Bloody Chops
Bloody Chops … hussa, wie sie blinken, die Hackebeilchen … Heute choppen Tina Manske (TM) über Berni Mayer, Frank Göhre (FG) über Yves Ravey, Roland Oßwald (RO) über Jean-Luc Bannalec, Frank Rumpel (rum) über Óscar Urran (OU) und Joachim Feldmann (JF) über Hans Koppel.
Mandels Büro
(TM) Aha, ich bekomme einen Krimi zugeschickt. Da die darin beschriebenen Ermittler ehemalige Musikjournalisten sind, die sich als Schnüffler ein zweites Standbein schaffen wollen, hielt man beim Verlag wohl mich für den zuständigen Experten. So weit, so gut. Die Frage ist ja nur, ob es nach all den Regio-, Tier- und Gourmet-Krimis jetzt auch noch Musikgenre-Krimis geben muss. „Die Rock’n’Roll-Detektive legen los“, heißt es im Klappentext, und man ist einigermaßen alarmiert. Doch es darf Entwarnung gegeben werden: Autor Berni Mayer war u. a. einst Chefredakteur bei MTV und VIVA, und so jemandem kann man ja immerhin zutrauen, dass er was vom Musikbusiness und seinen beherrschenden Figuren und Neurosen versteht.
Und so ist „Mandels Büro“ nicht nur eine unterhaltsame, leichte, als noir (mit Verweis auf Chandler) verkleidete Geschichte mit süddeutschem Schmäh (übrigens Bezug nehmend auf den österreichischen Film „Müllers Büro“ aus den 1980ern), sondern auch eine kleine Satire auf den ganzen Musikkrams mit schönen Frauen, Labelbossen und Promotern. Die in einem irgendwie münchnerisch wirkenden Kaff spielende Geschichte um den Mord an einem Bandleader erinnert zudem von fern an die Episoden in „Kir Royal“. Der Ich-Erzähler wirkt zunächst wie ein Trottel vom Dienst, bis man den Eindruck gewinnt, dass er von allen am meisten draufhat. Und das Beste: Berni Mayer trifft den richtigen Ton und schreibt mit viel Augenzwinkern. Lesenswerte Stereotypien aus dem „Milljöh“.
Berni Mayer: Mandels Büro. Roman. München: Heyne 2012, 336 Seiten. 8,99 Euro. Verlagsinformationen zum Buch und zum Blog von Berni Mayer. Zum Trailer von Mandels Büro. Zu Rezensionen von Tina Manske.
Anspruchsvoll? Leer!
(FG) Es ist eine schon oft erzählte Geschichte: Kidnapping, Lösegeldforderung, Übergabe und Austausch, und spätestens dann geht etwas schief. Auch der Franzose Yves Ravey übernimmt dieses Muster. Auf knapp 110 Seiten schreibt er über zwei Brüder, die dem Chef des einen mit der Entführung seiner Tochter eine halbe Million aus der Firmenkasse leiern wollen. „Bruderliebe“ ist der deutsche Titel dieses minimalistischen „Kriminalromans“. Es ist ein enttäuschendes Buch. Der Autor verwendet mehr Worte darauf, über die Zubereitung von Spiegeleiern zu berichten, als das Innenleben seiner beiden Protagonisten auszuleuchten. Sie bleiben dem Leser weitgehend fremd. Und überhaupt wird vieles nur angedeutet.
Das könnte Raum lassen für die Phantasie des Lesers. Aber die läuft hier schnell ins Leere. Es entsteht der Eindruck, dass es dem Autor nicht um einen handfesten Thriller geht, sondern um vermeintlich „anspruchsvolle Literatur“. Doch das Ergebnis ist banal und langweilt zudem. Dass zum Schluss zwei Tote im Schnee liegen, bedient wieder nur vordergründig das Genre, lässt jedoch ebenso kalt wie die ganze an wenigen Wintertagen in Nähe der französisch-schweizerischen Grenze spielenden Story.
Yves Ravey, Bruderliebe (Enlèvement avec rancon,2010). Roman. Deutsch von Angela-Wicharz-Lindner. München: Verlag Antje Kunstmann. 2012. 109 Seiten. 14,95 Euro. Verlagsinformationen zum Buch und zum Autor. Zur Leseprobe des Romans. Zu Rezensionen von Frank Göhre.
Bretonische Verhältnisse
(RO) heißt der Debütroman des Autors Jean-Luc Bannalec. Bannalec ist eine Ortschaft im Département Finistère. Im Buch wie auf der Verlagswebseite findet man keine Fotografie des Autors, und auch dessen Berliner Agentur Landwehr & Cie hilft damit nicht aus. Man könnte auf die Idee kommen, dass es sich bei Bannalec um ein Pseudonym handelt. Im Klappentext heißt es: „Bannalec wurde 1967 in Brest geboren; sein Vater ist Bretone, seine Mutter Rheinländerin …“ Sein Erstling ist ein Kriminalroman. Der Kommissar heißt Georges Dupin. Er wurde vor drei Jahren von Paris ins Finistère versetzt, den genauen Grund dafür erfährt man auf den ersten dreihundert Seiten dieser jungen Kommissarserie nicht. So wie der Text angelegt ist, werden die Leser aber noch dahinterkommen, wenn sie Kommissar Dupins Folgefälle lesen.
Im vorliegenden wird ein 91jähriger Hotelier erstochen. Das Opfer hat wenige Tage zuvor erfahren, in Kürze an einem schweren Herzleiden zu sterben, wenn nicht umgehend operiert würde. Im Alter von 91 keine Option für den Hotelier. Er will natürlich noch seine Erbschaft regeln und den echten Gauguin aus dem Hotelrestaurant ans Musée d’Orsay verschenken. Das Bild hatte seine Mutter und bekannte Förderin der Schule von Pont Aven einmal als Gegenleistung für Kost und Logis erhalten. Ein Geschenk, das auf 40 Millionen Euro geschätzt wird. Der Sohn des Hoteliers wird kurz darauf tot in den Klippen von Le Pouldu gefunden. Und das Bild verschwindet. Während Kommissar Dupin den Fall löst, erfährt der Leser von der Schönheit der Südbretagne, erfährt vom Leben der Künstler, die dort am Ende des 19. Jahrhunderts gelebt und gearbeitet haben, erfährt von den kleinen Eigenarten der Bretonen, und nebenbei empfiehlt Jean-Luc Bannalec ein paar Restaurants und Hotels. Das Buch liest sich ein wenig wie ein Reiseführer mit Krimigeschichte. Der kriminalistische Fall selbst ist einigermaßen spannend. Die Figuren auch ein bisschen. Grobe Fehler fallen nicht auf, und auch sprachlich gibt es nichts, was irgendwo anstoßen könnte – das Einzige ist vielleicht die Redundanz hier und da. Eine Figur verlässt den Raum, geht raus und verabschiedet sich …
Jean-Luc Bannalec, Bretonische Verhältnisse. Roman. Köln: KiWi, 302 Seiten. 14,99 Euro. Verlagsinformationen zum Buch und zum Autor. Zu Rezensionen von Roland Oßwald.
Gute Unterhaltung, leicht schlicht
(rum) In seinem zweiten Roman schickt der spanische Autor seinen stets abgebrannten, weil spielsüchtigen Detektiv Juan Cabria in Madrid los, um einen Serienmörder zu fassen, der bereits einen Zuhälter, einen Pater und einen Bordellbesitzer ins Jenseits befördert hat und dabei stets eine Harlekin-Spielkarte zurück ließ. Das klingt wenig originell, weil gefühlt bereits dutzendfach ausgedacht. Doch der 1970 geborene Urra inszeniert seine Geschichte sprachlich virtuos, vor allem aber mit scharfem Witz.
Den Auftrag, in dem Fall zu ermitteln, erhält der Detektiv von der Polizei, denn die will sich die Finger nicht schmutzig machen und Cabria im Blick behalten. Dessen Hauptinformant ist sein Bruder, ein Pater, den er im Gegenzug mit Drogen versorgt. Die Ermittlungen wollen aber nicht so recht voran kommen, da Cabria, der zur Entspannung gerne mal eine Kinokarte löst, um in Ruhe zu schlafen, vor allem damit zu tun hat, zwei ziemlich robust vorgehenden Polizisten zuvor zu kommen. Die meinen, der Detektiv habe belastendes Material gegen sie in der Hand, das ein schwer verletzter Polizeikollege, der zuletzt mit Cabria zu tun hatte, gesammelt haben soll.
Die Konstruktion ist eher schlicht, was für den zweiten Band einer Reihe nicht unüblich ist, doch hat Urra das alles wieder mit reichlich Sinn für auf die Spitze getriebene, groteske Situationen in Szene gesetzt. Dazu hält er Distanz zu seinen Figuren, was streckenweise gut funktioniert, der ganzen Geschichte aber gelegentlich auch etwas Sprödes, wenig Zwingendes gibt. Bei Urra kommt dabei aber unterm Strich immer noch ziemlich gute Unterhaltung raus.
Oscar Urra: Harlekin sticht (Original: Impar y rojo. Madrid, 2009). Roman. Deutsch von Peter Kultzen. Zürich: Unionsverlag metro. 281 Seiten. 16,95 Euro. Verlagsinformationen zum Buch und zum Autor. Zu Rezensionen von Frank Rumpel.
Im Keller
(JF) Eine Frau wird entführt, in einen Keller gesperrt und dort grausam physisch und psychisch gepeinigt. Das Tatmotiv ist Rache. Und schon bald kann der Leser dieses neuen Thrillers aus schwedischer Produktion ahnen, für welche Schuld das Opfer hier büßen muss. Die Polizei hat von alledem natürlich keine Ahnung und verdächtigt den Ehemann. Nur ein abgehalfterter Journalist, der eine Story wittert, kann sich irgendwann die Hintergründe des Verbrechens zusammenreimen. Doch da ist es schon zu spät. Nicht nur für die gefangene Frau, sondern auch für uns Leser, die bis dahin geduldig den uninspirierten Ausführungen des Stockholmer Schriftstellers Hans Koppel, dem das „Helsingborgs Dagblad“ „ein Gespür für Spannung, das seinesgleichen sucht“, nachsagt, gefolgt sind. „Entführt“ ist schlichte Konfektionsware, die wahrscheinlich selbst Fans von Jussi Adler-Olsen, an dessen arg konstruierten Gruselroman „Erbarmen“ der Plot dieses Buches auf ungute Weise erinnert, ein wenig fad vorkommen wird
Hans Koppel: Entführt (Kommer aldrig merigen, 2011). Roman. Deutsch von Holger Wolandt. München: Heyne 2012. 350 Seiten. 14,95 Euro. Verlagsinformationen zum Buch und zum Autor. Zu Rezensionen von Joachim Feldmann.