Geschrieben am 6. September 2015 von für Crimemag, Film/Fernsehen

Binge Watching Alert: Die ersten Folgen von Fear the Walking Dead, Bloodline und Narcos

Wir sind verwöhnt und wir sind ungeduldig. Wir wollen sofort begeistert werden. Schon in der ersten Folge entscheidet sich meist, ob wir dran bleiben oder nicht… Christopher Werth hat sich unbestechlich und oberflächlich dreimal einem schonungslosen Selbstversuch unterzogen.

Photo Credit: Frank Ockenfels 3/AMC

Photo Credit: Frank Ockenfels 3/AMC

Fear the Walking Dead (Amazon Prime)

Endlich erfahren wir, wie alles begann. Wie es zu der weltweiten Zombie-Apokalypse gekommen ist, wegen der Rick und seine Leute in der Serie “The Walking Dead”  ums Überleben kämpfen. Das gleiche Team um Robert Kirkman ist dafür verantwortlich. Das Ganze klingt gut und sieht auch richtig gut aus. Das Spin-Off spielt in Los Angeles und hat eine ganz eigene Farb- und Lichtbestimmung aus dreckigem, verwaschenem Gelb. Das Sound Design von Paul Haslinger ist kunstvoll-vielschichtig, düster und elektronisch – da braucht man schon fast nicht mehr hinschauen. Die Besetzung ist interessant. Einziges Problem: Im Grunde haben wir es mit dem allergewöhnlichsten Zombie-Plot zu tun: Die Epidemie bricht ein in die heile Welt. Damit macht sich “Fear the Walking Dead” vergleichbar mit unzähligen anderen Produktionen, von denen sich “The Walking Dead” mit einem geschickten Zeitsprung abgesetzt hat. Trotzdem wird bei “Fear the Walking Dead” schon in der ersten Folge großartig die langsam in der Gesellschaft um sich greifende Atmosphäre von Panik inszeniert. Noch können sich die Bewohner der Stadt entscheiden, ob sie die bedrohlichen Anzeichen verdrängen. Oder besser erst nehmen. Und die Entscheidung, ob man weiterschauen soll? Nach dieser ersten Folge hat man nicht mehr wirklich die Wahl.

bloodline_ver2Bloodline (Netflix)

Für Bloodline reisen wir zur coolen Familie Rayburn auf die Florida Keys. Meer, Strand, Palmen, die Pastellfarben des Paradieses – und eine Off-Stimme, die nichts Gutes verheißt. Sie gehört Joe Rayburn, er ist nicht nur der vorbildlichste Spross der Familie, sondern auch noch ein zuverlässiger Cop. Joe hat es im Gefühl. Das Paradies ist in Gefahr. Die Hotellerie-Familie Rayburn feiert ihr jährliches Familienfest. Und Danny, der verlorene Loser-Sohn, kreuzt ebenfalls auf und droht, alles durcheinander zu bringen. Aber er bringt nicht nur seine eigenen Probleme mit – er wirbelt auch die aus der Vergangenheit seiner hochkarätig besetzten Familie auf (z.B. Sam Shepard als Ukulele spielendes Familienoberhaupt). Bei der opulenten Feier am Strand ergreift dann der halb abstoßende, halb faszinierende Danny überraschend das Mikrophon, um nach seinem Vater auch eine Rede zu halten. Vorher haben wir gesehen, dass er sich auf der Hinfahrt im Bus dazu viele Notizen gemacht hat und sind gespannt, was er zu sagen hat. Aber er kneift – und macht nur einen schlechten Witz. Was hat er wirklich vor? Wovor läuft er weg? Warum wollte er wieder nach Hause? Es werden Andeutungen gemacht… hat er eine Frau getötet? Aber nicht nur Danny sorgt für ein mulmiges Gefühl. Es gibt klare Hinweise auf ein brutales Verbrechen der anderen drei Geschwister John, Kevin und Meg in den Mangroven. Am Schluss brennt ein Boot im Regen. Und um die zweite Folge kommt man hier nicht mehr herum.

narcos-netflixNarcos (Netflix)

Die Serie wurde rund um den schillernden, charismatischen Drogenbaron Pablo Escobar und seine Gegenspieler, zwei fiktive DEA Agenten, entwickelt. Es beginnt episch. Zu Beginn erfahren wir bei einer Kamerafahrt über nebelverhangene Berge, dass es einen Grund gibt, warum der magische Realismus in Kolumbien entstanden ist. Wenn plötzlich mitten im Alltag etwas wunderbares passiert. Die Kamera fährt weiter und zeigt Medellín, die Hauptstadt des Kokain. Und ja, wir verstehen: das Wunderbare, Magische kann auch gern durch die Nase empfangen werden und die Realität erweitern.

Die Off-Stimme eines der besagten fiktiven DEA Agenten nimmt uns aus unserer digital dauerüberwachten Gegenwart mit ins Kolumbien von 1989, als es noch kein Internet gab. Als Satelliten-Telefone hochkompliziert zu orten waren… Und schon sind wir mitten in einer prädigitalen Operation der DEA. Ein Flugzeug nimmt das Gespräch eines schuhkartongroßen Satellitentelefons auf, eine schwer bewaffnete Sondereinheit macht sich auf den Weg zu einer Party nichtsahnender Narcos. Aber das Ergebnis dieser Razzia wird noch nicht aufgelöst. Nach den Opening Titles, in denen hochästhetisch weißes Puder fliegt,  werden in aller Ruhe die vielversprechenden und stimmig besetzten Charaktere vorgestellt.

Besonders wichtig ist eine schicksalhafte Begegnung, die die Welt verändert hat: Wie das perfekte Produkt Kokain auf das Schmuggler-Genie Pablo Escobar trifft. Hier wird sich Zeit genommen, die ganze Dimension des War on Drugs und den Ursprung des Escobar-Imperiums zu zeigen. Eine Besonderheit der Serie ist, dass sie zweisprachig ist. Die Südamerikaner sprechen konsequent spanisch und werden untertitelt. Die Bilder, die Atmosphäre, die Schauspieler, die geschickte Verknüpfung von Doku und Fiction entfalten einen realistisch-magischen Sog. Das stimuliert die entsprechenden Rezeptoren im Gehirn. Und die wollen natürlich nur eins: mehr.

Christopher Werth

Tags : , , , , ,