Geschrieben am 15. März 2014 von für Crimemag, Kolumnen und Themen

Hinter der Linie, vor dem Spieltag

Mara BraunHinter der Linie, vor dem 25. Spieltag

– Eine Fußballkolumne von Mara Braun.

Eigentlich sind in Sachen Uli Hoeneß-Prozess alle Wortspiele mit Fußballbezug bereits gemacht worden, in der Regel sogar mehrfach – und vermutlich streiten sich Witzbolde auf Twitter und Facebook bis zur ersten Hafterleichterung darüber, wer der jeweils rechtmäßige Urheber ist. Weil, auf Sachen wie „Hoeneß im Abseits“ oder „die längste Nachspielzeit in der Geschichte der Bundesliga“ können ja unmöglich zwei brillante Köpfe gleichzeitig kommen … Einen habe ich trotzdem noch: Der Gerichtsprozess war wie ein Spiel, bei dem man bis zum Schluss nicht wusste, ob der Bessere gewinnen würde.

Stellt sich zunächst die Frage, muss es jetzt auch in dieser Kolumne noch um den Prozess gehen, zwei Tage nach der Urteilsverkündung, können wir nicht endlich wieder Fußball spielen und den ganzen Mist drum herum vergessen? Da muss ich die werten Leser leider enttäuschen, zu bestimmend war das Thema in dieser Woche, um hier einfach unter den Tisch zu fallen. Zweite Frage, wer ist bitte vor Gericht „der Bessere“, Konkretisierung: Es war ein Spiel, bei dem man nicht wusste, ob es auf dem Platz gerecht zugehen würde.

Grenzen mit Volldampf übertrampelt

Nur, was bedeutet das eigentlich, Gerechtigkeit, immerhin bin ich ebenso wenig eine Expertin in Sachen Juristerei wie der Großteil der anderen Leute, die sich in den vergangenen Tagen zur Causa Hoeneß geäußert haben. Was genau erwarten die, erwarte ich eigentlich, wenn es darum geht, beim Prozess um den Steuerhinterzieher Uli Hoeneß Gerechtigkeit zu sprechen? Die Antwort ist eigentlich simpel, es verbindet sich damit die Hoffnung, dass ihm vor Gericht keine Sonderbehandlung zukommt, dass ein Urteil fällt, das klar macht, vor allem auch mal Hoeneß selbst: Es gibt Grenzen, für jedermann. Und wer an die 30 Millionen Euro Steuern hinterzieht, hat diese Grenzen nicht nur übertreten, sondern ignorant niedergetrampelt.

Da wir alle, die wir den Fall Hoeneß derzeit irgendwie mitbewerten, eben keine Juristen sind, geht es eher um so etwas wie ein persönliches Gerechtigkeitsgefühl, ist jede Menge Meinung im Spiel. Meine führt dazu, dass ich nur den Kopf schütteln konnte über die vielen Menschen, die sich die Vergehen des Uli Hoeneß bis zuletzt schönmalten: Der Mann habe doch so viel getan für den Fußball, ja immerhin (Stand heute) etwa zweidrittel seiner Steuern tatsächlich auch gezahlt, er sei eine Säule der Gesellschaft, eine moralische Instanz, so ein netter Kerl, ein bayerisches Urgestein, ja mei! Der Uli eben. So einen lässt man doch in Ruhe und jagt lieber Hartz IV-Empfängern nach, die ihre Leistungen schwarz aufstocken, oder Angestellten, die in der Teeküche ihres Arbeitgebers ein Stückchen essen, dass nicht ihnen gehörte – das sind die wahren schwarzen Schafe unserer Gesellschaft.

Baby, massier mir die Füße!

All diese Einschätzungen zu Hoeneß mögen wahr sein oder sich als Irrtümer erweisen, Fakt ist, sie haben nichts damit zu tun, was da vor Gericht verhandelt wurde. Es ist dafür nämlich einfach scheißegal, ob Uli einen guten Draht zu seinen Spielern pflegt, seiner Frau abends die Füße massiert oder was er für den FC Bayern getan hat, das alles ist nicht Gegenstand dessen, was da vor Gericht verhandelt worden ist. Gegenstand war alleine der unfassbare Betrug, den er begangen hat, nur dafür muss er sich vor Gericht verantworten. So, wie alle anderen Leute in einer vergleichbaren Situation auch.

Gedankenspiel: Für das abgelaufene Jahr 2013 zahle ich nur etwa 2/3 meiner Steuern. Dem Finanzamt lasse ich ein Schreiben zukommen, dass ich für dieses Jahr das „Modell Hoeneß“ anwende, ergo 1/3 meiner Steuern einbehalte, von dieser Summe aber etwa 20 Prozent spende und davon ausgehe, damit sei alles gebongt. Und nicht, dass die beiden Themen ursächlich miteinander in Verbindung stünden, aber weil dieser Apfel gerne mit jener Birne verglichen wird, wollte ich dazu noch anmerken, dass ich mich in meinem ganzen Leben nie einem Kind unsittlich genähert habe. Much love und bis zur Steuer 2014.

„Wird dieses Urteil rechtskräftig, müsste Uli Hoeneß tatsächlich ins Gefängnis. Eine Bewährungsstrafe ist bei dieser Strafhöhe nicht mehr möglich.“ So lautet die erste Tickermeldung der Kollegen bei Spiegel Online nach dem Hoeneß-Urteil am Donnerstag, die ohne eigentlich zu werten noch mal das Erstaunen über diesen Umstand ausdrückte: Kann sein, die sperren den tatsächlich ein. Den Uli, Präsident des FC Bayern! (Was für eine Woche, immerhin haben die am Dienstag schon ein Unentschieden einstecken müssen!) Ja. Denn er hat, nach unseren Gesetzen, eine schwere Straftat begangen.

Man kann natürlich die Diskussion führen, wem es nutzt, Steuerhinterzieher tatsächlich in den Bau zu schicken, ob die nicht besser unfassbar hohe Geldstrafen zahlen und Millionen von Sozialstunden abbrummen sollten. Immerhin, Uli Hoeneß für 3 ½ Jahre in einer Münchner Suppenküche hätte ja auch seinen Charme. Aber man kann sie eben nicht an seiner Person führen, er muss genau so behandelt werden wie jeder andere auch. Das Urteil also, das nun gefällt wurde, dreieinhalb Jahre, gibt einem ein bisschen den Glauben zurück daran, dass es eben doch keine gesonderte Behandlung gibt je nach dem, wie der soziale Status eingeordnet wird. Zurück zur Analogie eines Fußballspiels, fühlt sich dieser Ausgang irgendwie fair an – und diese Feststellung hat nichts mit Häme. Vielleicht sieht das am Ende auch Uli Hoeneß so, der nun immerhin darauf verzichtet, sich in die Nachspielzeit, sprich Revision zu retten. Und nun zurück zum Fußball …

Die Ergebnisse des 25. Spieltags im Überblick
  • Augsburg – Schalke 2:2
  • Dortmund – Gladbach 3:1
  • Bremen – Stuttgart 1:2
  • Hoffenheim – Mainz 2:3
  • Braunschweig – Wolfsburg 1:1
  • Hertha – Hannover 2:1
  • Hamburg – Nürnberg 2:1
  • Frankfurt – Freiburg 2:2
  • Bayern – München 0:0

Mara Braun

Mara Braun, geboren 1978 in Heidelberg, aufgewachsen im hessischen Odenwald mit einem Abstecher nach Mississippi, seit 1998 in Mainz am Rhein. Studium der Filmwissenschaft & Publizistik. Journalistin, Autorin, Fußballbegeisterte, Bücherwurm, Überzeugungstäterin. Im September 2013 erschien „111 Gründe, Mainz 05 zu lieben“ (Schwarzkopf & Schwarzkopf). Mara Braun bei Facebook, bei Twitter, im Blog.

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