Geschrieben am 14. Februar 2015 von für Carlos, Crimemag

Carlos

carlos42

Carlo hat seine Plagegeister. Schlimme Sache. Aber man kann sie loswerden, man kann sie immer wieder bearbeiten.

Heute: Wolf Biermann

Wie schön! Wolf Biermann hat mir ein Interview gegeben! Man braucht Menschen, zu denen man aufschauen kann, gerade in schlimmen Zeiten. (Pegida, der Garten meiner Nachbarn, Freiburg auf Abstiegsplatz …)
Ja, doch, er hat es nicht direkt mir gegeben, sondern dem Käseblatt „Christ und Welt“ im Jahre 2013. Das Original, das ich kräftig gekürzt, dessen Wortlaut ich allerdings nicht verändert habe, findet sich hier. Dort finden sich auch noch allerhand Tollheiten, u. a. die kühne, kaum verhohlene Selbstgleichsetzung des Herrn Biermann mit Jesus von Nazareth. Aber auch in diesen folgenden kleinen Ausschnitten finden sich Preziosen, neben den üblichen irren Selbstbelobigungen auch recht viel An-Sich-Irres, z. B. bereits bei der ersten Frage:

Carlos: Herr Biermann, sind Sie ein Wutbürger?
Wolf Biermann:
Weder Wut noch Bürger. Eher Zorn und Citoyen. Wer die Leute wirklich „rockt“, der muss nicht grölen „We will rock you!“.

Aha! Supershow, Beerman! Und tolle semantische Pyrotechnik am Anfang. Aber er kann auch Mathe.

Das klingt aber nicht gerade rebellisch.
Biermann:
Manchmal ist Provokation nötig – Provokation tut manchmal not und ist not-wendig, aber nicht „hinreichend“, wie die Mathematiker sagen.

Das sagen sie also, die Mathematiker. Aber Biermann bleibt nicht an der Logik hängen:

Ist in einem freien Land das Protestieren nur eine Attitüde?
Biermann:
Die Freiheiten in der Demokratie, auf die man nicht trainiert ist, können mehr wehtun als Diktatur.

Ein durchaus rätselhafter Satz, der einem, so man in gutem Trainingszustand ist, die Übersiedlung in eine Diktatur nahezulegen scheint. Hat er deshalb CDU gewählt?

Ist denn Rebellion ein Privileg der Jugend?
Biermann:
Es sieht so aus. Die Barrikade funktioniert da wie ein Affenfelsen, auch wenn wir Kleider und Hosen tragen und uns die Zähne putzen.

Ja, also, er stimmt der rhetorischen Frage des fantasievollen Reporters zu. Der Rest ist ein etwas seltsames Bild, der junge Wolfi mit der DDR-Putzicreme auf dem Affenfelsen in Kleid oder Hose und das ist dann die Barrikade, irgendwie …

Wann haben Sie gemerkt, dass die Bundesrepublik es wert ist, von Ihnen verteidigt zu werden?
Biermann:
Spät. Dennoch dämmerte mir schon im Osten, dass westliche Freiheiten besser sind als stalinistische Diktatur.

„Dämmern“ scheint Wolfis Zornbirneninnenleben recht eigentlich immer zu beschreiben. Hinreichend.

Sie sagten einmal: Dort wo wirklich gekämpft wird, mögen die Menschen lieber leisere Lieder, während die Salonrevoluzzer gern revolutionäre Lieder hören.
Biermann:
Das war wohl immer so! Knallhart sind immer nur die Weicheier. Da können Sie fast die Uhr nach stellen. Ich habe nie geherrscht, nie gehorcht.

Diesen letzten Satz habe ich aus einer anderen Antwort, das will ich zugeben. Aber das macht nichts. Er passt zu fast jeder Frage, probier’ es, lieber Leser, aus!

Aber ob ein Widerstand fruchtet, hängt doch auch davon ab, ob der Zeitgeist dafür empfänglich ist. Die Bürger, die in Stuttgart gegen den Bahnhofsumbau rebellieren, werden vom Rest der Republik als hinterwäldlerische Wutbürger belächelt …
Biermann:
Das sind sie für mich doch auch.

Das soll man nicht verstehen. Vielleicht hat er eine große Märklin im Keller.

Machen Ihnen Ihre Kinder etwas nach?
Biermann:
Feiglinge sind sie jedenfalls nicht.

Man ahnt so ganz leicht, was er damit in Bezug auf sich mitschwingen lässt. Er ist schon ganz schön widerlich, der tapfere Zornzausel, auweia.

Carlo Schäfer

Mehr von Carlos gibt es hier. Und zu seinem eBook Tod dreier Männer bei CulturBooks.

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