Geschrieben am 1. Dezember 2021 von für Crimemag, CrimeMag Dezember 2021

Gedanken zu Isaac Asimovs „Foundation“

Markus Pohlmeyer begegnet einem Klassiker der Science Fiction

Es gibt seltsame Wege, bis du ein Buch findest oder bis das Buch dich findet. In der Oberstufe schwärmte ein guter Freund mir etwas von einem ganz dicken Science Fiction-Wälzer vor. Weltraum, Psychohistorik, Untergang eines Imperiums. Okay, irgendwann im Studium kaufte ich mir endlich Asimovs „Foundation“. Sprung ins Jahr 2021, da entdeckte ich in einer Serien-Zeitschrift die Ankündigung einer gleichnamigen Verfilmung – mit einem phantastischen Bild dazu, das mich packte. Geheimnisvoll. Wieder okay, du musst jetzt den Roman suchen. Nun, nach drei Semestern Working at Home habe ich nicht nur eine Bibliothek, sondern wohne in einer. Arbeitshypothese: Wie aus diesem Kosmos nichts herausfallen kann, so auch nichts aus meiner Wohnung. Theoretisch. Trotzdem fand ich das Buch nicht. Also die Neuausgabe bestellt – mit einem Nachwort, das die interessante Genese dieses Werkes beschreibt. Ich entdeckte bald darauf meine ältere Ausgabe – mit einem Vorwort von David Brin (2000) –, natürlich zwischen den DUNE-Bänden, wo sie auch rangmäßig hingehört. 

2. Ein Buch, das mich ins Staunen versetzte. Denn es wirkt erfrischend, auch wenn es in den 40ern des 20. Jahrhunderts begonnen wurde – das ist eine zeitliche, keine qualitative Feststellung. Es wirkt neu und vertraut. Die Schilderung des Planeten Trantor im Zentrum des galaktischen Imperiums: Ist das nicht wie in Star Wars Episoden I-III?

3. Das Buch wirkt neu, vertraut und bricht mit Erwartungen. Von der Geschichte des Imperium Romanum beeinflusst, scheint ein unumstößliches Fatum (Schicksal) genauso über dem galaktischen Reich zu liegen: Aufstieg, Fall, Neugründung … Ziel von Hari Seldon, dem Meister der Psychohistorik: die Zeit der Barbarei zu verkürzen. „Als Hari Seldon den Kurs unserer künftigen Geschichte plante, baute er nicht auf brillante Heroen, sondern auf die gewaltigen Wogen der Ökonomie und der Soziologie.“[1] Doch wie? „Wir sind alle mehr oder weniger Wissenschaftler. Wir sind ja eigentlich keine Welt, sondern die Foundation, eine Stiftung, ein Zusammenschluss von Wissenschaftlern […].“[2]Es wird zwei Foundations geben, die unter den von Seldon vorausberechneten Ereignissen das Zeitalter der anstehenden Barbarei verkürzen sollen. 

4. Warum geht ein solch gewaltiges Imperium unter? Interessante Erklärung: „‘Euer Haufen hier ist ein perfektes Beispiel für das, was seit Tausenden von Jahren mit der ganzen Galaxis nicht stimmt. Was ist denn das für eine Wissenschaft, die jahrhundertelang hier draußen hockt und die Arbeit der Wissenschaftler des letzten Jahrtausends katalogisiert? Haben Sie je daran gedacht, weiterzumachen, ihr Wissen zu erweitern und darauf aufzubauen? Nein! Sie sind es vollkommen zufrieden, zu stagnieren. Die ganze Galaxis ist es seit Raum weiß wie lange. Darum revoltiert die Peripherie, darum bricht die Kommunikation zusammen, darum ziehen sich kleine Kriege endlos in die Länge, darum verlieren ganze Systeme die Atomkraft […]. Wenn Sie mich fragen […], so ist bald die ganze Galaxis im Eimer!‘[3]

5. Die Charakterisierungen sind einfach frech, schräg und wunderbar: „Asper Argo, der Vielgeliebte, Commdor der korellischen Republik, reagierte auf den Eintritt seiner Gattin, indem er mit Armesündermiene die dürftigen Augenbrauen senkte. Zumindest in ihrem Fall galt der Beiname, den er sich selbst verliehen hatte, nicht – das wusste sogar er.“[4] Damit wäre alles über die Beziehung dieses Paares (oder des Herrscher zu seinem Volk) gesagt. Der sog. ‚Vielgeliebte‘ wird schon vom latein. asper her in seinem Namen enttarnt als der HartherzigeRaue. Oder eine andere Stelle: „Lord Dorwin schnupfte Tabak. Sein langes Haar war kompliziert und ganz offensichtlich künstlich gelockt. Dazu gesellten sich ein Paar flaumiger blonder Koteletten, die der Lord zärtlich streichelte. Zudem formulierte seine Aussagen übermäßig präzise und ließ alle R’s weg.“[5] Was erfahren wir alles vom Erzähler, wie er den beschriebenen Dorwin, kein Darwin mehr, beurteilt und einschätzt: kompliziertkünstlichzärtlich – bis hinein zur Aussprache. Und solche Charakterisierungen sind wichtig, vor allem dann, wenn Personen davon abweichen, wie eben dieses Luxusgeschöpf: „Aber Lord Dorwin wurde zuweilen ganz aufgeregt; Hardin bemerkte, dass der Kanzler in diesem Augenblick sogar die R’s aussprach. Als die Lampen wieder angingen, sagte Lord Dorwin: ‚Wundeäbaa. Wiäklich wundeäbaa. Sie inteäessi-en sich nicht vielleicht zufällig füä Aachäologie, Haadin?‘“[6] Hardin schlägt vor, der Kanzler, da interessiert an der Frage, woher die Menschheit ursprünglich stamme, solle selbst vor Ort archäologische Forschungen anstellen. Wozu?, Dorwin habe alle einschlägige Literatur darüber gesichtet. Hardin stellt darauf fest, dass und warum die Galaxis im Eimer sei.[7]

6. Manche Charakterisierung kommt einfach nur cool und großspurig rüber (in dieser Männerwelt. Achten Sie einmal darauf, wann zum ersten Mal eine Frau als echte Handlungsträgerin auftaucht.) Beispielsweise: „‘In seinen Augen ist die richtige Methode, ein Ei aufzuschlagen, dass man einen atomaren Sprengkopf darauf abschießt.“[8]

7. Wie meistert die Foundation anstehende Krisen? Mit Handel und Religion: „Die Religion ist das wirksamste Instrument, um Welten und Menschen zu beherrschen.“[9] Denn die Foundation verfügt über einen technologischen Standard, den anderen Bereiche der Galaxie verloren haben. In religiöse Riten verpackt, übt die Foundation technischen Einfluss aus. Was für die einen wie Magie erscheint, ist für die anderen Wissenschaft. Und trotzt der fast mechanisch, fatalistisch oder deterministisch ablaufenden Prognosen Seldons treten immer wieder Individuen auf, die Einsicht in diese Prozesse gewinnen und daraus die entsprechenden Handlungsweisen ableiten: „Doch Mallows schneidende Antwort lautete: ‚Wenn ich Boss dieser Foundation bin, werde ich nichts tun. Einhundertprozent nichts – und das ist das Geheimnis dieser Krise.“[10]

8. In der kurzen Skizze hier habe ich mich nur auf „Foundation“ bezogen, den ersten Teil der Trilogie. Warum wird auch die Foundation untergehen? Kurze Ausblick: Sie leidet an Verwaltung. 

9. Zugegeben, ich hätte damals auf meinen Schulfreund hören sollen. Aber nun habe ich das Glück, Erstleser dieses beeindruckenden Epos zu sein, für das Weltraumschlachten und fast das gesamte sonstige Science Fiction-Inventar nur marginale Bedeutung zu haben scheinen.[11] Das eher wie Detektivgeschichten daherkommt, wie Puzzle, deren Gesamtbild erst am Ende aufblitzt, alles auf Überraschungen und Effekt hin konzipiert – mit viel Witz und (Selbst)Ironie. Wir beobachten uns durch ungeheure Räume und Zeiten hindurch – dank des großen Geschichtenerzählers (und Psychohistorikers?) Asimov. 

Epilog

Cicero: „Und jetzt ist es so weit gekommen, dass … unsere führenden Männer sich wie im Himmel vorkommen, wenn sie Fischlein in ihren Teichen haben, die ihnen aus der Hand fressen – um etwas anderes kümmern sie sich nicht.“[12]

Markus Pohlmeyer lehrt an der Europa-Universität Flensburg. Seine weit über hundert Texte und Essays bei uns hier.


[1] I. Asimov: Die Foundation-Trilogie, übers. v. R. Hundertmarck, mit einem Nachwort v. S. Mamczak, 6. Aufl., München 2012, 277.

[2] Asimov: Foundation (s. Anm. 1), 58.

[3] Asimov: Foundation (s. Anm. 1), 70 f. 

[4] Asimov: Foundation (s. Anm. 1), 271.

[5] Asimov: Foundation (s. Anm. 1), 73.

[6] Asimov: Foundation (s. Anm. 1), 75.

[7] Siehe dazu Asimov: Foundation (s. Anm. 1), 76-78.

[8] Asimov: Foundation (s. Anm. 1), 115.

[9] Asimov: Foundation (s. Anm. 1), 255.

[10] Asimov: Foundation (s. Anm. 1), 270.

[11] Vgl. dazu Nachwort, in: Asimov: Foundation (s. Anm. 1), 865 f.

[12] Cicero zum Vergnügen, hg. u. übers. v. Marion Giebel, Stuttgart 2012, 91.

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