Geschrieben am 2. Mai 2009 von für Crimemag, Kolumnen und Themen

Dr. Lehmanns Sach- und Warenkunde N° 8

Kleine Kriminalistik für Krimis

Heute: Gentests, der Fluch des Krimis. Der im Krimi sehr oft so leicht dahin gesprochene Satz: „Wir haben den Fluchtwagen gefunden, aber er hat keine verwertbaren Spuren enthalten“, ist im 21. Jahrhundert nicht mehr verwendbar. Da müssen Sie sich was anderes ausdenken, warum Sie und Ihre Ermittler Spuren ignorieren.

Denn es ist nahezu unmöglich, keine Genspuren an einem Ort zu hinterlassen, an dem man war. Alle Viertelstunde fällt uns ein Haar aus; wo wir hinfassen, hinterlassen wir Hautschuppen. Wenn wir niesen, sprühen wir Tröpfchen mit Zellen aus unserer Nasenschleimhaut an Türen und Wände. Wenn wir telefonieren spucken wir auf die Sprechmuschel, während unser Ohr Zellen an den Hörer schmiert. Ein winziger Blutstropfen reicht für die Polymerase-Kettenreaktion, mit der man Genprofile erstellt.

Der Genabdruck beruht auf der Tatsache, dass Menschen in ihrer Desoxyribonukleinsäure (DNS) bestimmte Gen-Sequenzen haben, die einmalig sind. Polizei und Medien verwenden inzwischen fast ausschließlich die amerikanische Abkürzung für deoxyribonucleic acid, DNA. Der Duden hält die deutsche Abkürzung DNS für veraltet. Ich nicht!

Beim Gen-Test werden zwischen 8 und 15 Abschnitte der DNS untersucht. Man vervielfältigt sie mit der sogenannten Polymerase-Kettenreaktion (PCR). Denn erst ab einer bestimmten Menge von DNS-Ketten lassen sich DNS-Leitern erstellen, also jene übereinander gestaffelten weiße Striche – die Banden – die je nach Dicke Auskunft darüber geben, wie häufig bestimmte, individuelle Gen-Sequenzen in der getesteten Probe sind.

Die individuelle Anordnung der Banden nennt man genetischen Fingerabdruck. Ich bevorzuge allerdings Genabdruck. Es handelt sich um eine reine Häufigkeitsanalyse. Mit dem Verfahren kann man keine individuelle Disposition für Erkrankung feststellen. Übrigens taugt diese Methode auch nicht, um das Geschlecht des Menschen festzustellen, von dem die Probe stammt. Dazu bedarf es spezieller Analysen. Die Genabdrücke eineiiger Zwillinge sind nahezu identisch, aber eben nur nahezu. Unterschiede kann man mit zusätzlichem Aufwand nachweisen.

Seit 1998 gibt es beim BKA eine DNA-Datenbank. In Deutschland werden Laboratorien, die bei den Landeskriminalämtern angesiedelt sind, damit beauftragt aus DNS-Proben die Teile herauszufiltern, die für eine Identifizierung nötig sind. Der Abgleich geschieht dann in der polizeilichen Datenbank. Das Labor weiß also nicht, ob die Probe ein Treffer war.

Christine Lehmann

Christine Lehmann & Manfred Büttner: Von Arsen bis Zielfahndung. Das aktuelle Handbuch für Krimiautorinnen und Neugierige.
Ariadne im Argument Verlag 2009. 250 Seiten. 16,90 Euro.

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