Geschrieben am 15. August 2017 von für Crimemag, Film/Fernsehen

Film: Spider-Man: Homecoming

spiderHeimkehr der neuen Spinne aus der Nachbarschaft

Von Dominique Ott

Nach der erfolgreichen Spider-ManTrilogie von Sam Raimi und den beiden weniger erfolgreichen The Amazing Spider-ManEinträgen von Marc Webb kann man sich nun fragen, weshalb Columbia Pictures und Mutterkonzern Sony mit Spider-Man: Homecoming dem rot-blau kostümierten Spinnenmann nochmal ein neues Gesicht und seinen sechsten Kinofilm innerhalb von nur 15 Jahren geben. Die titelgebende Rückkehr ins Heim ist hierfür entscheidend: Denn ‚Homecoming‘ meint nicht nur einen in der Handlung (am Rande) vorkommenden Highschool Jahresabschlussball, sondern die Heimkehr des verlorenen Sohnes zum Comic-Giganten Marvel. Letzterer wurde in der Zwischenzeit von Disney aufgekauft und konnte eine eigene Milliarden schwere Film-franchise etablieren, das sogenannte Marvel Cinematic Universe (kurz MCU), in das der aufstrebende Wandkrabbler sich nun einschreibt.

Bei seiner Neuauslegung des Spider-Man-Mythos hat sich Regisseur und Co-Drehbuchautor Jon Watts klugerweise dagegen entschieden, ein drittes Mal die sogenannte origin story des Superhelden im Kino zu inszenieren, also die Entstehungsgeschichte darüber, wie dieser seine übermenschlichen Fähigkeiten und eine Motivation zur selbstständigen Verbrechensbekämpfung erhielt. Dennoch handelt es sich hier um eine Geschichte des Held-Werdens, in welcher der Protagonist Peter Parker lernen muss, dass es nicht ausreicht, einen knalligen Strampler zu tragen, um sich einen Superhelden nennen zu dürfen. So scheint es durchaus passend, dass diese coming of age Erzählung vom Spider-Boy zum Spider-Man in der Form einer Teenager-Komödie ganz im Sinne von Back to the Future oder dem explizit erwähnten Ferris Bueller’s Day Off gestaltet wird. Denn Homecoming besinnt sich zurück auf seine Comic-Vorlage, wo der Teenager Peter Parker ebenfalls mehr mit den gewöhnlichen Problemen eines Heranwachsenden zu kämpfen hat, als mit den eigentlichen Super-Schurken, wodurch seine Figur umso zugänglicher und menschlicher wirkt. Als zurückhaltender aber experimentierfreudiger Streber, der unter der schutzbietenden Maske sämtliche unterdrückte Energie und Kommentare humorvoll auslässt, bietet der aufgeweckte Tom Holland nicht nur die bisher jüngste, sondern auch treuste Inkarnation der Peter Parker/Spider-Man Doppelidentität auf der großen Leinwand.

Der Hauptbösewicht: ein Schrottsammler

Die Größenordnung der Konflikte, denen sich der anstrebende Superheld stellen muss, erscheint demgemäß verhältnismäßig klein. Dafür wird eine Alltäglichkeit in den Vordergrund gestellt, die erstaunlich viel Platz für Komik schafft und für den „friendly neighbourhood Spider-Man“ kennzeichnend ist (er kommt aus dem New Yorker Stadtteil Queens). Dementsprechend wird stets auf einer kommunalen Hilfsbereitschaft beharrt, beispielsweise wenn er einer desorientierten älteren Dame den Weg weist, was im Vergleich zu anderen Superhelden-Filmen mit ihren interventionistischen Maßnahmen und ihrem apokalyptischen Größenwahn eine willkommene Abwechslung bietet. Auch der Hauptbösewicht des Films ist nicht etwa ein Gott oder ein kriminelles Genie, das auf Weltherrschaft aus ist, sondern lediglich ein glorifizierter Schrottsammler, der von der US-Regierung ein Mal zu oft über den Tisch gezogen wurde. Infolgedessen ist er dazu übergegangen, Alien-Waffen zu sammeln, modifizieren und verkaufen; ein zerstörerisches Potenzial, das Spider-Man von seinem Viertel fernhalten muss. Die Neuausrichtung des ‚Vulture‘ aus den Comics bietet einen Antagonisten mit nachvollziehbaren Beweggründen und eindrucksvollem Charakter-Design, den Michael Keaton (neben dessen Affinität für beflügelte Kreaturen) zudem schauderhaft ruhig und bedrohlich spielt. Auch zahlreiche weitere vertraute Figuren aus Comics und Filmen wurden aktualisiert und bilden ein junges und bemerkbar weniger weißes Ensemble, als es das in den frühen Sechzigern entstandene Comicheft vorgibt. Angereichert mit vereinzelten politischen Bemerkungen, u.a. zum patriotischen Wert des Protestierens, strahlt der Film regelrecht vor political correctness. Das wirkt zwar nicht so erfrischend, wie erhofft, scheint aber bei der Darstellung solch einer diversen Stadt wie New York angebracht und längst überfällig.

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Marvel-Universum verwoben – das hat seine Gründe

Die bedeutendste Schwachstelle dieses Teenager-Action-Spektakels besteht aus der überflüssigen Verwobenheit in das filmische Marvel-Universum, insbesondere durch die Anwesenheit von Iron Man. Letztere wird von Fans womöglich ohne Wiederrede angenommen, da sie eine Grundlage in den Comics hat, ist jedoch hauptsächlich in der Beliebtheit von Robert Downey Jr. als Tony Stark/Iron Man begründet: Das Vorzeigekind des MCUs soll somit die breiten Massen für den neusten Spider-Man begeistern. Für diesen Zweck wurde in den Trailer sogar eine Einstellung beider Helden Seite an Seite eingearbeitet, die im tatsächlichen Film nicht vorkommt. Es wird von einem Mentor-Schüler-Verhältnis beider Figuren ausgegangen, wobei die entscheidende Etablierungsszene ohne guten Grund (außer Werbung) nicht hier, sondern bereits in Captain America: Civil War gezeigt wurde. Bei letzterem oder Avengers 2 sollten gewisse Rückverweise, die einem unbewanderten Zuschauer entgehen, niemanden überraschen. Mit Spider-Man: Homecoming werden jedoch erstmals schon beim ersten Eintrag in die neue Filmreihe zu einem Titelhelden Vorkenntnisse erwartet. Kann ein Film, der Spider-Man stets als festes Mitglied für den nächsten Avenger Film aufbauen muss, noch wirklich für sich alleine stehen?

Glücklicherweise schafft Homecoming zum Ende noch die Kurve, wenn Peter den von Iron Man gesponserten und mit überflüssigen Gadgets ausgestatteten Anzug entzogen bekommt. Daraufhin wird er nochmals vor die Frage gestellt, ob und (viel entscheidender) was für ein Held er sein möchte. Die richtige Entscheidung lässt darauf hoffen, dass zukünftige Spider-Man-Filme auch ohne Iron Man oder seine Superfreunde auskommen werden. Denn eins ist sicher: Diese jüngste Iteration der menschlichen Spinne wird wiederkehren und hat noch entsprechend viel Raum, um zu wachsen und sich zu entfalten. Dass im MCU Charakterentwicklungen von vornerein (ähnlich wie bei großen erzählerischen TV-Serien) auf eine lange Dauer und über mehrere Filme angelegt werden, gehört zu ihrem Erfolgsrezept. Das muss man nicht gutheißen, scheint jedoch für Figuren, die sich meist Jahrzehnte lang über Hunderte von seriell angelegten Comic-Heften entwickelt haben, eigentlich ziemlich angebracht.

Dominique Ott

spider1-horzSpider-Man Homecoming. USA 2017. 134min.

 

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