Geschrieben am 13. September 2008 von für Comic, Crimemag

E.S. Abuli/A. Toth/J. Bernet: Torpedo Bd. 1 – 5

Short Stories sind geschwätzig

Torpedo ist ein fieser Killer. Bösartig, gemein, ein schlechter Mensch. Viel Versöhnliches finden wir nicht an ihm, aber wir amüsieren uns über seine blutigen Abenteuer. Erfunden hat ihn der Katalane Enrique Sanchez Abuli, lange Zeit war Torpedo von der Bildfläche verschwunden. Jetzt gibt es gar eine Gesamtausgabe aller Torpedo-Strips. Vorgestellt von Thomas Wörtche

Er schreibe Comics, sagte Enrique Sanchez Abuli einmal, weil er die Short Story für eine geschwätzige Form halte. Das war zwar irgendwann in den 1980ern und Abuli hat inzwischen einen ganzen Band mit Prosaminiaturen veröffentlicht (13 Relatos Negros), aber die brachiale Lakonie seiner Comics hat unter diesem Ausflug ins Plapperhafte nicht gelitten.

Natürlich stehen die Torpedo-Storys, die Sanchez Abuli zunächst mit Alex Toth als Zeichner, dann aber bald mit Jordi Bernet von 1983 bis 2004 realisierte und die jetzt als 5-bändige Gesamtausgabe bei CrossCult auf deutsch vorliegen, seit je her im Ruf, hemmungslose Gewaltverherrlichung, ekelhafte Misogynie, dummen Rassismus und menschenverachtenden Zynismus zu pflegen. Das ist durchaus nicht falsch. Die Torpedo-Geschichten sind stark pointierte, makabre, gar deviante Miniaturen. Sie sind sehr komisch – und sehr prekär.

Blut und Modder …

Torpedo, das ist der nom de guerre von Luca Torelli, von Beruf Auftragsmörder- und -schläger der billigen Sorte. Natürlich muchomacho im uncharmanten Sinn, Vergewaltiger und Rohling, nicht sehr helle und heillos in die Rituale der Gewalt verstrickt, die für das Setting – eine aus allen populärhistorischen Elementen zusammengesetzte USA der 30er und 40er Jahre – multimedial und genretypisch verbindlich sind. Die Zeichnungen, die fiese, blut- und spermaspritzende Episoden aus seinem Arbeitsalltag und aus seiner sizilianischen Kindheit erzählen, bauen diese Szenerie detailrealistisch auf. Und unterstreichen genau damit ihren artifiziellen Charakter. Denn die graphische Typisierung des Killers Torpedo, seines komischen Sidekicks Rascal und der diversen anderen Typen der Handlung – schwere Jungs und leichte Mädels, um im Klischee zu bleiben – sind für die Pointenstruktur der einzelnen Episoden unerlässlich. Sie rufen – manchmal schon fast zu Zeichen verkürzt – die kulturellen Codes ab, über die das pp Publikum verfügen muss – d.h. es muss die Typologien parat haben und richtig einsetzen können, die es aus der geballten medialen Verarbeitung von Zeit und Ort kennt. Insofern sind die biederen (und in ihrem ungelenken Bemühen, „theoretische“ Reflexion zu bieten, eher peinlichen) Nachworte zu den Bänden 5 und 6, in denen allen Ernstes versucht wird, reale historische Kontexte geltend zu machen, so ziemlich kontraproduktiv. Denn alles, was bei Torpedo aufgerufen wird und als Gag-Lieferant herhalten muss, ist der Intention Abulis untergeordnet, seine bissigen und zynischen Pointen zu landen. Radikal.

… und Scherz und Frohsinn

Pointen, die auf den ersten Blick auf der Folie der Trivialmythen von Gangsterleben und Killertum funktionieren, die dann aber letztendlich alle das zum Pathos neigende Weltbild dieser Art von hard-boiled-Perspektive auf die Welt beschädigen. Sei’s durch Lächerlichmachen der dort waltenden Ehrenkodices, sei’s durch Übererfüllung und Exzess (bei den Reizthemen sex`n violence), sei’s durch komische Spiegelung, wenn sich z.B. Sidekick Rascal den Schuh anzieht, der große Torpedo zu sein und dann furchtbare Niederlagen einstecken muss. Und letztendlich denunziert Torpedo pausenlos seine Hauptfigur und damit den ganzen Typ von „Held“ – als gefühlskalt, intellektuell überfordert, (gewalt-)geil, als feige Ratte und als klarer Depp. Den Tort, den uns Sanchez Abuli dabei tut, ist die Nagelprobe auf den Grad von Einvernehmlichkeit, mit der er sämtliche Geschmacks- und Moralgrenzen übertrampelt: Wie weit sind wir bereit, mit geschmeidiger Interpretation und Auslegung das Eklige, über das wir uns gerade amüsiert haben, wegzuargumentieren? Und wo sollten wir uns schämen, bei all dem Geprügel, der Gemeinheit, dem Schänden, Töten und Morden?
Aber so ist das mit dem Komischen: Es hat immer auch Anteile, die ganz und gar nicht lustig sind, unversöhnlich und, weil gegen das offiziell Geltende gewendet, auch manchmal fatal. Torpedo ist sehr komisch.

Thomas Wörtche

Enrique Sanchez Abuli/Alex Toth/Jordi Bernet: Torpedo Bd. 1 – 5 (Torpedo, 1983–2004, Obra Completa, 2004) Comics. Deutsch von Silivia Krismann und Joaquim Balada Hartmann. Asperg: CrossCult/Amigo Grafik 2006–2008. pro Band ca. 150 Seiten. je 18,00 Euro.