Geschrieben am 21. Februar 2009 von für Crimemag, Kolumnen und Themen

Dr. Lehmanns Sach- und Warenkunde N° 4

Kleine Kriminalistik für Krimis

Heute: Wie sprengt man einen Gastank? Gauner Gonzo rennt um seine Freiheit. Zwei Bullen sind hinter ihm her. Aber da steht auf der Straße ein Tankwagen. Er hat nicht Öl, sondern Propangas für Autotankstellen geladen. Alle für einen, denkt Gonzo, und richtet seien Pumpgun auf den Tankerbauch. Hei, wie die Polizisten wurzeln. Keiner traut sich zu schießen. Man könnte ja den Tanker treffen, und dann … Gute Idee für einen Krimi? Die Bilder werden das Herz eines jedes Pyromanen höher schlagen lassen. Aber leider …

Propangas wird in Tanks in flüssiger Form und unter Druck gelagert oder transportiert. Es ist eisig kalt. Wenn Gonzo in den Tank schießt oder einer der Polizisten ihn verfehlt und ebenfalls den Tank durchlöchert, dann zischt zwar Gas heraus, aber es vereist sofort und verschließt das Loch.

Auch wenn Gonzo ein Streichholz hineinsteckte oder in irgendeiner Form Funkenschlag ins Tankinnere bringen könnte, würde es nicht knallen. Denn der Tanker ist voll und volle Gastanks explodieren nicht.

Um einen Tanklaster zur Explosion zu bringen, muss man ihn leerziehen bis Unterdruck herrscht. Dann stellt man den Tanklaster drei Tage auf einen Parkplatz und lässt die Sonne drauf knallen. Das lässt die letzten Gasmoleküle aus den Innenwänden dampfen. Erreicht das Gas in der Innenluft des Tanks eine Konzentration zwischen 1,7 und 10,8 Prozent – was ja wirklich nicht viel ist – und lässt man dann durch ein Ventil eine Schraube hineinfallen, dass es funkt, oder hantiert man mit einem Gasanzünder, dann allerdings macht es gewaltig Puff.

Die Gastanks in Personenwagen sind bisher auch nie explodiert, wenn sie voll waren, sondern immer nur wenn einer meinte, er müsse etwas reparieren und dafür den Tank leer gemacht hat, vermeintlich leer! Denn es schwirren immer noch genügend Gasmoleküle herum, und wie gesagt, 1,7 Prozent reichen, und der Funke eines Akkuschraubers macht’s.

Gonzo ist ganz schlau, nimmt sein Feuerzeug und lässt die Flamme springen. Das herausströmende Gas soll ihm als Lunte dienen, denkt er sich. Falls jemand schießt. Die genügend niedrige Konzentration müsste Gas in einiger Entfernung vom Tanker haben, dort, wo es sich verflüchtigt. Allerdings ist, falls es nun knallt, nur Gonzo tot, sonst niemand, denn das Gas explodiert nur bis zur Tankeraußenwand. Für drinnen gilt wie oben: Ein voller Tank explodiert nicht. Und Gonzo ist nicht ganz dicht.

(Quelle: Einer, der solche Tanklaster fährt.)

Christine Lehmann

Christine Lehmann & Manfred Büttner: Von Arsen bis Zielfahndung. Das aktuelle Handbuch für Krimiautorinnen und Neugierige.
Ariadne im Argument Verlag 2009. 250 Seiten. 16,90 Euro.

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