Geschrieben am 2. Januar 2009 von für Crimemag, Kolumnen und Themen

Dr. Lehmanns Sach- und Warenkunde N° 1

Kleine Kriminalistik für Krimis

Was haben wir uns schon geärgert – wenn irgendetwas einfach nicht stimmt, in Roman, Fernsehen, Hörspiel und Film! Pistolen als Revolver bezeichnet werden und umgekehrt oder jemand in Sekunden zu Tode gewürgt wird. Abhilfe schafft damit ab heute in unregelmäßiger Folge Christine Lehmann.

Kleine Kriminalistik für Krimis – Wie stirbt ein Mensch?

Gucken Sie bei der Fernsehleiche auch immer, ob Sie die Halsschlagader noch pulsieren sehen?

Irgendwann liegt sie in jedem Krimi vor uns. Wie genau Sie sie beschreiben, hängt davon ab, was für eine Sorte Krimi Sie planen. Eine Komödie braucht keine Schaumpilze vor dem Mund und keine aufgeblähte Thalliumleiche. Wenn Sie aber ein hartes Sozialdrama planen, darf die Leiche auch ruhig stinken.

Und wie im Fernsehen sieht sie auch nicht aus. Ein Schlafender entspannt sich nie so wie ein Toter. Leichen sind 2-3 cm länger als Lebende, weil auch die Gelenke sich lockern. Tote haben keine Mimik. Denn dazu braucht man Gehirn und Nerven. Ihre Gesichter sind glatt und weiß, blau angelaufen oder kirschrot, je nach Todesart. Der Kiefer ist nach unten gesunken, die Gesichtsmuskeln sind schlaff, die Augen sind nur einen Spalt breit offen. Bei einem Mann treten nach einer Weile Bartstoppeln hervor, weil die umliegende Haut austrocknet und einsinkt. Und weil auch die Muskulatur sich entspannt, entleeren sich, spätestens wenn man die Leiche bewegt, Darm und Blase. Das ist der Grund, warum man Leichen wäscht, bevor man sie aufbahrt.

Und lassen Sie nie in den Armen von Hauptkommissar Kalle Krautkopf einen Kollegen mit einem Bauchschuss sein Leben aushauchen, während die Kamera in die Totale schwenkt. Sie und Ihr Kommissar machen sich unterlassener Hilfeleistung schuldig. Und ein Mensch ist noch lange nicht tot, wenn sein Herz stillsteht. Hauptkommissar Krautkopf sollte in jedem Fall den Notarzt rufen, falls er nicht ohnehin längst im Anmarsch ist, denn bei einer Schießerei mit zwei Polizisten ist der Rettungsdienst samt Notarzt nicht weit. Der angeschossene Polizist lässt sich vermutlich retten. Und wenn nicht, ist er als Organspender noch zu was nütze.

Ein Mensch stirbt in Etappen. Das Gehirn verlischt nach 5 – 15 Minuten ohne Sauerstoff. Doch ein Herz kann noch eine Viertelstunde nach dem Tod für eine Transplantation entnommen werden, für die Nieren hat man zwei Stunden Zeit, Hornhäute von Augen leben sogar noch 72 Stunden, und Spermien eine Woche.

Doch damit Kinder zu zeugen ist VERBOTEN, und hier reibt sich die Krimiautorin die Hände.

Christine Lehmann

Christine Lehmann & Manfred Büttner: Von Arsen bis Zielfahndung. Das aktuelle Handbuch für Krimiautorinnen und Neugierige.
Ariadne im Argument Verlag 2009. 250 Seiten. 16,90 Euro.

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