Kriegsheimkehrer*innen

Ein Textauszug aus dem Buch
Bruno Cabanes (Hg.): Eine Geschichte des Krieges. Vom 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart (Une histoire de la guerre. Du XIXe siècle à nos jours, 2018). Unter Mitarbeit von Thomas Dodman, Hervé Mazurel und Gene Tempest. Mit Beiträgen von 57 Autorinnen und Autoren. Aus dem Französischen von Daniel Fastner, Michael Halfbrodt und Felix Kurz. Hamburger Edition, Hamburg 2020. Gebunden, 903 Seiten, umfangreicher Index, 39 Euro. – Kurzbesprechung in dieser Ausgabe in unserer Rubrik „non fiction, kurz„.
Kriegsveteranen bildeten nicht immer eine bestimmte soziale Gruppe. Dazu mussten sie erst Verbände gründen, konkrete Rechte erhalten oder auch sich unter gemeinsamen Ideologien sammeln. Dessen ungeachtet blieb die Rückkehr aus dem Krieg für manche lange eine schwierige Erfahrung.
Zu Beginn der 1980er Jahre von der Architektin Maya Lin entworfen, zieht sich das Vietnam Veterans Memorial wie eine lange schwarze Narbe durch den meistbesuchten Gedenkort der amerikanischen Hauptstadt, The Mall. Auf der polierten Oberfläche, in der sich die Gesichter der Besucher spiegeln, sind die Namen der Toten und Vermissten eingemeißelt. Häufig nähert sich ein Besucher mit einem Blatt Papier in der Hand. Mit einem Bleistift paust er den Namen eines Verwandten, eines Kameraden durch und hinterlässt im Tausch eine Botschaft, ein Fähnchen, ein paar Blumen, ein symbolisches Objekt: einen Orden, ein Foto, manchmal einfach eine Bierdose … Angenommen, ein Soldat aus den Napoleonischen Kriegen würde dieser Szene beiwohnen. Für diese Person aus dem frühen 19. Jahrhundert gäbe es nichts Ungewöhnlicheres als die Heimkehr aus den heutigen Kriegen. Was würde er im Übrigen von diesen Ritualen verstehen, die sich Tag und Nacht vor dem Denkmal abspielen, diesen Gesten, dieser Hingabe? Abgesehen von der räumlichen Anordnung des Denkmals und seiner Farbe, einem tiefen Schwarz, würde ihm diese Aneinanderreihung von Namen rätselhaft erscheinen, ebenso wie die Vorstellung einer Gemeinschaft von Veteranen, die eigentlich erst in den 1860er Jahren, im Amerikanischen Bürgerkrieg, aufkam.
Die Rückkehr der Soldaten ist ein komplexes historisches Thema, schon aus dem einfachen Grund, weil es vielerlei Arten gibt, den Krieg hinter sich zu lassen. Militärische Demobilisierungen zum Beispiel unterscheiden sich von dem, was man mittlerweile kulturelle Demobilisierungen nennt, das heißt die Zeit, die notwendig ist, um neue Beziehungen zu den ehemaligen Feinden zu knüpfen und sich vom Krieg abzuwenden. Eine Zeit, die manchmal relativ kurz, manchmal unendlich lang sein kann.
Auf diese beiden unterschiedlichen Prozesse übt der historische Kontext seinen Einfluss aus. Ein Konflikt kann mit einem Sieg oder einer Nieder- lage enden; eine gewisse Legitimität in den Augen der Öffentlichkeit genießen oder als unentschuldbar wahrgenommen werden. Manchmal hat er die Bewohner eines Landes gegeneinander aufgebracht, lokale Gemeinschaften und Familien gespalten. Militärische Demobilisierungen können schließlich innerhalb kurzer Zeit und auf kollektive Weise erfolgen, wie bei den Soldaten des Ersten Weltkrieges, oder individuell und im Laufe des Konflikts, wie im Algerien- oder Vietnamkrieg. Daher der Befund: Der »ewige Veteran«, den manche Autoren glaubten, ausmachen zu können, indem sie die Heimkehr aus heutigen Kriegen im Lichte der homerischen Legende von der Heimkehr des Odysseus interpretierten, existiert nicht, selbst wenn der Übergang vom Krieg zum Frieden, wie wir noch sehen werden, gewisse Vergleiche zwischen verschiedenen Konflikten zulässt. Die Geschichte der Veteranen als soziale Gruppe ist Teil der Geschichte des Kriegsendes. Mit ihr möchten wir beginnen, indem wir sie in groben Zügen nachzeichnen.
Stigmatisiert oder wertgeschätzt
Die Napoleonischen Kriege geben Anlass zur ersten massenhaften Kriegsheimkehr des 19. Jahrhunderts. Zwischen 1804 und 1815 dienten 1666000 Franzosen in der Grande Armée – zumeist Männer aus beschei- denen Verhältnissen, die das falsche Los gezogen hatten, oder »Ersatzleute« für wohlhabendere Wehrpflichtige. Man schätzt, dass 1100000 nach Waterloo heimkehrten. Betrachtet man die Vorgänge in Zentraleuropa, so ist die ganze Periode von 1793 bis 1815, nicht nur der finale Sieg über den Kaiser, von einer Reihe von Demobilisierungen gekennzeichnet, abhängig von Budgetkürzungen, Grenzverschiebungen oder Friedensverträgen. Der im Oktober 1809 unterzeichnete Frieden von Schönbrunn beispielsweise reduziert die österreichische Armee auf 150000 Mann. Die Demobilisierungserfahrung ist also extrem unterschiedlich, je nachdem, ob es sich um Offiziere oder Soldaten handelt und unter Letzteren um reguläre Soldaten, Angehörige von Milizen oder Freiwillige, oder unter welchen Umständen die Heeresbestände verringert werden: Armeereformen, militärische Niederlagen …

In Frankreich wird der alte Soldat zur wiederkehrenden Gestalt in den Kunstwerken der Restauration und der Julimonarchie, im Roman (die Figuren des Goguelat und des Gondrin in Balzacs Der Landarzt), im Theater, in den populären Chansons von Béranger und Émile Debraux. Bilden die Veteranen deshalb schon eine klar definierte soziale Gruppe? Das ist keineswegs ausgemacht. Es gibt noch keine Verbände in dieser Zeit, keine konkreten Rechte, nicht einmal eine gemeinsame Ideologie. Bekanntlich waren die napoleonischen Offiziersrentner nicht alle und immer im Kaiserkult vereint, wie bereits Paul Huets Gemälde Le Retour du grognard (1821) andeutete, dessen einsamer, unter einem Gewitterhimmel dahinreitender Soldat eine gewisse Desillusionierung zum Ausdruck bringt. Diese Männer erhielten einen Ruhestandssold erst nach dreißig Jahren Dienst – was nahezu die Gesamtheit der 1804 verpflichteten Kombattanten ausschloss, selbst wenn die Kriegsjahre doppelt zählten. Eine Ausnahme bildeten lediglich die im Kampf versehrten oder erblindeten Soldaten, weil sie nicht mehr für sich selbst sorgen konnten. In jedem Fall blieb der Rentensold gering: maximal 150 Franc pro Jahr, die Hälfte weniger als ein Tagelöhner.
Während eines Großteils des 19. Jahrhunderts sind die Veteranen also arm, manchmal werden sie gefürchtet und stigmatisiert. In Japan folgt auf die Einführung der Wehrpflicht 1873 und die anschließende Saga-Rebellion ehemaliger Angehöriger der Samuraiklasse (1874) die Schaffung von Militärrenten (onkyu), für die Landstreitkräfte im April 1875, für die Marine im August 1875, die mehr eine Vergünstigung für geleistete Dienste als ein Recht darstellen. Der Versorgungsbedarf ist umso dringlicher, als die Zahl der Verwundeten im Chinesisch-Japanischen Krieg (1894–1895) und im Russisch-Japanischen Krieg (1904–1905) in spektakuläre Höhen steigt. In einer Gesellschaft, in der viele Wehrpflichtige bäuerlicher Herkunft die einzige Einkommensquelle ihrer Eltern darstellen, wenn diese zu alt sind, um das Land zu bebauen, erweisen sich die Renten als ungenügend und müssen durch die öffentliche Wohlfahrt ergänzt werden – die etwa von den Ortsgruppen der 1901 gegründeten Aikoku Fujinkai (wörtlich: Vereinigung patriotischer Frauen) organisiert wird. Im April 1906 gründet die Regierung eine Agentur für Kriegsinvaliden, die Büros in Tokio, Osaka und Kokura eröffnet. Dennoch leben viele Veteranen weiterhin von der Bettelei, wie zur selben Zeit auch in Europa. In seinem Bild Rue Mosnier mit Fahnen (1878) kontrastiert Manet das mit Trikoloren geschmückte Pa- ris mit der flüchtigen Silhouette eines Kriegsversehrten, wie um die Un- gleichheit in einer Gesellschaft zu betonen, in der die Veteranen immer noch in bitterer Armut leben.

Zumindest wurden die Veteranen der Napoleonischen Kriege mit der Erinnerung an ein großes Heldenepos in Verbindung gebracht, das die Gemälde von Gros und David, Géricault oder Vernet verherrlichten und das über populäre Holzschnitte, die als Hökerware vertrieben wurden, in die Bevölkerung gelangte. Dank der Fortschritte des Druckwesens konnte jeder Haushalt für eine bescheidene Summe sein Bild des Kaisers, eines uniformierten Kavallerieoffiziers oder eines Soldaten der Grande Armée erwerben. Nichts dergleichen galt für die französischen Veteranen des Krieges von 1870/71. Sie trugen den Makel der demütigenden Niederlage von Sedan und wurden nur auf der Ebene ihres Dorfes oder ihrer Stadt gewürdigt. Es sollte mehr als zwanzig Jahre dauern, bis sich ein Landesverband der Veteranen des Deutsch-Französischen Krieges bildete, und erst 1911 wurden sie mit einem speziellen Orden geehrt: ein eklatanter Kontrast zur unverzüglichen Ausgabe entsprechender Auszeichnungen nach den französischen Kolonialfeldzügen, wie der Tonkinmedaille (1885), dem Madagaskar- (1886 und 1896) oder dem Marokko-Orden (1909).
Im Bereich der Verwundetenbetreuung wurde erst nach dem Ersten Weltkrieg die Wohlfahrt, der sich die Kriegsinvaliden anvertrauen mussten, um zu überleben, allmählich, nicht zuletzt auf Druck der Veteranenverbände, durch die Zuerkennung konkreter Rechte abgelöst. Tatsächlich beschränkte sich die Vorstellung, dass »Kriegsopfer« (ein seinerzeit noch ziemlich neuer Begriff) Rechte haben, auf die westliche Welt. In Japan zum Beispiel verfügt das Gesetz vom Juli 1917, das eher einer karitativen Logik entspringt, dass sich die Unterstützung für Kriegsversehrte und die Familien im Kampf Gefallener auf das strikte Überlebensminimum beschränken muss. In Europa hingegen, wo 20 Millionen Kombattanten zwischen 1914 und 1918 verwundet wurden und acht Millionen Veteranen an Behin- derungen verschiedener Art leiden, bildet sich eine Definition von Rechten (auf eine Rente, eine Arbeit …) heraus, die »Kriegsopfern« (Veteranen, Kriegswitwen und -waisen) zustehen, und zwar zugleich als kollektive Würdigung der Bürgersoldaten und Anerkennung der Gemeinschaft, dass sie ihnen gegenüber in der Schuld steht. Die vor der Katastrophe des Ersten Weltkrieges bestehenden Pensionsgesetze waren vollkommen unzu- reichend. In Frankreich galt noch ein Gesetz von 1831. Erinnerte man sich daran, dass es die Verwundeten zwang, mithilfe von Zeugen zu beweisen, dass sie ihre Verwundungen tatsächlich auf dem Schlachtfeld erhalten hatten? Die 1919 eingeführten Gesetzesnovellen sind mit einer Klassifizierung der Verwundungen verbunden und entsprechenden Entschädigungssätzen, deren Absurdität den Zeitgenossen nicht entgeht. Ist die Amputation eines Beines schlimmer als die eines Armes? Wie lässt sich der Schaden bewerten, der aus dem Verlust eines Daumens, einer Hand oder der rechten statt der linken Hand entsteht?
Mit den globalen Konflikten des frühen 20. Jahrhunderts steigt die Zahl demobilisierter Soldaten beträchtlich an: ungefähr 60 Millionen Kombat- tanten, darunter ein Drittel Verwundete, nach dem Ersten Weltkrieg, in etwa die gleiche Zahl nach dem Zweiten Weltkrieg. Das sind erhebliche Menschenmassen, die ins Zivilleben überführt und in die Friedenswirt- schaft eingegliedert werden müssen. 1918 wie 1945 drückt der unerbittliche ideologische Kampf, der auf den Schlachtfeldern und an der Heimatfront tobt, den Siegernationen, und wahrscheinlich mehr noch den Verlierern, seinen Stempel auf. Der Sieg geht mit einem Wunsch nach Rache einher, der sich in den Besatzungstruppen bemerkbar macht; die Niederlage mit einem Gefühl von Demütigung vor dem Hintergrund kollektiver Angst.

In seinem Film Deutschland im Jahre Null (1948) macht Roberto Rossellini die Figur des großen Bruders, Karl-Heinz Köhler, der sich in den Ruinen von Berlin versteckt halten muss, zum Inbegriff der Frustration eines besiegten Landes. 1945 befinden sich um die drei Millionen deutsche Kriegsgefangene in der Gewalt der Alliierten in Nordwesteuropa; weitere 2,8 Millionen in russischer Gefangenschaft, wo nahezu ein Viertel stirbt (diese Zahlen sind übrigens höchst umstritten). Zehn Jahre später kehrt der letzte Soldat, der sich noch in russischen Lagern befindet, nach Westdeutschland zurück, als Folge der Moskaureise von Kanzler Adenauer im September 1955. »Erst die Rückkehr des letzten Kriegsgefangenen vermittelt uns das Bewusstsein, eine mit anderen gleichberechtigte Nation zu sein«, versichert ein Zeitgenosse. »Denn kein Staat ist wirklich souverän, wenn er hinnehmen muss, dass auch nur einer seiner Bürger im Ausland zwangsweise festgehalten wird.« Die Rückkehr aus der Hölle der sowje- tischen Lager hat andere kollektive Vorteile: Sie vermittelt der deutschen Bevölkerung ein Bild von Widerstandsfähigkeit und ermöglicht es, die im Zweiten Weltkrieg begangenen Kriegsverbrechen zu relativieren. Die ost- deutschen Führer wiederum gehen davon aus, dass die Gefangenschaft in der UdSSR die ehemaligen Wehrmachtsangehörigen ideologisch umerzogen habe, was eine unerlässliche Voraussetzung für ihre Eingliederung in die kommunistische DDR-Gesellschaft sei.

Die Historiker haben oft über die »Kultur der Niederlage« (Wolfgang Schievelbusch) und die von ihr erzeugten Traumata gearbeitet, weniger über die »Kultur des Sieges« und ihre Zweideutigkeiten. Nach dem Amerikanischen Bürgerkrieg blieb die materielle Lage der siegreichen Unionssoldaten prekär. Der Wunsch ihrer Landsleute, so schnell wie möglich einen Schlussstrich unter den Krieg zu ziehen, erleichterte es, sie mitsamt ihrer physischen und psychischen Beeinträchtigungen an den Rand der Nachkriegsgesellschaft zu drängen. Ähnliches gilt für die französischen Soldaten von 1918/19, die von der Erinnerung an ihre gefallenen Kameraden erdrückt wurden, oder die Amerikaner 1945. William Wylers Film Die besten Jahre unseres Lebens (1946), der vom Schicksal dreier Veteranen handelt, enthält für sich genommen schon eine Zusammenfassung der vielen Probleme dieser Rückkehr ins siegreiche Amerika: die Verständnislosigkeit der Familien, die Beschäftigungskrise, die Verhaltensstörungen, die Marginalisierung der Kriegsversehrten. 1947 war die Hälfte der Krankenhausbetten für Veteranen von Männern mit psychischen Störungen belegt. Man ist weit entfernt vom Mythos der greatest generation, den der Journalist Tom Brokaw gegen Ende der 1990er Jahre aufbrachte.
Eines der beredtesten Beispiele für die Diskrepanz zwischen offizieller Rhetorik und der Realität der Kriegsheimkehr liefert die Sowjetunion. Im Mai 1945 hatte das Land einen hohen Preis für seinen Sieg über Deutsch- land gezahlt: Nahezu jeder siebte Sowjetbürger war entweder im Kampf gefallen oder unter deutscher Besatzung an Hunger oder kriegsbedingten Seuchen gestorben. Da das Stalin-Regime sein Ansehen aus dem Sieg über den Nationalsozialismus bezieht, verspricht es seinen Veteranen eine rasche Verbesserung ihrer Lebensbedingungen. Tatsächlich werden ehemalige Kriegsgefangene, die man des Verrats beschuldigt, sofort in Arbeitslager überstellt, um sie von der in Gefangenenschaft erfahrenen Indoktrinierung zu befreien. Ab Herbst 1947 verschlechtert sich die allgemeine Lage der Veteranen. Wer noch kann, geht zum Arbeiten in die Fabriken, im Namen einer produktivistischen Ideologie, die für sich in Anspruch nimmt, alle psychisch Kranken der Roten Armee durch Arbeit heilen und in ihrer Männlichkeit wiederherstellen zu können. Die Kriegs- versehrten allerdings sind zu einem Leben im Elend verurteilt. Nach Zahlen, die in den 1990er Jahren, nach dem Sturz des kommunistischen Regimes, veröffentlicht wurden, erhielten von 22 Millionen sowjetischen Verwundeten nur 2,7 Millionen den begehrten Status des Kriegsinvaliden, der mit dem Anrecht auf eine Rente, eine Prothese oder einen angemessenen Arbeitsplatz verbunden war. In den Briefen und Gesuchen an die Behörden, die der Historiker Mark Edele untersucht hat, offenbart sich die Verzweiflung dieser Millionen von Menschen, die auf die Hilfe ihrer Familien oder Freundeskreise angewiesen waren, um zu überleben. Schließlich kam 1956 ein sowjetisches Kriegsveteranenkomitee zustande, doch handelte es sich um eine reine Scheininstitution, ein Instrument staatlicher Propaganda im Kalten Krieg. Ende der 1970er Jahre entstanden lokale Komitees. Doch noch 1988 warteten 800 000 Veteranen auf den Telefonanschluss, den man ihnen versprochen hatte.
Die Gründung von Interessenverbänden und ihre Einflussnahme auf die lokale und staatliche Politik sind letztlich in den meisten Ländern der Schüssel zur Verbesserung der Lebensbedingungen von Kriegsveteranen, seit dem Ende des Sezessionskrieges: Grand Army of the Republic, American Legion, Veterans of Foreign Wars, Vietnam Veterans Association, Iraq and Afghanistan Veterans Association in den Vereinigten Staaten, Returned and Services League (RSL) in Australien, British Legion im Vereinigten Königreich, so lauten einige der Namen. In Frankreich spielten die während des Ersten Weltkrieges entstandenen Versehrtenverbände eine entscheidende Rolle bei der Entstehung einer grenzüberschreitenden Politik der Veteranenhilfe innerhalb der Internationalen Arbeitsorganisation. Umgekehrt ist China eines der wenigen Länder auf der Welt, das Millionen von Soldaten mobilisierte, ohne die Herausbildung eines spezifischen Gedenkens für Veteranen zuzulassen. Es gibt weder eine Organisation noch einen Gedenktag, vergleichbar mit dem Veterans Day oder Memorial Day in den USA.
Der Kalte Krieg, der seit Ende der 1940er Jahre den ideologischen Rahmen für die meisten Formen der Kriegsheimkehr abgibt, bietet keine Garantie dafür, dass die von den Soldaten erbrachten Opfer besser gewürdigt werden. Das zeigt der Fall der amerikanischen Koreakriegsveteranen, vor allem wenn man diesen »vergessenen Krieg«, der von den Vereinigten Staaten nie offiziell erklärt und lediglich durch einen Waffenstillstand unterbrochen wurde, mit der Situation der greatest generation des Zweiten Weltkrieges vergleicht und den Veterans Readjustment Assistance Act von 1952 mit dem Servicemen’s Readjustment Act oder GI Bill von 1944, die großzügiger sind unter dem Aspekt des Bildungszugangs und der Beschäftigungsförderung. Die Ehemaligen des Koreakrieges haben lange unter diesem kollektiven Vergessen gelitten. Es dauerte bis zum 25. Juni 1991, 38 Jahre nach dem Waffenstillstand von 1953, bis schließlich ihnen zu Ehren eine Parade auf dem Broadway ausgerichtet wurde, einige Tage nach der Parade für die Veteranen der Operation Desert Storm (10. Juni 1991), die gerade erst zu Ende gegangen war.
Andererseits spielte in vielen Ländern, die einen antiimperialistischen Kampf führten, die soziale Gruppe der Veteranen seit den 1960er Jahren eine Schlüsselrolle in der Nachkriegspolitik: zum Beispiel in Algerien, dessen politische Elite seit 1962 aus Veteranen des Krieges gegen das Mutterland besteht. Um für das Amt des Präsidenten wählbar zu sein, schreibt die algerische Verfassung jedem Kandidaten vor, »seine Teilnahme an der Revolution vom 1. November 1954 zu belegen, wenn er zum Zeitpunkt der Unabhängigkeit zwanzig Jahre oder älter war«. Seit dem Iran-Irak-Krieg (1980–1988) stellen die iranischen Behörden die 500000 Kriegsverwundeten (davon manche durch den Einsatz von Giftgas) in den Vordergrund, anlässlich des Gedenkens an den Ausbruch des Konflikts, jedes Jahr im September. Im Gegensatz zu einem viktimisierenden Bild werden sie mit den Märtyrern des Krieges in Verbindung gebracht und janbazan genannt, also »diejenigen, die bereit waren, ihr Leben zu geben«. Diese Wertschätzung des Iran-Irak-Kriegsveteranen, aus der das islamische Regime einen Teil seiner Legitimität bezieht, wird relativiert durch das düsterere Bild, das der Regisseur Ebrahim Hatamikia in The Glass Agency/ Die gläserne Agentur (1998) von den Problemen der Veteranen in der iranischen Gesellschaft zeichnet.

»Oft ertappte er sich dabei, daß er sich nach dem Krieg zurücksehnte«
Um die Herausforderungen der Kriegsheimkehr zu verstehen, muss man mit den Soldaten den Weg zurücklegen, der sie ins Zivilleben führt, und sich vergegenwärtigen, was nicht nur ein Übergang in der Zeit (vom Krieg zum Nachkrieg) oder im Raum (von der Front in die Heimat) ist, sondern auch ein Identitätswechsel, vom Status des Soldaten zu dem des Veteranen.
Der Moment des Abschieds von den Kampfgefährten bildet die erste Etappe dieser Dekonstruktion. Die Demobilisierung, ob sie individuell erfolgt, wie im Fall der tour of duty im Vietamkrieg, oder kollektiv, zum Beispiel jahrgangsweise, wie bei den französischen Soldaten im Ersten Weltkrieg, führt zu einer Auflösung soldatischer Gruppen und damit von besonders starken menschlichen Bindungen. Während dieser »Trennungsphase«, um die Terminologie Arnold van Genneps in seiner klassischen Studie Übergangsriten von 1909 aufzugreifen, löst sich der Soldat zunächst vom physischen Kontakt mit der Umgebung des Schlachtfeldes. Erich Maria Remarque hat in seinem Roman Der Weg zurück (1931) diese Trennung auf ergreifende Weise beschrieben:
Viele liegen da von uns, aber bislang haben wir es nicht so empfunden. Wir sind ja zusammengeblieben, sie in den Gräbern, wir in den Gräben, nur durch ein paar Handvoll Erde getrennt. Sie waren uns nur etwas voraus, denn täglich wurden wir weniger und sie mehr – und oft wußten wir nicht, ob wir schon zu ihnen gehörten oder nicht. Aber manchmal brachten die Granaten auch sie wieder herauf zu uns, hochgeschleuderte zerfallende Knochen, Uniformreste, verweste, nasse, schon erdige Köpfe, die im Trommelfeuer noch einmal aus ihren verschütteten Unterständen in die Schlacht zurückkehrten. Wir empfanden es nicht als schrecklich; wir waren ihnen zu nahe. Aber jetzt gehen wir ins Leben zurück, und sie müssen hierbleiben.(1)
Es folgt eine »Schwellenphase«, in der der Soldat nach und nach eine neue Identität herausbildet. Im Moment des Abschieds sind es oft die Kameraden selbst, die sich darum kümmern, den Demobilisierungskandidaten auf die Rückkehr ins Zivilleben vorzubereiten. Ihre Aufgabe ist es, den Übergang zu erleichtern, wie jenes faszinierende Zeugnis belegt, das die Journalistin Swetlana Alexijewitsch bei sowjetischen Veteranen des Afghanistankrieges (1979–1989) protokolliert hat:
Der Abschied eines zu Entlassenden ist ein echter Roman. Es wird zusammengelegt, um ihm einen Aktenkoffer zu kaufen, ein Badetuch, einen Schal für seine Mutter, ein Geschenk für seine Freundin. Schließ- lich braucht er noch anständige Kleidung. Man besorgt ihm einen weißen Gurt, sonst wäre er kein Fallschirmjäger: man fabriziert ihm Achselschnüre […]. Schließlich muss man seine Dienstmarke polieren: das ist ein richtiges Kunstwerk. Zunächst nimmt man Schmirgelpapier Nr. 2, dann Schmirgelpapier Nr. 1, dann reibt man sie mit Filz und einer Schleifpaste ab. Etwa eine Woche weicht man seine alte Uniform in Getriebeöl ein, damit sie ihre dunkelgrüne Farbe zurückbekommt. Der folgende Schritt besteht darin, sie in Benzin zu waschen. Dann lässt man sie eine Woche auslüften. Und fertig! Die Entlassenen gehen und die Dienstältesten werden zu Entlassungskandidaten.(2)
Den Krieg zu verlassen heißt, aus einem Zustand der Verwilderung herauszutreten, was nach einer gewissen Körperpflege verlangt. Das Säubern der vom Krieg abgetragenen Uniformen ist umso wichtiger, als es gemeinschaftlich erfolgt. Es ist natürlich eine Art Reinigungsritual, aber auch eine Art, den Veteranen gegenüber dem Zivilisten präsentabel zu machen, zumal im Kontext eines Krieges von solch zweifelhaftem Status wie des Afghanistankrieges, während die Erinnerung an den »Großen Vaterländischen Krieg« (1941–1945) immer noch als Maßstab dient.
Abbau einer Identität also, aber zugleich Aufbau einer neuen. In einem dritten Stadium, das die Ethnologen als »Angliederungsphase« bezeich- nen, bemühen sich die Männer, sich ins Zivilleben zu reintegrieren. Diese Reintegration verläuft ungleich schneller und stellt vielfältige Herausfor- derungen. Im Fall der Kolonialsoldaten beispielsweise ist die Heimkehr

Anlass zu einer komplexen Verhandlung mit den lokalen Eliten, die die Vorkriegs-gesellschaft verkörpern, und der Kolonialmacht, der gegenüber die Veteranen ihren eigenen Beitrag zur Blutsteuer geltend zu machen versuchen, um eine Arbeit, einen sozialen Status, eine Art von Prestige in ihrem Heimatland zu erhalten. »Wenn ich heimkomme, werde ich dafür sorgen, dass man dem Bankier befiehlt, unsere Hypotheken aufzuheben, und dem Besitzer, das Land zurückzugeben, das er uns weggenommen hat, als Belohnung für meine Teilnahme an diesem Krieg«, verspricht der junge Lalu seiner Mutter in einem Brief von der Front, in Across the Black Waters (1939), dem Roman des indischen Schriftstellers Mulk Raj Anand. Doch bei seiner Heimkehr ist die Familie zerstört, die Eltern sind tot, das Haus der Familie ist versteigert. Die Demobilisierung imperialer Truppen geht im Allgemeinen mit einer Neuordnung von Loyalitäten einher, mit einer Verbreitung neuer, dem Kriegserlebnis abgewonnener Ideen und einer gewissen Desillusionierung – ohne dass dies im Übrigen eine Besonderheit von Kolonialtruppen wäre. Der Fall der indianischen Veteranen des Ersten Weltkrieges, die Thomas Grillot untersucht hat, liefert dafür eine weitere interessante Veranschaulichung. Sie, die 1919 als Muster an Patriotismus und Versöhnung zwischen der indianischen und der weißen Bevölkerung gefeiert werden, schwanken zwischen familiärer Loyalität oder wirtschaftlicher Not, was sie dazu veranlasst, wieder in das Leben in ihren Reservaten zurückzukehren, und der Weigerung, die Rolle von Vorzeigebürgern anzunehmen, die das Büro für indianische Angelegenheiten ihnen aufdrängen möchte. Der Status und das Prestige von Veteranen verleihen ihnen, in den Augen der Weißen und mehr noch ihrer eigenen Communitys, eine gewichtige Stimme in den Debatten über indianische Autonomie in den Vereinigten Staaten nach dem Ersten Weltkrieg.
Andere Probleme, die in Gesellschaften, die über keine Techniken der Introspektion und Selbstbeschreibung verfügen, schwerer zu studieren sind, lassen erkennen, was man »Rückkehr ins Private« nennen könnte: das Wiedersehen mit den Angehörigen, die Fähigkeit, sich mit der Zukunft zu beschäftigen und Pläne zu machen, sich von den Abwehrmechanismen der Kriegszeit und dem Gefühl ständiger Unsicherheit zu befreien. In psychiatrischen Arbeiten seit den 1960er Jahren wird ein gleichbleibender Albtraum beschrieben, den viele Kriegsheimkehrer träumen: Sie kommen nach Hause zu ihren Familien zurück, doch niemand erkennt sie, niemand hört sie. Ein Ausdruck des Überlebensschuld-Syndroms, das der amerikanische Psychiater William Niederland untersucht hat – ohne dass diese von der westlichen Psychiatrie geprägte Kategorie zwangsläufig eine universelle Bedeutung haben muss, so sehr unterscheidet sich die Definition des Begriffs »Überlebender« von einer Kultur zur anderen und von einem traumatischen Erlebnis zum nächsten. Viele Veteranen haben das Gefühl, auf Kosten anderer überlebt zu haben, am Leben zu sein, obwohl sie hätten tot sein sollen. Das ist die Botschaft der Albträume: Wir sollten tot sein, wir sind Gespenster. Jenseits der Schuld handelt es sich auch um ein Identitätsproblem: Die Kombattanten sind durch den Krieg verändert worden; die Erinnerung, die sie an dieses Erlebnis bewahren, eine Mischung aus Abscheu und Faszination, ist eine zwiespältige (was der Theologe Pierre Teilhard de Chardin, ein Veteran des Ersten Weltkrieges, als »Frontnostalgie« bezeichnete).

Die Rückkehr in die Banalität des Alltagslebens erscheint ihnen womöglich unerträglich, wie bereits von Louis Aragon in seinem großen Kriegsheimkehrerroman Aurélien (1944) beschrieben: »Oft ertappte er sich dabei, daß er sich nach dem Krieg zu- rücksehnte. Nein, nicht nach dem Krieg. Vielmehr nach der Kriegszeit. Er hatte sich nie wieder ganz davon erholt. Er hatte niemals ins Leben zurückgefunden. Er lebte noch immer in den Tag hinein wie damals. Ganz gegen seinen Willen.«(3)
25 Jahre später macht der amerikanische Romancier Tim O’Brien, in den ersten Stunden seiner Rückkehr aus Vietnam, die gleiche Erfahrung des Abstands zum Zivilleben:
Die Atmosphäre, die im Flugzeug herrscht, ist aseptisch und künstlich. Die Stewardess lächelt sorglos und gelangweilt, sie versteht nicht. Das ist nervtötend, weil man spürt, dass sie nicht verstehen will […]. Wir landen in Japan zum Auftanken. Dann geht es ohne Zwischenlandung weiter bis Seattle. Was ist das für ein Krieg, der genauso endet, wie er begonnen hat, mit einem hübschen Mädchen, gepolsterten Sitzen und Illustrierten. […] Sie kommen auf einem Militärflugplatz außerhalb von Seattle an. Die Armee spendiert ihnen ein Abendessen. »Welcome Home, Returnees«, steht auf einem Schild im Speisesaal. Returnees ist ein Wort aus dem Militärjargon, das niemand sonst verwenden würde. Sie unterschreiben für das Abendessen, eines für jeden. […] Sie sprechen die »Pledge of Allegiance« und verlassen die Armee im Taxi. […] (4)
1 Erich Maria Remarque, Der Weg zurück, Berlin 1931, S. 25.
2 Svetlana Alexievitch, Les Cercueils de zinc, Paris 2002, S. 81 f.
3 Louis Aragon, Aurélien, Berlin (DDR) 1968, S. 7.
4 Tim O’Brien, If I die in a Combat Zone, New York 1999