Geschrieben am 15. Mai 2018 von für Crimemag, CrimeMag Mai 2018, Kolumnen und Themen

Essay: Alexander Jöckel über „Wonder Woman“

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Wonder Woman – Ein Essay zum Film

Die fiktive Biografie von Wonder Woman [1] wurde bereits in den 1940ern Jahren entwickelt, und seit dem immer wieder an die jeweilige Mode und gesellschaftliche Themenschwerpunkte des entsprechenden Jahrzehnts angepasst. Der Film ist somit auch als eine ausführliche Einführung des Charakters in die aktuelle DC-Kino-Filmreihe konzipiert. Wonder Woman hatte bereits zuvor einen Kurzauftritt im Film Batman vs. Superman: Dawn of Justice [2], angesiedelt im Universum von DC Comics, und erzählerisch zeitlich folgend danach einen weiteren Auftritt in der Justice League [3].

Bei den visuellen Computereffekten setzte man schon aus den Vorgängerfilmen bekannte Techniken ein. Die Darstellung von Bewegungsabläufen wirken dabei gewollt wie aus älteren Cartoons, um an den Erzählstil der Comic-Hefte anzuknüpfen. Auffällig an den Kampfszenen ist zum Beispiel, dass die won2gegnerischen Kugeln immer auf den Armschienen von Wonder Woman landen. Die Darstellerin scheint dabei im Raum zu stehen, während der Kampf um sie herum vorbeizieht. Die korrekte Darstellung der Impulserhaltung von Massen kam leider etwas zu kurz – vor allem, wenn Projektile umgelenkt oder Körper durch die Gegend geschleudert werden. Aber der Film soll ja auch unterhaltend und keine wissenschaftliche Dokumentation sein.

Unter dem Aspekten der Neuauflage von Wonder Woman erscheint der Cast der Hauptdarstellerin Gal Gadot [4] dabei einen erheblichen Anteil zum Erfolg des Films beizutragen. Frauen, die als Soldaten in Armeen dienen, sind heutzutage keine Seltenheit mehr. Selbst die Schauspielerin Gale Gadot hatte bereits in der Israelischen Armee Dienst getan. Vielleicht gab ihr diese Erfahrung auch Einblicke in die Realität des Krieges, die ihr Schauspiel an manchen Stellen beflügelt. Als Antagonist wurde der Schauspieler David Thewlis [5] als griechischer Kriegsgott Ares gecastet. Es wirkt jedoch befremdlich, dass ein antiker Kriegsgott wie ein britischer Aristokrat aussehen soll.

 

Wonder Woman sieht als Amazonen-Kriegerin kein Problem darin, tödliche Gewalt einzusetzen, um ihren Auftrag auszuführen, und gleichzeitig die kriegerische Handlungen von Menschen zu verurteilen. Und sie hat auch kein Problem, ihren Halbbruder im Auftrag des inzwischen verstorbenen Gottvaters Zeus zu töten. Der Zuschauer eines Superheldenfilms hat natürlich auch die Erwartungshaltung, dass in diesem Fall die Heldin mit übernatürlicher Gewalt auf den Putz haut. Dieser Erwartungshaltung wird auch bei den Werbeträgern genüge getan. Denn Superhelden werden auf Medien-Covern und Plakaten oft martialisch posierend mit entsprechender Bewaffnung dargestellt. Wer geht schon ins Kino, um zu sehen, wie mit den „Bösen Jungs“ stundenlange Friedensverhandlungen geführt werden? Aber es wirkt für Zuschauer inzwischen selbstverständlich, wenn vom Protagonisten die Bösen dutzendweise in 3D vernichtet werden. Denn wir Zuschauer wollen ja sehen, wie das Böse letztendlich überwunden wird und die Ordnung wiederhergestellt ist. Und je größer und spektakulärer die Verluste auf dem Weg dahin sind, umso gewaltiger erscheint der scheinbar späte Triumph des Guten. Dieser Ansatz erzeugt eine Eskalation von Gewalt, welche die Autoren zwingt, immer gigantischere Schlachten zu entwerfen.

Das Konzept von Anwalt, Richter, Geschworener und Henker in einer unfehlbaren Person [6]: Wie würden wir auf so etwas im realen Leben wohl reagieren? Nicht grundlos sollte das Gewaltmonopol und die Rechtsprechung in den Händen des Staates liegen, wie die Geschichte zeigte. Dennoch ist es ein seit der Antike bewährtes Konzept, einen Bösewicht effektvoll und öffentlich hinzurichten.

Ein ebenfalls gern verwendetes Verfahren von Drehbuchautoren ist neben der Verwendung von bewährten Strickmustern unter anderem auch die Adaption antiker Mythologie, kombiniert mit weltgeschichtlichen Ereignissen [7]. Das erzeugt einerseits einen Wiedererkennungseffekt bei den meisten Zuschauern und erspart den kompletten Neubau einer fiktiven Rahmenhandlung. Andererseits verliert die Erzählung dadurch auch den Reiz des Neuen, eben durch Vorhersehbarkeit und den Verlust der Überraschungsmomente. Durch die repetitive Verwendung klassischer Handlungsmuster kann der Zuschauer dann schon erahnen, was als nächstes in der Geschichte passieren wird. Der Versuch, dies mittels bildgewaltiger und rezidiver Spezialeffekte zu kompensieren, bringt aber die eigentliche Erzählung nicht voran.

wonEine Heldenreise [8] von Wonder Woman – von einer kindlichen Weltanschauung, wegen der Isolation auf einer Insel, bis hin zur Konfrontation mit dem Gegner – dient als Basis der Storyline. Moderne industrielle Welt trifft dabei auf vermeintlich antik Mythisches. Dabei gibt es auch beispielhaft Sozialkritik in der Gegenüberstellung von einer Sekretärin im Vergleich zu einer Sklavin. Dies zeigt auf, dass sich zwar im Laufe der Zeit die Namen, aber nicht die Rollen innerhalb der Gesellschaft geändert haben.

Verhaltensforschung an unseren evolutionär nächsten Verwandten, den Primaten, deutet darauf hin, dass diesen die Kriegsführung genetisch innewohnt [9]. Zugewinn an Territorium und Nahrung verschafft einer Gruppe einen bessern Lebensstandard …, während Menschen sich nicht mehr auf dieses archaische Erbe berufen dürften, da sie sich selbst gerne als vernunftbegabte und kultivierte „Krone der Schöpfung“ betrachten. Die Zeiten, in denen man seinen Nachbarn als Meinungsverstärkung eine Keule über den Kopf gezogen hat, sind doch angeblich vorbei, oder?

wonderwoman maxresdefaultWenn die Menschheit heutzutage in einen Weltkrieg ziehen würde, kann das nun einmal die Vernichtung aller mit sich bringen. Denn die Waffentechnologie ist inzwischen auf ein unmenschliches Maß allumfassend vernichtend geworden. Aber wie lernfähig zeigt sich diesbezüglich die Menschheit? Der Erste Weltkrieg wurde ja schon damals als „… der Krieg, der alle Kriege beenden soll.“ [10] bezeichnet, eben weil er so viele Opfer fand. Aber wir wissen ja, wie lange das Wissen darum vorhielt. Der Zweite Weltkrieg, gerade einige Jahre später, war im Vorgehen und in der Wirkung noch verehrender. Und dennoch wurden auch danach, bis heute, weiter Kriege geführt. Mit den gleichen Methoden wie Konzentrationslagern, Massenvernichtungswaffen und Hungersnöten. Auch in diesem Film: bis hin zum Einsatz von Giftgas gegen die Zivilbevölkerung, wie es in aktuellen Kriegen trotz internationalen Verbots immer noch stattfindet.

won1Scheinbar ist das genetische Erbe doch nicht so leicht zu überwinden. Die aktuelle Erzählung von Wonder Woman könnte so betrachtet auch als ein Appell an die Menschheit interpretiert werden, endlich erwachsen zu werden.

Leicht vergisst man bei der Betrachtung die vielen im Hintergrund wirkenden Künstler, welche Bühnenbild, Maske, Musik, Stunts und Computernachbearbeitung anfertigten – und dass die Verwirklichung eines solchen Projektes sich über Jahre hinzieht. Der Film Wonder Woman ist ein kurzweiliger Kinohit, aber hinterlässt in der Flut von Comic-Verfilmungen leider nicht wirklich einen dauerhaften Eindruck. Für Kenner des DC-Universums ist es durchaus eine passende Ergänzung der Filmreihe, die im zweiten Teil [11] eine Fortsetzung des Abenteuers finden wird.

Wonder-Woman-Lifts-Tank-in-RealD3D-PosterAlexander Jöckel ist Dipl.-Ing. für Automation und Robotik.
Siehe auch seinen CrimeMag-Beitrag zur Serie „Person of Interest„.

[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Wonder_Woman 5. Mai 2018
[2] https://www.imdb.com/title/tt2975590/?ref_=fn_al_tt_1 10. Mai 2018
[3] https://www.imdb.com/title/tt0974015/?ref_=fn_al_tt_1 10. Mai 2018
[4] https://www.imdb.com/name/nm2933757/ 10. Mai 2018
[5] https://www.imdb.com/name/nm0000667/?ref_=fn_al_nm_1 10. Mai 2018
[6] https://de.wikipedia.org/wiki/Judge_Dredd_(Film) 4. Mai 2018
[7] https://de.wikipedia.org/wiki/Stargate_%E2%80%93_Kommando_SG-1 20. April 2018
[8] Joachim Hamman: Die Heldenreise im Film – Verbesserte und aktualisierte Neufassung, Books on Demand 2015
[9] http://www.sueddeutsche.de/wissen/verhaltensforschung-krieg-der-affen-1.3552403 21. Juni 2017
[10] Zitat: Woodrow Wilson; Amerikanischer Präsident, 1913 – 1921
[11]https://www.kino.de/wonder-woman/news/wonder-woman-2-kinostart-besetzung-erste-infos-zur-handlung/   10. Mai 2018

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