Geschrieben am 4. Juli 2009 von für Crimemag, Kolumnen und Themen

Dr. Lehmanns Sach- und Warenkunde N° 13

Kleine Kriminalistik für Krimis

Heute: Handschrift, Inszenierung und Profil . Das besondere Augenmerk der Fallanalytiker gilt dem Stress, dem der Täter ausgesetzt war. Unter Stress greifen Menschen auf eingeschliffene und vertraute Handlungsmuster zurück. Deshalb verrät das Verhalten des Täters in einer solchen Stresssituation viel über seine Persönlichkeitsstruktur.

Eine weitere Frage ist: Was hat er getan, was er nicht hätte tun müssen, um sein Opfer umzubringen? Das nennt man Handschrift. Dabei geht es um all die Handlungen, die ein Täter ausführt, um seine Fantasien umzusetzen. Beispielweise legt er die Leiche auf besondere Weise hin. Eine Handschrift ist übrigens nicht immer erkennbar.

Fantastische Inszenierungen am Tatort haben wir alle schon in Filmen gesehen, aber eine Inszenierung kann auch einfach nur der Versuch sein, eine andere Tat vorzutäuschen. Es gibt Serientäter, die am Tatort Spuren verändern, um z.B. einen Haushaltsunfall vorzutäuschen, wie der Regensburger Serienmörder Horst David, der allerdings an den Tatorten seine Fingerabdrücke hinterließ. Gerade bei der Inszenierung anderer Tatumstände machen Täter Fehler, weil sie nicht wissen, wie ein Tatort typischerweise bei bestimmten Verbrechen aussieht. Und weil sie unter Stress stehen.

Fallanalytiker sehen dem Tatort an, wie organisiert der Täter war. Hat er Waffen mitgebracht, dann gehört er zum planenden Typ. Hat er zum Töten verwendet, was sich am Tatort befand und sich auch keine Mühe gegeben, keine Spuren zu hinterlassen, dann gehört er zum nicht planenden Typ. Mischformen gibt es auch, beispielsweise, wenn das Geschehen eskaliert. Ein Sexualstraftäter, der spontan ein fremdes Opfer attackiert, hat eine andere psychische Struktur als ein planender Täter, der sein Opfer lange ausspäht. Deshalb gilt die Auswahl des Opfers als sehr aussagekräftig für die Tätertypisierung.

Die Frage, wie der Täter sein Opfer unter Kontrolle bringt, verrät wiederum viel darüber, welche verbalen und sozialen Fähigkeiten er hat. Lockt er sein Opfer mit List in seine Gewalt oder überfällt er es wortlos? Hält er es die ganze Zeit gefesselt, um jedes Risiko einer Flucht auszuschließen, oder kann er es mit verbalen Drohungen oder falschen Versprechungen in seiner Nähe halten? Hat das Opfer die Flucht gewagt, als er das Messer beiseite legte oder nicht? Das sind Fragen, die Rückschlüsse auf das Selbstbewusstsein, Bildungsstand und soziale Gewandtheit des Täters zulassen.

Übrigens: Serienkiller sind NICHT überdurchschnittlich intelligent! Die Minderbemittelten sind sogar die erfolgreicheren. Sie entgehen der Polizei um Jahre länger als die durchschnittlich Intelligenten.

Christine Lehmann

Christine Lehmann & Manfred Büttner: Von Arsen bis Zielfahndung. Das aktuelle Handbuch für Krimiautorinnen und Neugierige.
Ariadne im Argument Verlag 2009. 250 Seiten. 16,90 Euro.

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