Geschrieben am 15. Mai 2017 von für Crimemag, Film/Fernsehen, News

Film: Mark Frost & David Lynch: Twin Peaks

twin1Rückkehr nach Twin Peaks – Vorbereitungen

Von Sonja Hartl

„Twin Peaks“ hat mein Leben verändert. Es klingt übertrieben dramatisch, aber so ist. Es reichten damals die Bilder eines Vogels, eines Sägewerks und eines Ortschilds, untermalt von melodramatisch-hinreißend-schmerzlichen Klängen, um mich zu interessieren; der Fund einer weiblichen Leiche und die Ahnung eines unheimlichen großen Ganzen, um mich gefangen zu nehmen. Die erste Folge von „Twin Peaks“ stellte alles auf den Kopf, was ich bis dahin gesehen hatte. Da saß ich nun jeden Freitag in vermutlich ein wenig zu jungen Jahren auf dem Sofa meiner Eltern und fragte mich, was David Lynch eigentlich mit mir macht – und wie ihm das gelingt. Das war der Beginn einer trotz „Inland Empire“ nicht beendeten Faszination für den Regisseur und seine Bilderwelten, die sich bei mir in einer Erforschung und Analyse seines Werks manifestierte. Dabei sehe ich jedes seiner Werke jedes Mal anders, zeigt sich hier sehr deutlich, der Einfluss, den Alter, Wissen und Seherfahrungen haben. Deshalb markiert der 21. Mai 2017 für mich nicht nur die Rückkehr der Serie „Twin Peaks“, sondern auch eine Rückkehr zu dem Anfangspunkt meiner Begeisterung für Filme.

Es ist die Gleichzeitigkeit verschiedenster Elemente, die mich damals wie heute an „Twin Peaks“ begeistert: Es ist eine Serie über eine provinzielle Kleinstadt mitsamt Highschool-Clique, aktuellen und ehemaligen Footballhelden, einem Diner, guten und bösen Menschen. Es geht um Mord, Liebe, Eifersucht und andere Verbrechen, aber auch um Eulen, die nicht sind, was sie scheinen, um Riesen, Träume, Einarmige, um das Unterbewusstsein und Buddhismus – und das alles in Bildern, die mal Postkartenidyllen, mal surreale Alpträume und oft beides zugleich sind. Es gibt die Kriminalhandlung, die Soap-Handlung, Horror- und Slapstick-Elemente, zahlreiche Plots und Subplots, manche in der Realität, andere im Übersinnlichen angeordnet. Es gibt alberne Spielereien und einen Soundtrack, der emotional-sehnsuchtsvoll, jazzig und düster ist, mit Songs, die zugleich etwas über das Unterbewusstsein der Figuren aussagt. (Sehr schönes Video dazu hier.)

twin5-horzWas man sehen sollte

Allein schon dadurch sind die Ansprüche an die Rückkehr von „Twin Peaks“ hoch, außerdem bedarf sie der Vorbereitung. Hierzu gibt es bereits einige Handreichungen, beispielsweise diese durchaus interessante Aufstellung der New York Times, welche Folgen man vor dem Serienstart kennen sollte – je nach zur Verfügung stehender Zeit und Motivation. Wenngleich ich mich diesen Vorschlägen durchaus anschließen kann, muss ich doch sagen, dass ich Empfehlungen bei „Twin Peaks“ durchaus gewagt finde. Obgleich „Twin Peaks“ als Serie über den Mord an einer Highschool-Schülerin beginnt, endet sie doch nicht mit der Festnahme des Mörders (die geschieht in der Folge „Arbitrary Law“ in der zweiten Staffel) – und vermutlich wird das, was danach geschieht, eine Rolle spielen. Daher würde ich sagen: Augen zu und durch alle Folgen durch. Sogar durch die wirklich schlimme Folge „Slaves and Masters“, in der Diane Keaton Regie geführt hat. Aber insgesamt sind die erste Staffel sowie die erste Hälfte der zweiten Staffel auch heute noch überdurchschnittliches Fernsehen – und nach Folge sieben in der zweiten Staffel macht sich der Weggang von David Lynch bemerkbar. Aber da muss man dann eben durch. Denn vielleicht haben sich Mark Frost und David Lynch wirklich etwas dabei gedacht, als sie in der dritten Episode der ersten Staffel die mittlerweile berühmte Sequenz drehten, in der Laura Palmer ein Wiedersehen in 25 Jahren verspricht.

Und dann könnte sich so manches, was in diesen Folgen passiert, als wichtig erweisen.

Unterstützt wird diese Vermutung zudem von den Intros der Log Lady, die bei der Ausstrahlung auf RTL nicht gesendet wurden, aber auf der DVD enthalten sind. Vor der ersten Folge kündet sie an, „There is a story behind that“ – und tatsächlich erweist sich bei „Twin Peaks“ in jeder Geschichte, dass dahinter eine weitere Geschichte steckt. Denn man darf eines nicht vergessen: Über die neue Staffel ist fast nichts bekannt. Mark Frost verriet, sie werde ganz anders als die Vorläufer. Und David Lynch ließ verlauten, dass der Film „Fire Walk With Me“ „very important“ sei, um zu verstehen, was ab dem 21. Mai passieren wird. Deshalb sollte man diesen auch gesehen haben.

5118eXOmNuL._SX393_BO1,204,203,200_Was man lesen könnte

Von Anfang an erzählten sich die Geschichten in „Twin Peaks“ nicht nur über die Serie, sondern auch über Bücher. „Das geheime Tagebuch der Laura Palmer“ – geschrieben von Jennifer Lynch, David Lynchs Tochter – und „Dale B. Cooper, mein Leben, meine Aufzeichnungen“ erschienen damals parallel zur Ausstrahlung der Serie. Ersteres ist das Buch, das Lauras beste Freundin Donna in Harolds Haus findet und später an die Polizei übergibt. Es startet nach Lauras 12. Geburtstag, als sie das Buch als Geschenk erhält, und enthält die Teenager-Aufzeichnungen, die zu erwarten waren, aber eben auch ihre Begegnungen mit Bob. Dabei liefert das Buch gleichermaßen Hintergrundgeschichten zu Lauras Freunden, ist aber auch ein finster-fesselndes Dokument der Tragik ihres Lebens. Und das Tagebuch endet mit dem hoffnungslosen Wunsch, dass Bob in dieser Nacht nicht kommen möge. Die Autobiographie von Dale B. Cooper beginnt im Jahr 1967 und erzählt vor allem von seinem Leben vor seinen Ermittlungen in „Twin Peaks“ und insbesondere den Ermittlungen in dem Fall Teresa Banks, die von demselben Täter ermordet wurde wie Laura Palmer. Das Buch endet dann mit dem Eintrag, dass er in Twin Peaks den Mord an einer jungen Frau untersuchen wird.

twin3Ganz frisch erschienen ist „Die geheime Geschichte von Twin Peaks“. Das Buch liefert Hintergründe zu einzelnen Figuren und setzt das gesamte Geschehen in einen weitaus größeren Zusammenhang. Präsentiert wird es als Dossier, das zu dem Ort Twin Peaks angelegt wurde, und von Gordon Cole an einen bis zum Schluss unbekannte FBI-Agenten zur Begutachtung übergeben wurde. Durch Akten, die eine weitere lange Zeit unbekannte – wenngleich leicht zu erahnende – Person gesammelt wurde, entfaltet sich dann eine Geschichte, die bei Geisterbeschwörungen der Native Americans einsetzt und über UFOs und Nixon bis hin zu der Zeit nach dem Mord an Laura Palmer reicht. Sicherlich ein wenig zu lang, schließt es für „Twin Peaks“-Seher vor allem manche Lücken im Hintergrund. Inwiefern das Buch tatsächlich die Verbindung zwischen der alten und neue Serie ist, wird man erst nach der Ausstrahlung beurteilen können.

Also, es ist noch Zeit, am 21. Mai beginnt die Ausstrahlung bei Showtime und hierzulande bei Sky. Solange bleibt die Vorfreude auf die Rückkehr und ein neues Werk von David Lynch – und die Hoffnung, dass die Serie nicht nur ein weiterer Beweis für die Nostalgie-Welle wird.

Sonja Hartl

Mark Frost: Die geheime Geschichte von Twin Peaks. Roman. Übers.: Stephan Kleinert. Kiepenheuer&Witsch, Köln 2016. 368 Seiten, 39,90 Euro.

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