Geschrieben am 16. April 2011 von für Crimemag, Film/Fernsehen

DVD-Review: Preis des Verbrechens (2)

Weiter geht es mit dem “Preis der Verbrechens”. Letzte Woche  hat Anna Veronica Wutschel schon Walker & Co. kommentiert, diese Woche hört sie damit nicht auf …
Fein! Wir wünschen beste Unterhaltung!

Walker & Co.

“Groß, dunkelhaarig und attraktiv”, so, räumt David Hayman in einem Interview ein, wollte das Drehbuch Det. Supt. Michael Walker sehen. Doch dann verguckte man sich in Hayman – ein Glücksfall, der sich als Segen für die Serie “Preis des Verbrechens” erweisen sollte. Hayman entspricht auch auf dem zweiten Blick kaum den Skript-Vorgaben des charming womanizers, doch spielt er sich als exquisiter Schauspieler mühelos über derartige Klischee-Vorstellungen hinweg. Wahrscheinlich gerade weil die Autorin und Produzentin Lynda La Plante ihrem Hauptdarsteller Hayman freie Hand bei der Entwicklung des Charakters von Det. Supt. Walker gab, brilliert diese Figur in ihrer Ambivalenz. Walker besticht durch Authentizität, die wohl vor allem in der impulsiven, zugleich fein auskalkulierten Balance von Vorhersehbarkeit und Unberechenbarkeit des Charakters liegt.

Das ungestüme Teufelchen …

Der obsessive Old-School-Vollblut-Polizist, der niemals ernsthaft Feierabend macht, reagiert wie besessen, wenn es darum geht, einen Täter zur Strecke zu bringen, in einem stetig persönlich werdenden Duell zwischen Jäger und Gejagtem, den Ring als Sieger zu verlassen. Wer von diesem Jagdinstinkt infiziert ist – das liegt auf der Hand –, kann nur schwerlich den schmalen Pfad des Gesetzes einhalten. Zugleich bietet diese ziemlich fanatisch anmutende Grundhaltung kein sonderlich solides Fundament für ein ausgeglichenes oder ausgleichendes Privatleben. Sicherlich hat der Mann mit der Bullterrier-Straßenkämpfermentalität die besten Absichten und einen weichen Kern. Dem Macho mit dem harten Job und den zuweilen vorsintflutlichen Ansichten bleibt jedoch nur wenig Zeit für seine Lieben. So steht er zumeist erst parat, wenn die Bude brennt. Auf seine sehr spezielle Weise ist Walker ein verlässlicher, loyaler Partner, dem man dennoch nie voll und ganz vertrauen sollte, da gar nicht so tief unter der Oberfläche verborgen immer auch das ungestüme Teufelchen rücksichtsloser Selbstsucht lauert.

Deutete sich in den beiden Episoden der ersten Staffel bereits ein kleiner Flirt zwischen Detective Inspector Pat North (Kate Buffery) und Walker an, ziehen die beiden so ungleichen Kollegen nun als Paar zusammen. So verschiebt sich in den vorliegenden zwei Folgen auch der Akzent der Serie und konzentriert sich verstärkt auf das Privatleben und die Charaktere der beiden Ermittler. Genau diese Schwenks ins Private hebeln allerdings La Plantes Geheimwaffe – Spannung und Emotionen dramaturgisch völlig ohne Kitschalarm und aufgesetzte Botschaft zu inszenieren – leicht aus den Fugen. Denn, und das schadet einer Geschichte immer, wird hier zuweilen mehr demonstriert als erzählt. So bleiben die zwei vorliegenden Folgen bezüglich der beiden Hauptfiguren gemessen an La Plants bewährter Verve zu analytisch, zu funktional. Walkers eigenwilliges Verhalten im Privatleben wird skizziert, während die taffe Pat North widerwillig zu einer Art Hausmütterchen mutiert. Liest man die Rolle der D.I. North als die einer späten Schwester der berüchtigten Detective Chief Inspector Jane Tennison (Helen Mirren in “Heißer Verdacht”), die ebenfalls La Plantes Feder entsprungen ist, kann man Pat North durchaus als Fortschreibung der Frau im Polizeidienst sehen. Die Institution Polizei ist immer noch eine von Männern dominierte Welt, die vor Sexismus nicht gefeit ist. Doch die Zeiten haben sich geändert, die Kampffront hat sich verschoben. Musste sich einst Jane Tennison gänzlich in ihrem Job aufreibe und blieb ihr kaum Zeit für ein Privatleben, wird North durch spezielle Förder- und Bildungsprogramme protegiert. Ihr größtes Problem ist zu diesem Zeitpunkt ihre Entscheidung, sich den Chauvinisten (Walker) in Heim und Bett geholt zu haben. Um dies und einiges andere zu veranschaulichen, wird Pat Norths (Privat-)Leben sehr pointiert, um nicht zu sagen, sehr bemüht und überladen vorgeführt.

http://www.youtube.com/watch?v=vRsoRnL0QZo

Wahn

Gleich in der ersten Folge “Mörderischer Wahn” gerät D.I. North in die verhängnisvolle Opferrolle. Eigentlich hatte Weinhändler Warrington (Richard E. Grant) den Behörden den von ihm ausgemachten Sündenpfuhl der Liederlichkeiten in seiner Nachbarschaft gemeldet. Doch obgleich er die Polizei mit Beschwerden über das vermeintliche Krankenschwester-Bordell überflutete, tat sich nichts! Unerhört, denkt sich Warrington und legt nach. Kaum lernt er bei erneuter Bezichtigung der Nachbarn Pat North kennen, entdeckt der Manisch-Depressive sein Stalker-Faible und belästigt fortan die fesche D.I. Der Kontakt zur Polizistin erscheint durchaus sinnvoll, belastet den krankhaft gestörten Moralapostel doch weitaus mehr als das Treiben seiner frivolen Nachbarn. Auch seine unbekömmliche Neigung, sich vor Schulkindern zu entblößen, erschwert ihm das Leben enorm. Während für Pat die Situation immer heikler wird, ist Det. Supt. Walker völlig in die Ermittlungen der vermissten 15-jährigen Cassie Booth eingespannt. Erste Spuren führen zum einflussreichen Geschäftsmann Wilding (Anthony Higgins), doch auch Warrington, dessen Gemütslage immer mehr ins Irrsinnige driftet, weiß mehr als ihm gut tut. Zwar ist der Kriminalfall eigentlich etwas zu dünn, um einen 3-stündigen Film zu füllen, aber die grandiose Leistung von Richard E. Grant, der den Weinhändler Warrington durch ungeahnte Sphären des Wahnsinns hetzt, entschädigt für die eher schmächtige Story sowie für kleine Dramaturgie-Holperer.

Abgrund

Die zweite Folge “Vorm Abgrund” führt North und Walker in eine weitere prekäre Situation, die ihre Beziehung auf eine harte Probe stellen wird. Vom Innenministerium gefördert, soll North einen acht Jahre zurückliegenden Fall aufrollen. Der homosexuelle James MacCready (James Wilby) soll damals seinen Lebensgefährten erstochen haben. Nun führt er dessen inzwischen 15-jährige Tochter als Entlastungszeugin an und geht in Berufung. Ein Fall, der North alle Möglichkeiten bietet, sich zu profilieren – gäbe es da nicht ein Problem: Pat muss gegen ihren Lebenspartner Walker antreten. Und MacCready beschuldigt den damals ermittelnden Walker nicht nur der aggressiven Voreingenommenheit Schwulen gegenüber. Doch ist es denkbar, dass Walker, um einen Unschuldigen hinter Gittern zu sehen, Beweismaterial manipulierte?

Allein die Konstellation, dass North eine Untersuchung gegen ihren Lebensgefährten führt, scheint überzogen. Doch auch der Kriminalfall, der sich in vielen düsteren Rückblenden in einem Labyrinth aus Lügen und verdrehten Wahrheiten verirrt, sorgt nur bedingt für Spannung.

Allerdings – das darf nicht vergessen werden – ist dies die Mäkelei einer durch La Plants bewährte Kunstgriffe Verwöhnten. Es ist nicht zu bestreiten, dass “Preis des Verbrechens” in der vorliegenden Staffel einen Durchhänger aufweist, doch schwächelt es definitiv auf hohem Niveau. Da mag man wahlweise über zu viele plakative Szenen aus dem Privatleben der Ermittler lamentieren oder über die vergleichsweise dürftige Spannung der Kriminalfälle sinnieren, letztlich beweisen La Plante und ihre Schauspieler-Riege auch im weniger Geglückten ein feines Händchen für Charaktere, Atmosphäre und konzentriert fokussierte Handlung. Sorge um den Fortgang der Serie muss man sich nicht machen. Nach einem beeindruckenden Auftakt und einer kurzen, etwas verstolperten zweiten Staffel versprechen bereits die nächsten Folgen wieder scharfsinnige, elegant ausbalancierte Krimikost.

Anna Veronica Wutschel

Der Preis des Verbrechens – Trial & Retribution, Volume 2 [4 DVDs]
Studio: Edel Motion. Laufzeit: 397 Minuten. Darsteller: David Hayman, Kate Buffery, Dorian Lough, Richard E. Grant, Patricia Potter, Corin Redgrave. Regie: Jo Johnson. Drehbuch: Lynda la Plante. Erscheinungstermin: 2010. Sprache: Deutsch (Dolby Digital 2.0), Englisch (Dolby Digital 2.0). Preis: 29,99 Euro

Tags : ,