Geschrieben am 28. November 2009 von für Crimemag, Kolumnen und Themen

Dr. Lehmanns Sach- und Warenkunde – Neue Folge N° 1

Kleine Kriminalistik für Krimis

Heute: Eine leblose Person wird gefunden, und nun? Aus Krimis kennen wir diverse Szenarien an Leichenfundorten. Mal zucken Blaulichter, mal herrscht allgemeine Montagmorgenmüdigkeit, mal stehen zwei einsame Polizisten herum. Meist gibt eine Rechtsmedizinerin erste Diagnosen ab. Und dann machen sich zwei Kommissare an die Arbeit. In Wirklichkeit …

Der Chef ist vom Stuhl gefallen und liegt regungslos auf dem Teppich. Da denkt die Sekretärin vermutlich nicht gleich an Mord, sondern an Herzinfarkt. Man ruft Hilfe über 110. Da kommt dann nicht die Polizei, sondern zuerst ein Notarzt. Nur der kann den Tod einer „leblosen Person“ feststellen. Stellt der Arzt außerdem fest, dass der Firmenchef keines natürlichen Todes gestorben ist, weil es Spuren von „Fremdeinwirkung“ gibt, rückt die Polizei an. Was die dann tut, nennt man „ersten Angriff der Polizei“. Der gehört zu den originären Aufgaben der Schutzpolizei: Personalien aufnehmen, Zeugen festhalten, Situation klären, Verstärkung anfordern. Es erscheinen die vom Kriminaldauerdienst oder gleich die vom Dezernat Tötungsdelikte und übernehmen. Beim kleinsten Hinweis auf eine Straftat alarmiert die Kriminalpolizei nun auch den Staatsanwalt. Dafür gibt es Rufbereitschaften. Es ist der Staatsanwalt, der die Ermittlungen leitet und Entscheidungen trifft, beispielsweise den Abtransport der Leiche in die Gerichtsmedizin anordnet. Die Kriminalkommissare versuchen derweil den Tathergang einzuschätzen und legen fest, was als Täterwissen in Betracht kommt und darum nicht herumgetratscht werden darf. Übrigens auch nicht unter den Kollegen vom Dezernat für Tötungsdelikte.

Die Kriminaltechniker, auch Tatortgruppe genannt, nehmen ihre Arbeit auf, vermessen den Fundort der Leiche, nehmen Staub-, Haar- und Faserproben mit kleinen Klebebändern von Boden, Möbeln und Kleidung, fotografieren, dokumentieren Blutspuren und so weiter. Erst dann wird die Leiche abtransportiert. Bei Tötungsdelikten arbeiten Staatsanwalt und Kriminalpolizei, zumindest am Anfang, eng zusammen und besprechen die Ermittlungsschritte. Nur der Staatsanwalt kann entscheiden, ob er Durchsuchungsbeschlüsse beantragt, welche Untersuchen die KTU und die Rechtsmedizin durchführen sollen, ob eine Soko gebildet wird und wie die Presse informiert wird.

Man beachte: Am Leichenfundort hat sich kein Rechtsmediziner über die Leiche gebeugt, Temperatur gemessen und Vermutungen abgegeben. Denn es ist eher selten, dass man den Rechtsmediziner zum Tatort ruft. Sein Arbeitsplatz ist der Sektionsraum im rechtsmedizinischen Institut. (Fortsetzung: Die Gerichtsmedizin)

Christine Lehmann

Christine Lehmann & Manfred Büttner: Von Arsen bis Zielfahndung. Das aktuelle Handbuch für Krimiautorinnen und Neugierige.
Ariadne im Argument Verlag 2009. 250 Seiten. 16,90 Euro.

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