Geschrieben am 15. Januar 2018 von für Crimemag, CrimeMag Januar 2018, News

Bloody Chops Januar 2018

bloody chops

Bücher, kurz serviert

Kurzbesprechungen von fiction und non fiction. Joachim Feldmann (JF), Alf Mayer (AM), Frank Rumpel (rum) und Thomas Wörtche (TW) über …

Max Bronski. Oskar
Hilkje Hänel. Engel der Erlösung
Volker Heise. Außer Kontrolle
Mike Nicol. Korrupt
Dominik W. Rettinger. Die Klasse
Daniel Suarez. Bios
Tito Topin. Fieber in Casablanca
P.J. Tracy. Cold Kill – Nichts ist je vergessen

978-3-7371-0023-6Aus dem Gleis

(rum.) Ein kleines Ensemble gnadenlos überforderter Figuren schickt Volker Heise in seinem Debütroman los und das geht übel aus. Da ist die junge Nadine, die in einem Berliner Callcenter arbeitet und sich mit ihrem ebenso jungen Kollegen Jan einlässt. Sie kommt aus einem kleinen Ort in Mecklenburg und dorthin, so ist der zunehmend wacklige Plan, will Nadine zurück, zu ihrem Freund, der einen Hof hat. Jan ist derweil fest entschlossen, sie davon abzuhalten, indem er sie in ein schickes Restaurant ausführt, um ihr einen Heiratsantrag zu machen. Doch soweit kommt es erst gar nicht. Zwei Polizisten auf Streife treffen eine fatale Entscheidung und entfachen damit ein gewaltiges Chaos.

Heises Figuren (er folgt noch einigen mehr) sind allesamt in sich gefangen, sind, jeder für sich, mit einem ganzen Bündel an fixen Ideen unterwegs und steuern mit Ansage auf die falsche Abzweigung zu. Und dann ist da die Großstadt Berlin selbst, die in Heises Roman eine zentrale Rolle spielt, Kulisse abgibt, aber auch jener Ort ist, der seine Protagonisten verschlingt. Einem kommt sie vor wie „ein riesiger Organismus, für den die Menschen nur ein Rohstoff sind“.

Von weit oben zoomt sich der 1962 geborene Dokumentarfilmer Heise, der schon „24 H Berlin“ eingefangen hat, an die Stadt heran, bevor er sich mitten hinein stürzt und ein paar Unglückliche ins Unglück begleitet, dabei immer wieder zwischen Innen- und Außensicht wechselt, den Blick fokussiert, dann wieder weitet und so längst nicht nur die Figuren mit ihren inneren Querelen einfängt, sondern stets in gestochen scharfen Bildern auch das Leben drumherum. Er schaut ganz genau hin, arbeitet mit schnellen Schnitten, Perspektivwechseln, wildem Humor. Und Heise kann zupackend erzählen, filmisch und gleichzeitig die Möglichkeiten der Literatur nutzend. Eine wunderbar flirrende Geschichte über Menschen, deren Leben mit einem Mal aus dem Gleis springt und partout nicht mehr einzufangen ist.

Volker Heise. Außer Kontrolle. Rowohlt 2017. 240 Seiten, 20 Euro

51inOJylkiL._SX327_BO1,204,203,200_Gut & böse wie 0 & 1

(TW) Da ist zunächst Bios von Daniel Suarez – ein Buch aus der Kategorie „Das glaub ich jetzt nicht“. Ein ultraböser Bösewicht verwandelt mittels Gen-Editing einen braven, aufrechten Interpol-Menschen. Aus dem guten Kenneth Durand wird der Schurke Marcus Demang Wyckes, inklusive DNA. Und jetzt sind alle hinter dem Guten her, während der Böse in tausend anderen Gestalten ungestraft weiter herumschurkt und Milliarden mit illegalem Gen-Editing  scheffelt. Aber auch wenn Durand im Körper von Wyckes steckt, seine Seele ist immer noch er selbst. Jetzt will er seinen eigenen Körper widerhaben (der Asiate, in dem er steckt, ist ihm nix) und los geht die fröhliche Jagd über Stadt, Land und Meer. Und weil wir im Jahr 2045 und auch noch in einem sehr bedrohlich dargestellten Asien sind, ist halt alles von Big Data übersät und von sämtlichen technischen Gadgets, die man sich so hochrechnen kann (Drohnen, „autonome“ Vehikel, Algorithmen aller Art, Netzhautprojektionen, you name it … ). Gleichzeitig gibt es aber noch nette safrangelbe Mönche in netten Klöstern, tapfere Rebellen in kuscheligen Dschungelbergen – die Shan, zum Beispiel, Stephen Becker lässt grüßen -, und der unfassbar gute WASP-Cop, der früher mal bei den Marines war, ist dauerempört und mimimi-schockiert, wenn er mitkriegt, was Menschen sich so gegenseitig antuen (töten, zum Beispiel). Abgesehen davon, dass Gen-Editing schon im James-Bond-Kracher „Stirb an einem anderen Tag“ kein ganz taufrisches Thema mehr war – bei Suarez gibt es nichts, was es in der einschlägigen Literatur und anderen Narrativen seit Philip K. Dick, John Brunner, William Gibson, Blade Runner, Matrix und Co. nicht schon längst und längst besser und kreativer gegeben hat. Der Extrapolationsaufwand ist, sagen wir mal, übersichtlich. Aber das ginge ja gerade noch, wenn das Buch nicht wie eine gähnlangweilige Räuberpistole erzählt wäre. Mit Und-dann-Dramaturgie, steifen Erklär-Dialogen, naiven Figuren, blassen Bösewichtern, langweiligem Geballere, aber alles gut und böse, O und 1. Mit family values, natürlich auch, den Durand muss nur an seine Familie denken und kann dann doch plötzlich ganz schlimme Dinge (töten, zum Beispiel) tun. Die Zukunft in der Schlichtsprache von Heute (oder noch damaliger), da ist ja fast Karl May schon komplex dagegen. Ach ja, wen wundert es noch: Durch den ganzen Roman toben „Kaukasier“, ich glaub´s ja wirklich nicht.

Daniel Suarez. Bios. rororo 2017. Übers.: Cornelia Holfelder-von der Tann, 544 Seiten, 12,99 Euro

51bvwg8A5mL._SX313_BO1,204,203,200_Debüt – es kann noch besser werden

(JF) Atmosphärisch stark und voll aufklärerischen Willens präsentiert sich das Krimidebüt der Berliner Autorin Hilkje Hänel. Hauptkommissarin Alexandra Gode, 39, ermittelt in einer Serie von mysteriösen Mordfällen. Die Opfer sind Frauen, die über lange Zeit misshandelt wurden. Doch häusliche Gewalt ist offenbar nicht die Todesursache. Hier mordet jemand mit guter Absicht, wie bereits der Romantitel „Engel der Erlösung“ verrät, und die Überführung des Täters erfordert kein großes detektivisches Geschick. Dass ausgerechnet der erste Fall nicht in dieses Schema passt, lässt der Ermittlerin allerdings keine Ruhe, zumal sie eine „Verbindung“ (Zitat) zum Täter spürt, die sie „unwiderruflich“ (Zitat) anzieht. Ein Gefühl, das sie fast mit ihrem Leben bezahlt. Richtige Angst um die „toughe Berliner Kommissarin“ (Klappentext) muss man allerdings nicht haben, denn der Roman ist ausdrücklich als erster Band einer Reihe angekündigt.

Da ist es nicht verwunderlich, dass sich die Autorin, einem populären Trend folgend, erheblich mehr für ihr Ermittlungspersonal als für das aufzuklärende Verbrechen zu interessieren scheint. Man möchte ihr wünschen, dass es dem anvisierten Lesepublikum ähnlich geht.

Hilkje Hänel. Engel der Erlösung. Ein Fall für Alexandra Gode. 352 Seiten. München: Goldmann 2017. € 10,00.

51wWxMRkzoL._SX324_BO1,204,203,200_Gut gemeint …

(TW) Immerhin ein bisschen intelligenter hat der polnische Autor Dominik W. Rettinger seinen Roman Die Klasse an die Wand gefahren. Eigentlich ist die Geschichte aus einem als durch und durch korrupt gedachten Polen ziemlich interessant.  Es geht um die Verflechtung von Politik und big money, um die Funktionalisierbarkeit von konkurrierenden Geheimdiensten und Polizei-Einheiten und um die durchweg miese Stimmung im Lande, um die Enttäuschung nach dem Aufbruch von 1989. So weit, so okay, zumal wir sowieso gern mehr spannende Bücher aus Polen hätten. Aber der Plot ist schon sehr künstlich: Ein Radio Journalist bekommt von einem alten Klassenkameraden ein U-Bahn-Ticket zugesteckt, auf dem irgendwo ein Code versteckt ist. Eine Kontoverbindung, um an eine Riesensumme heranzukommen, die der Klassenkamerad als Geschäftsführer der polnischen Niederlassung einer US-amerikanischen Investmentgesellschaft auf die Seite geschafft hat. Diese Investmentgesellschaft plant einen Biowaffenschlag auf ein Naturschutzgebiet, um an Bodenschätze zu kommen. Mit im Boot viele Hierarchen der polnischen Nomenklatura, die sabbernd gierig sind. Und ein alter Professor hatte die Schulklasse, in der Journalist und der diebische Manager waren, mit einem eher bescheuerten Psycho-Programm konditioniert, weswegen sie alle heute so ticken, wie sie ticken, was aber nur ein Nebenstrang ohne große Explikationskraft ist und vage bleibt. Und weil das Rettinger noch nicht reicht, müssen auch noch dumpfe Leute, die kleine Mädchen in Zimmer sperren (immerhin mal kein Keller, aber könnte das jetzt endlich mal aufhören?), die Tochter des eigentlichen „Helden“, ein aufrechter Geheimdienstler, entführen. Ganz und gar die Übersicht verliert man, weil im ganzen Roman Leute pausenlos entführt werden und wieder entweichen und wieder entführt werden, weil alle in Autos und Hubschraubern durch die Gegend kariolen und sich gegenseitig verfolgen, mal die einen die anderen und dann wieder umgekehrt, und halb Polen schröten und geballert wird auch nonstop, Leichenberge, wohin man sieht. Maulwürfe werfen maul und jeder hört jeden ab, nur manchmal nicht, gerade dann, wenn es sinnvoll wäre, sich gegenseitig abzuhören. Was für eine Wirrnis. Und dolle geschrieben ist das auch nicht. Hölzern wäre vielleicht das richtige Wort, ohne Rhythmus, ohne Tonfall und vor allem in einem sehr eintönigen Gestus. Leider die übliche Lücke zwischen gut gemeint und gut gemacht. Too much ado.

Dominik W. Rettinger. Die Klasse. Zsolnay 2017. Übers.: Marta Kijowska, 480 Seiten, 22,00 Euro

410M1cLObIL._SX313_BO1,204,203,200_Staat im Staat

(rum.) Weiter in Hochform (ein Tief war bisher nicht auszumachen) zeigt sich der südafrikanische Autor Mike Nicol in seinem aktuellen Politthriller „Korrupt“ (im Original „Agents of the State“), mit dem er an den hierzulande 2015 erschienenen „Bad Cop“ (im Original mit etwas mehr Understatement  „Of Cops and Robbers“) anschließt. Nicols Südafrika ist in diesem Roman in einer Phase angelangt, in der der Präsident sein Amt auf Lebenszeit ausübt. Man kennt das Modell aus vielen afrikanischen Staaten. Er ist hochgradig paranoid, residiert in einem gigantischen Palast, hat gleich mehrere Frauen und ist vor allem daran interessiert, seine Pfründe zu sichern. Die Geheimdienste wurden in einem einzigen Dienst verschmolzen, der allerdings so weit verzweigt ist, dass eine Abteilung oft nichts von der anderen weiß.

Nicols Protagonistin Vicky Kahn, in „Bad Cop“ noch Anwältin, hat bei eben diesem Geheimdienst angeheuert und wird für ihren ersten Auftrag nach Paris und Berlin geschickt. Sie soll eine Informantin zurück nach Südafrika bringen, die über Kindesentführungen aussagen will, in die auch der Präsidentensohn verwickelt sein soll. Allerdings geht dieses Treffen ebenso schief, wie jenes mit einem Kontaktmann in Berlin, der Vicky zwar interessante Informationen zum Tod ihrer Tante gibt, die noch in Apartheidstagen in Paris ermordet wurde, dann aber umgebracht wird, bevor er die Geschichte zu Ende erzählen kann. Derweil wird in Kapstadt ein General der Zentralafrikanischen Republik angeschossen. Fish Pescado, Privatdetektiv, Surfer und Vickys Freund, mischt am Rande bei den Ermittlungen mit. Zufällig besitzt der südafrikanische Präsident eine Goldmine in der Zentralafrikanischen Republik, in der es nicht ganz rund läuft. Also schickt er seinen Sohn samt einem Geheimdienstmann, um das Ganze wieder ins Lot zu bringen.

Es ein ausgehöhlter Staat, von dem Mike Nicol hier erzählt. Der Präsident agiert abgehoben von der südafrikanischen Realität, ist vor allem damit beschäftigt, seinen Reichtum zu mehren und alles zusammen zu halten. Dafür nutzt er staatliche Organe, in diesem Fall mit Kaiser Vula einen moralisch extrem flexiblen Geheimdienstmann. Der neu formierte Dienst indes ist mit scheinbar gegensätzlichen Zielrichtungen unterwegs. Und mit dem Präsidentensohn ist auch die Organisierte Kriminalität mit von der Partie. Aus dieser schwierigen Gemengelage unterschiedlicher Interessenlagen, die da für Spannung im staatlichen, wie gesellschaftlichen Getriebe Südafrikas sorgen, schnürt der in Kapstadt lebende Autor und Journalist Mike Nicol eine komprimierte, herrlich überspitzte und dabei mit eleganter Lakonie zupackend erzählte Geschichte. Klasse.

Mike Nicol. Korrupt (Original: Agents of the State, Kapstadt, 2016). Übers.: Mechthild Barth. Btb, 509 Seiten, 10 Euro

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(TW) Auf einen neuen Monkeywrench-Roman des Mutter/Tochter Duos P.J. Tracy hatte ich mich gefreut, aber Cold Kill – Nichts ist je vergessen strahlt eine beklagenswerte Lustlosigkeit aus. Die Monkeywrenchs, eine fröhlich-paranoide Hacker-WG, die den beiden Minnesota Cops Leo Magozzi und Gino Rolseth bei heiklen illegalen Aktivitäten zur Hand gehen, bekommen es diesmal mit einer Mordserie zu tun, die Überlebende und sämtliche Angehörige oder sonstwie Verbandelte des Wasserstoffbombenprogramms der USA aus den 1950er Jahren abräumt. Da sind doch wohl irgendwelche dunklen Mächte am Werk? Ja, sind sie. Und wenn eine Nebenfigur erstmal nett aufgebaut ist, ist sie bald tot, weil das ihr einziger Daseinszweck ist. Das Ganze hat was von einem Setzkasten, überraschungsfrei, routiniert kombiniert, mechanisch. Vermutlich auch computerlesbar.

P.J. Tracy. Cold Kill – Nichts ist je vergessen. rororo 2017. Übers.: Tanja Handels. 336 Seiten, 9,99 Euro

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(JF) Ein Mann erwacht in einer Kiste, die sich auf der Ladefläche eines Lieferwagens befindet. Als es ihm gelungen ist, sich zu befreien, erkennt er zwei weitere Behälter ähnlicher Machart, die er als billige Särge identifiziert, und zwei blaue Müllsäcke, die mit Tierkadavern gefüllt sind. Wer er ist und was ihn in diese missliche Lage gebracht hat, weiß er nicht.

Ein Mann ohne Gedächtnis, nur bekleidet mit einem Paar Boxershorts, sucht nach seiner Identität. So beginnt der neue Roman des Münchner Autors Max Bronski (d.i. Franz Maria Sonner), der es mit seinen Detektivromanen um den Antiquitätenhändler Wilhelm Gossec zu berechtigtem Ruhm gebracht hat. Unser namenloser Held scheint aus ähnlichem Holz geschnitzt wie der hartgesottene Amateurermittler. Es gelingt ihm sogar, sich eine Existenz als Koch aufzubauen. Dass er, warum sei hier nicht verraten, dem lokalen Ableger der Mafia in die Quere kommt und nicht nur einmal um sein Leben fürchten muss, bringt noch mehr Schwung in die abenteuerliche Geschichte. Aber so geht es nicht weiter. Kaum dämmert es Oskar, wie man ihn mangels Alternative nennt, wer er wirklich sein könnte, ändert sich der Erzählton, das Schelmische verschwindet und es wird ernst. Die Erzählung führt von München nach Südtirol, wo in den fünfziger und sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts ein erbitterter Kampf für die Unabhängigkeit von Italien geführt wurde. Allmählich erschließt sich, welche Rolle Oskar, der über verblüffende Kenntnisse im Umgang mit explosiven Stoffen verfügt, hier gespielt hat.

Dem Roman bekommt dieser „aufklärende“ zweite Teil nur bedingt. Was so furios begann, verwandelt sich in brave Berichterstattung, gegen die auch die Tragik des Erzählten wenig auszurichten vermag. Die Lektüre lohnt sich trotzdem. Und wer es aushält, dass ein Rätsel für eine Weile ungelöst bleibt, kann das Buch ja nach Seite 163 erst einmal zur Seite legen.

Max Bronski. Oskar. Roman. 298 Seiten. München: Droemer 2017. € 14,99

41-Pl2tDQoL._SX299_BO1,204,203,200_Neufassung, aber wozu?

(TW) Und ob eine neu überarbeitet Fassung von Tito Topins Casablanca im Fieber jetzt hätte unbedingt sein müssen (statt eventuell andere, noch unbekannte Noir-Autor*innen aus Frankreich zu holen) erschließt sich mir nicht so ganz. Zumal eben dieses Buch nicht Topins stärkstes Stück ist. Das Original stammt aus dem 1983, als der französische Noir noch mit Verve die damals oft verdrängte und ignorierte, böse Kolonialgeschichte Frankreichs thematisiert hatte, durchaus mit großem Erkenntnisgewinn. In diesen Kontext gehört diese Geschichte um die letzten Zuckungen der Kolonialmacht kurz vor dem Rückzug 1956. Ein reicher weißer Strolch vergewaltigt eine junge Spanierin, die Tat soll den Arabern in die Schuhe geschoben werden, Unruhen brechen aus, die Stadt brennt. Natürlich steht Topin auf der richtigen, der nicht-französischen Seite, alles andere wäre ja auch gegen den Geist des polar. Und natürlich will er nicht schwarz/weiß malen, das ist ehrenhaft. Aber irgendwie werde ich das Unbehagen nicht los, dass an manchen Stellen sich doch eine Art benevolenter Rassismus durchdrückt, wenn er zum Beispiel Riten und Rituale der marokkanischen Bevölkerung beschreibt („eher lächerlich“), die man nur notfalls und mühsam als „fremde Rede“ in der Erzählstimme interpretieren könnte. Das liegt wiederum daran, dass Passagen, die karikierend oder satirisch gemeint sein könnten, und solche die „realistisch“ daherkommen, schwierig unterscheidbar sind. Das wäre wiederum nicht per se schlimm, aber dann gibt es für beide Seiten zu wenige Textsignale. Und auch die noir-typische Geringschätzung des Plots (auch an sich völlig okay und besonders durch das titelgebende Fieber gedeckt), trägt nicht unbedingt zur Konsistenz des Romans bei. Und das ist bei einem so explizit politischen Thema dann doch so nicht günstig. Nicht, weil das Buch keine „Aussage“ hätte, sondern weil nicht einmal die „Nicht-Aussage“ und deren Semantik greifbar sind. Was denn nun? Irgendwie daneben.

Tito Topin. Casablanca im Fieber. Diestel 2017. Übers.: Katarina Grän. 220 Seiten, 14,80 Euro

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