Geschrieben am 11. November 2010 von für Carlos, Crimemag, Kolumnen und Themen

Carlos

Stuttgart 21, Birma & lesenswerte letzte Sätze

Carlo ist wieder da, seiner Krimischmiede entlaufen und free wheeling durch die Gegend tobend!

Alle 14 Tage! Enjoy!

Wahrlich, ich sage euch! In diesen Minuten, an eben diesem grauen Tag im Herbst findet eine heiße Schreibschlacht statt, die so gar nicht zum still verharrenden Wolkenklopps passen will, der den Himmel verhängt und die Seelen verdüstert. Jetzt, jetzt, jetzt schreiben Kollegen und Kolleginnen, wilde rauchende Lebemänner, beinharte Asketen, verträumte Studienrätinnen, katzenhaltende Versager, Knallpfeifen, Tastenmaxe, Genreknechte um die Wette, denn nur der Erste wird was davon haben, der aber wohl zunächst mal gar nicht wenig:

Den Stuttgart 21 Enthüllungs- Schlüssel- oder besser gesagt: Eventuell-könnte-es-ein-bisschen-so-gewesen-sein-Roman.

Allerdings: Die Sache hat einen Haken, Brüder und Schwestern! Bereits die Wirklichkeit kommt im Falle unserer Südwestschlacht etwas verschwommen daher – wenn man die Betroffenheitspampe einerseits, die tollen Lügen der Mappusbande andererseits abzieht, bleibt ein recht zähes Ringen von Expertenmenschen, dem zumindest ich schwaches Licht keine elf Minuten folgen kann, ohne planlos im Schnapsschrank zu wühlen. Wie viel Züge in wie viel Minuten auf welcher Trasse und dann gibt es mehr diese und daher auch solche, welche dann Pommesbuden, die wiederum aus einem Hartzvierer einen Unternehmer … was weiß denn ich. Klar: BaWü schert sich sowieso nicht um den Denkmalschutz, aber da ist Stuttgart nur ein Beispiel, und allerdings, ob Ordnungshütern zum Zwecke der Verteidigung einer Abrissbirne nur die Methode Taliban zur Verfügung steht (Greise blenden, Kinder verhauen), darf bezweifelt werden. Aber zum Krimi wird das erst mit (einmal mehr und – o Weltenlenker – wie oft denn noch?) einer zünftigen Verschwörungstheorie.

Hier hätte ich einen Tipp: Birma. Da geschieht Unrecht, das weiß jeder und kaum einer viel mehr, Generäle brauchen Geld oder haben Geld und die Wahlen grade jetzt, zum ersten Mal seit zwanzig Jahren … Fällt denn niemandem was auf?

Andererseits: „Der Streit um ein Eisenbahnprojekt darf nicht dazu führen, dass Menschen verletzt werden – weder unter den Demonstranten noch unter unseren Polizistinnen und Polizisten.“

Das sind Worte des Ministerpräsidenten Mappus, die so grundehrlich, authentisch, gerecht und waidwund-schuldig klingen, die müssen einfach wahr sein – und dann passen Birmas skrupellose Generäle wieder nicht.

Wer traut sich denn daran: Die Verschwörung findet bei den Gegnern statt! Viel Innenperspektive des verkannten, kennedyesken pforzheimer Ministerpräsidenten, sein Ringen um eine ökologische Schnellerschließung und also Errettung der debil und inzüchtig vor sich hintrinkenden Oberschwaben – und dann der Schwenk zu zynischen Pseudogrünen, bestochen von Taximafia, Busmogulen, kinderarbeitsbetriebenen Ulmer Mitfahrzentralen und ihrem schändlichen Hilfspersonal: Rentner, die schon vorher blind sind, devote Kleinwüchsige, die es erregt, sich als Kinder auszugeben und von uniformierten strammen Herren den Stock zu fühlen, das Geißlerdouble von der Stasi.

Traut sich keiner – nicht jetzt, wo die Grünen sogar richtig mächtig werden. Und die SED, pardon, also die halt.

Und ich habe auch keine Lust.

Lust habe ich vielmehr auf folgende letzte Sätze in tollen neuen Romanen, es müssen ja nicht immer Krimis sein, scheißegal, was sie wären, ich läse sie und finge begeistert von vorne an:

Daniela gab ihm den Kürbis, er errötete (also er, nicht der Kürbis).

Feldpfarrer Stremel steuert den britischen Dienstwagen am havarierten Panzer der Aufständischen vorbei, nicht ohne den Blick von den erhängten Spioninnen abzuwenden, eine heißt wie seine Tochter Horst.

Am nächsten Tag reicht der Kommissar sein Gesuch um Entlassung aus dem Dienst ein.

„Nach all den Jahren weiß ich immer noch nicht, wer du bist“, sagte er zu ihr oder war es ein er, war überhaupt jemand da – der Taubblinde seufzte.

Bürgerrechtler Jim Todt leidet nun schon dreißig Jahre an Histamin-Intoleranz, sowie überhaupt Intoleranz, denn er sitzt (unschuldig) in einem nationalsozialistisch unterwanderten Todestrakt des östlich der kleinen Quäckerstadt New Quedlinburg/Texas gelegenen Gefängnisses in siebziger Jahre Leichtbetonbauweise, aber er weiß, es gibt jetzt eine neue Hoffnung, genauer gesagt drei, nämlich Jesus, Gwendolin und die Reis-Kartoffeldiät nach Dr. P. Enis.

Schal klang der Ruf der Amsel über die brachen Felder, Tobias lehnte sich an den Pflug, schaute in den grauen Himmel, was blieb ihm anderes übrig, als Daniela zu lieben und wie würden sie die Kinder nennen?

Pfarrer Fliege ist seitdem verschollen.

Und jetzt: Einer dieser Sätze ist echt, nicht von mir zusammengelogen, wobei es leider nicht der bezeichnete Pfarrer Fliege ist.

Nein, es ist der seltsam verstauchte:

Am nächsten Tag reicht der Kommissar sein Gesuch um Entlassung aus dem Dienst ein.

Letzter Satz im großartigen Kriminalroman „Der Sündenbock“ der großartigen, noch großartigeren Luise Rinser, diesem nicht Stück, sondern Brocken Literaturgeschichte.

Der Amtsrichter ist atemlos. Er fällt in wilder Hast dem Kommissar beinahe über die Schwelle des Hauses.

Aus demselben Buch. Einfach bombig!

Bei der Rinser habe ich mich ja auch schon früher über ihre Liebe zum nordkoreanischen Sozialismus gefreut, da fällt mir Stuttgart 21 wieder ein – das wärs doch auch: Kims Doppelspiel mit Gegner und Gegnergegnern zum Zwecke der Ablenkung der Weltgemeinschaft von dem Bömblein, das er auf Seoul … Schluss mit dem Scheiß.

Carlo Schäfer

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