwarzkopf & Schwarzkopf). Mara Braun bei Facebook, bei Twitter, im Blog.

Tags : , , ,