Kleine Kriminalistik für Krimis
Heute: Der letzte Zeuge. Bei der Obduktion einer Leiche geht es zuallererst darum, zu klären, woran der Mensch gestorben ist. Beispielsweise vor Ausbruch des Feuers oder eben durch die Explosion (Ruß in der Lunge), an einem Autounfall oder an einer vorangegangenen Vergiftung (toxisches Lungenödem), als er enthauptet wurde (Blut in der Lunge) oder doch schon davor, welche Handlung also tatsächlich für seinen Tod verantwortlich ist. Die Polizei versucht dann, die Handlung einem Täter zuzuordnen.
Theoretisch sieht die Rechtsmedizin alles, was einem Körper vor und nach seinem Tod angetan wurde. Wer eine originelle Todesart und deren rechtsmedizinische Entlarvung plant, muss selbst recherchieren, hier nur ein paar Basics:
Petechien – winzige rote Blutpünktchen unter der Haut im Gesicht und in den Augen – sind das Zeichen für den Innendruck, der beim Erwürgen oder Erdrosseln entsteht. Sie fehlen, wenn der Tod durch Herzstillstand – also reflektorisch – eingetreten ist oder wenn dem Opfer ein Kissen aufs Gesicht gedrückt oder ein Plastiksack über den Kopf gestülpt worden ist und kein Kampf stattgefunden hat. Ein verletzter Kehlkopf, gebrochene Hörner am Schilddrüsenknorpel oder am kleinen Zungenbein verraten eine Strangulation.
Bei Ertrunkenen schaut sich der Obduzent die Atemwege an, sucht nach Wasser in den Lungen und Kieselalgen im Blut. Findet sich nichts davon, war das Opfer schon tot, bevor es ins Wasser kam. Oder es ist wegen eines Stimmritzkrampfs kein Wasser in die Lunge gelangt. Beim Tod in Süßwasser ist die Lunge aufgebläht, trocken und schaumig, beim Ertrinken in Salzwasser ist sie aufgebläht. Wer durch Feuer gestorben ist, hat Ruß in der Lunge. Auch Kohlenmonoxid im Blut weist darauf hin, dass der Mensch noch geatmet hat, als das Feuer ausbrach.
In Wundkanälen sucht man nach Metall, Splittern oder Verunreinigungen der Stichwaffe oder Kugel und womöglich fremdem Genmaterial. Bei Verkehrsunfällen kann die Gerichtsmedizinerin aus den Knochenbrüchen auf den Aufprallwinkel und die Abfolge der Verletzungen schließen.
Außerdem sieht man dem Herzen und seinem Gewebe an, ob es einen Infarkt erlitten hat. Eine vergrößerte Leber deutet auf Alkoholismus oder auf eine Überdosis Paracetamol hin. Eine Entzündung der Nieren legt eine Vergiftung durch Metallsalze wie Quecksilber oder Blei nahe. Ein Gerichtsmediziner sollte außerdem eine gute Nase haben und seinen Geruchssinn bei der Sektion nicht mit Menthol zudecken. Dann kann er Ammoniak, Karbolsäure oder Zyanid riechen.
Christine Lehmann
Christine Lehmann & Manfred Büttner: Von Arsen bis Zielfahndung.
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