Geschrieben am 1. April 2019 von für Crimemag, CrimeMag April 2019

Fotografie & Reallife: Street Scenes – Street Crimes (10)

Liebes CrimeMag-Publikum,

Kriminalliteratur wurde früher gerne als „Asphalt-Literatur“ abgetan. Wir finden, dass das ein Adelstitel ist. Wir mögen Asphalt, wir mögen Großstadt, wir mögen Realität. Deswegen präsentieren wir Ihnen hier eine neue Rubrik, die jeden Monat Bilder des Fotografen Carsten Klindt und Texte der Polizistin Nadja Burkhardt kombiniert: Street Scenes und Street Crimes. Aus Realität wird Kunst in Bild und Wort, fragmentarisch und  kaleidoskopisch. Freuen Sie sich mit uns! (Hier Auftritt Nr. 1Nr. 2, Nr. 3Nr.4Nr. 5, Nr.6, Nr.7, Nr. 8 und Nr.9).


NightTown – Fence – © 2018

STREET SCENES

„Street Scenes“ ist eine Serie des Berliner Fotografen Carsten Klindt, aus der wir jeden Monat ein Foto präsentieren. Auf der Website von Carsten Klindt können Sie einzelne Bilder auch käuflich erwerben. Neue Homepage hier.

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STREET CRIMES

Nadja Burkhardt ist aus Überzeugung Street Cop in Berlin. Und sie hat ein Auge für den alltäglichen Wahnsinn. Denn der ist zwar manchmal kleinteilig und unspektakulär, bildet aber den Zustand unserer Gesellschaft präzise ab. Und Nadja Burkhardt weiß auch, dass vieles sehr, sehr komisch ist. Deswegen ab jetzt bei uns jeden Monat  STREET CRIMES – Miniaturen aus dem Irrsinn ohne Ende, komisch, tragisch, real life …

Mit drei meiner Kollegen lauf ich aus genau diesem Präventionsgrund über unseren Hackeschen Markt.

In nur 60 Minuten weisen wir etwa 60 Leute darauf hin, dass sie sehr sorglos ihr Handy und/oder ihre Digitalkamera neben sich auf dem Tisch abgelegt haben….und dass das keinesfalls eine gute Idee ist.

„Das ist nicht Ihr Problem! Ich kann selbst auf meine Sachen aufpassen!!!“ herrscht mich ein Geschäftsmann an.

Challenge accepted 🙂

Ich greife mir also die recht große Speisekarte vom Tisch, halte sie über sein Handy und rede auf ihn ein.

„Sie sind sicher, dass, wenn Ihnen jemand so eine Karte vorhält und durch Reden ablenkt, Sie immer noch wissen, was mit Ihren Sachen passiert??? Schauen Sie mal, wie groß diese Karte ist!!!“
„Ja, das hab ich Ihnen doch gesagt!“
„Okay. Bitte passen Sie einfach auf ihre Sachen auf, ja?“

Mit einem abfälligen Blick seinerseits endet dieses Gespräch.
Wir laufen sehr langsam weiter. Das Handy des Geschäftsmannes befindet sich sicher in meiner Hosentasche.

Bereits vier Tische weiter kehre ich um, ich bin ja kein Dieb.

„Ich hab da noch eine Frage!“ sage ich zu dem Geschäftsmann.
„Was???“
„Brauchen Sie Ihr Handy noch?“

Ich ziehe es aus meiner Hosentasche und lege es auf den Tisch.

Ihm fällt einfach alles aus dem Gesicht.
Milde lächelnd sehe ich dabei zu, wie er es nun in seine Tasche packt, und verabschiede mich.

Und ja! Ich habe das sehr genossen!

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Tonfatraining:
„WENN SELBSTVERTEIDIGUNG SCHEIßE AUSSIEHT, DANN FUNKTIONIERT SIE AUCH NICHT!!!“

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Kollegenanekdötchen:
Der schwankende Autofahrer pustet nach einem Unfall stolze 1,6 Promille.

„ICH HABE KEINEN ALKOHOL GETRUNKEN!!! Ich habe den ganzen Abend mit meiner Freundin rumgeknutscht. DIE HAT GESOFFEN!!! Deshalb zeigt Ihr Gerät jetzt sowas an!!!“

Aha. 
Wusst ich nicht, dass sowas geht. 
Klingt aber logisch.

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Und dann war da im Nachtdienst dieser wirklich krasse Nazityp, der nichts Besseres mit seinem Leben anfangen konnte, als Hakenkreuze in anderer Leute Wohnungstür zu ritzen. 

Weil er sich partout nicht daran halten wollte, was ich ihm sagte, musste ich seinen Kopf mit meiner Hand an der Wand fixieren. 

„Äh. Also. Sie sehen ja, ich bin jetzt sehr ruhig. Ich mach auch, was Sie sagen. Sie haben eine sehr kalte Hand. Könnten Sie die bitte wieder wegnehmen?“

Harter Kerl. Ganz harter Kerl.

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Carsten Klindt wuchs an der Nordsee auf und ist ausgebildeter Werbefotograf. Er wohnt seit über 20 Jahren in Berlin, betrieb elf Jahre lang eine Bar in Kreuzberg und arbeitet als freischaffender Fotograf. Der Werbung hat er schon lange den Rücken gekehrt. Neben Fotografie sind Noirs der Filmgeschichte eine Leidenschaft.

Nadja Burkhardt: „Jahrgang 1978, seit 1996 bei der Berliner Polizei. Nach der Ausbildung 4,5 Jahre Hundertschaftsdienst, seither im Schichtdienst als Zweier-Streife aufm Funkwagen. Mittlerweile Polizeikommissarin, nicht in Berlin geboren und aufgewachsen, aber definitiv ein Kind dieser Stadt. Mein Job ist gefährlich, nervenaufreibend und stressig. Und ich liebe ihn.“

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