Geschrieben am 1. September 2021 von für Crimemag, CrimeMag September 2021

Alexander Sancho-Rauschel: Meister Melville

Meister Melville, ein japanischer Krieger, der Westen und die Wand

Ein Vorwand ist eine großartige Sache. Finden Sie nicht?

Ein Vorwand ermöglicht es einem, das zu tun, was man machen will, während man doch eigentlich etwas anderes tun sollte. Der Auftrag (und die Ehre), einen Beitrag für diesen Band schreiben zu dürfen, ist für mich ein wunderbarer Vorwand, um zwei der Dinge zu tun, die ich am liebsten tue: nämlich mir eine ganze Reihe großartiger Filme anzusehen – und mir ein Buch zu kaufen, in dem Fall natürlich ein Filmbuch.

Im Deutschen wird ein Substantiv ja durch sein, pardon, Hinterteil definiert. Der Tomatenstrauch ist ein Gewächs, die Strauchtomate dagegen, nun, was auch immer, Gemüse oder Obst, eine Frucht oder so in der Richtung. Für Nichtdeutsche, die die Sprache lernen, am Anfang gar nicht so einfach. Wie auch immer: Demnach ist jedenfalls der Vorwand zunächst einmal eine Wand. So wie auch die Leinwand, ebenfalls eine besondere Art von Wand.

Ob vielleicht für Friedemann Hahn, als er den „Samourai“ malte, die Leinwand auch ein willkommener Vorwand war, um sich ebenfalls mal wieder die unglaublichen Filme von Jean-Pierre Melville anzusehen? Ich habe den Verdacht, so war’s, denn als bekennender Kinoliebhaber hat er ja eine Menge Leinwände mit Filmbildern veredelt.

Le Samourai – Friedemann Hahn 2011 farbige Tusche, bedrucktes Papier (Filmplakat), 66 x 51,5 cm, Arbeitsfoto © FH

Zwei Bilder von Hahn wollen wir hier etwas näher ansehen: Das Werk „Schwarzer Regen“, entstanden 2020, das unter anderem einen Krieger mit Schwert zeigt, der ziemlich entschlossen aussieht. Und das Werk „Le Samourai“ von 2011, auf dem im Hintergrund ein teilweise übermaltes Kinoplakat zu sehen ist. Es wirbt für einen Film des französischen Regisseurs Jean-Pierre Melville. Der Film, ein großer Klassiker aus dem Jahr 1967, bekam auf Deutsch den Titel Der eiskalte Engel verpasst. In der französischen Originalfassung heißt er dagegen Le Samouraï.

Erstaunlich, oder? Dass aus einem japanischen Krieger erst ein französischer Film, und dann ein deutscher Engel wird…? Aber vielleicht macht einfach jeder und jede das, was er oder sie am besten kann, die Franzosen bleiben weltlich (gutes Essen, die Liebe, das Kino) und machen Filme, die Deutschen synchronisieren seltsam, werden metaphysisch und richten den Blick nach oben?

Damit soll es vorerst reichen mit nationalen Klischees. Zur Versöhnung und Verbindung der beiden so unterschiedlichen Filmtitel könnte man ja den Todesengel anführen, der Samurai und Engel verbindet – und genau so ein Todesengel, ein beinharter Killer und Auftragsmörder, ist die Hauptperson in dem Film. Aber genug der filmischen Illusionen und zurück zur betonharten Wirklichkeit: zur Wand. Neben dem Vorwand ist ja auch die Leinwand eine Wand. Die Leinwand mit dem Werk bildet in gewisser Weise eine Trennwand, nämlich zwischen Künstler und Betrachter. Zwischen dem oder der vor und dem oder der hinter der Leinwand. Wie beim Film, wo der hinter der Kamera für den Kinobesucher nicht sichtbar, aber als Filmemacher eben doch präsent ist. Genau wie der Filmemacher, der beim Dreh das Publikum im Kinosaal nicht sehen kann, während er doch weiß, dass von diesen künftigen Betrachtern, die bald den fertigen Film sehen werden, so viel abhängt: Wohlwollen, Urteil der Kritik, Ruhm, vielleicht auch das ökonomische Überleben und die Möglichkeit, auch in Zukunft weiter Filme drehen zu können.

Für einen Maler sind die Investitionen natürlich geringer als bei einer großen Kinoproduktion, aber auch hier ist die Leinwand einerseits eine abstrakte Trennwand hin zum Betrachtenden und andererseits doch auch ein Band. Die Brücke hin zum Publikum. Aber viel Schlaueres dazu hat Roland Barthes geschrieben, zum Beispiel in seinem berühmten Essay „Die helle Kammer“, der vor ziemlich genau 40 Jahren erschienen ist. Übrigens interessierte der sich auch ziemlich für Japan, zum Beispiel für die Haikus. Gehen wir lieber wieder auf Brückensuche. Eine Brücke lässt sich auf alle Fälle zwischen den beiden erwähnten Bildern finden, mit Japan, genauer gesagt mit der Assoziation des japanischen Schwertkämpfers. Und ebenso können wir eine Brücke betreten, die vom großen Filmliebhaber Hahn zu Melville führt.

Interessant sind die interkulturellen Bezüge und Sprünge, die es bei Jean-Pierre Melville – und auch bei Hahn – zu entdecken gibt. Der Regisseur Jean-Pierre Melville verortet sich und sein Werk in der Tradition des amerikanischen Kinos, auch viele seiner Lieblingsregisseure sind Amerikaner, und doch ist er auf seine Art ein durch und durch französischer Filmemacher. Auch wenn seine Helden in schummrigen Bars gerne Whisky bestellen und im Hintergrund fast immer cooler Jazz gespielt wird.

Seine Interviews bestätigen es immer wieder: Nach seinen Lieblingsfilmen und Vorbildern gefragt, nennt Melville kaum französische Regisseure und Werke. Regelmäßig dagegen spricht er von seiner Liebe zum fernöstlichen Kino, vor allem zu Akira Kurosawa, dem künstlerisch gesehen vielleicht wichtigsten japanischen Regisseur des 20. Jahrhunderts. Während des 2. Weltkriegs, zur Zeit der japanischen Militärdiktatur, warf das Regime Kurosawa vor, in seinen Werken „zu westliche und zu demokratische Werte“ zu vertreten. Es zeigt sich deutlich: Der so stilprägende japanische Regisseur, sieben Jahre vor Melville geboren, ließ sich selbst wiederum stark vom amerikanischen Film und vom europäischen Autorenkino beeinflussen.

Wie gesagt, diese Inspiration war keine Einbahnstraße: Dank seiner Meisterwerke entdeckte die westliche Welt wiederum die große Vielfalt des japanischen und überhaupt asiatischen Kinoschaffens. Musterbeispiel ist hier sicherlich der Film Die sieben Samurai/Shichinin no samurai von 1954. Kurosawa erzählt darin eine fesselnde Geschichte über ein kleines Dorf, das regelmäßig von einer unbarmherzigen Räuberbande ausgeplündert wird – bis die verzweifelten Bewohner eine kleine Gruppe Samurai anheuern, um sich von der Tyrannei durch die zahlenmäßig weit überlegene Bande zu befreien. Das Potential dieser filmisch meisterhaft erzählten Parabel wurde auch im Westen erkannt, und der US-amerikanische Regisseur John Sturges wagte das interkulturelle Experiment, und übertrug die Handlung dieses „Easterns“ ausgerechnet in das ohne Frage amerikanischste aller Filmgenres, den Western. So entstand 1960 der ausgesprochen erfolgreiche Streifen Die glorreichen Sieben/The Magnificent Seven (und Stephen King verarbeitete das Thema in seiner Buchreihe Der dunke Turm im 5. Band Wolfsmond/The Wolves of Calla). Aus den fernöstlichen Schwertkämpfern von Kurosawa wurden also bei Sturges arbeitslose Revolverhelden unter der heißen Sonne Mexikos – verkörpert unter anderem von Yul Brynner, Steve McQueen, Charles Bronson – und dem sehr jungen deutschen Schauspieler Horst Buchholz. Nach Joe Hembus, dem größten Westernkenner hierzulande, markierten die Magnificent Seven „den Beginn des japanischen Zeitalters im Western“, der Stern wiederum lobte ausdrücklich „die aufregenden Kampfszenen“ – vielleicht ja, weil die Kriegskunst der Samurai auf der Leinwand gelegentlich ein wenig durchschimmerte?

Wie auch immer: Es war kein müdes Remake, beide Filme waren kommerzielle wie künstlerische Erfolge. Vor allem das Werk Kurosawas, der wiederum selbst einige Western gesehen haben dürfte, bevor er sich in Japan ans Drehen machte, gilt als Meisterwerk sowohl des japanischen als auch des internationalen Kinos, ein Meilenstein der Filmgeschichte von zeitloser Eleganz und Wirkung. 

Melville, der den amerikanischen Film so liebt, lässt sich als Filmemacher also auch inspirieren von Kurosawas Werk. Er adaptiert bis zu einem gewissen Grad diesen Stil, und schafft damit französische Filme, die wiederum für Frankreich und das europäische Autorenkino stilprägend werden sollten. Der Regisseur wird heutzutage von manchen Kritikern als ein Vertreter des „film noir“ französischer Prägung eingestuft. Ursprünglich war der Begriff film noir nur die französische Bezeichnung für die amerikanischen Krimis der „Schwarzen Serie“ der 40er und 50er Jahre à la Hammett und Chandler, bis er von einigen Kritikern auch auf das französische Gangsterkino angewendet und erweitert wurde. Weitaus wichtiger aber ist für Melvilles Werk ein ganz anderes Etikett: Der Regisseur wird zwar nicht als Vertreter, aber immer wieder als eine Art Urvater für eine ganz neue Art von Filmen bezeichnet, die einen entscheidenden Schritt und Schnitt machten: Für den radikalen Durchbruch des modernen französischen Kinos, die Nouvelle Vague.

Filmgeschichtlich ist Melville dafür etwas zu früh, beziehungsweise noch der vorangehenden Generation zugehörig, als die jungen Wilden wie François Truffaut, Louis Malle, Claude Chabrol oder Jean-Luc Godard in den Cahiers du Cinéma und mit ihren ersten Werken wie Sie küssten und sie schlugen ihn/Les Quatre Cents Coups oder Außer Atem/À bout de souffle (1960) die filmische Revolution ausrufen. Aber er gilt als ein entscheidender Vorläufer, als Miterfinder und „Prä-Nouvelle-Vague“-Künstler, dessen filmischem Werk die jungen Filmemacher neugierig folgen, um von seinen Fußstapfen aus mit eigenen Ideen die etablierte Filmwelt zu verändern.

Jean Pierre Melville © Wiki-Commons

Aber zurück zu Melville, denn die Nouvelle Vague muss in anderen Ausstellungskatalogen weiter gewürdigt werden. Melville rezipiert also unter anderem die Meilensteine des japanischen Kinos, und Kurosawas im Besonderen, um dank dieser Inspirationsquellen sehr französische Filme zu machen, während er selbst, vielleicht mit einem verschmitzten Augenzwinkern – und einer nicht so gut geputzten Brille – sich im Grunde als amerikanischer Filmemacher versteht.

Aber der nächste interkulturelle Sprung ist schon in Sicht: Denn in Asien, vor allem in Japan, aber auch in Hongkong – das damals als britische Kronkolonie eine ganz eigene, von China unabhängige Filmtradition entwickelt hatte – und in Südkorea entdeckte man Melvilles Gangsterepen. Sicher nicht die Masse der Kinogängerinnen und -gänger in diesen Ländern, aber doch die Filmschaffenden. Befragt nach ihren Lieblingsfilmen, nennen zahlreiche Regisseure dieser drei Länder Titel wie den eiskalten Engel oder Le doulos, den Teufel mit der weißen Weste.

Melvilles Filme beeinflussen so das cineastische Schaffen in Japan oder Südkorea, und analog zum französischen Genre des „film noir“ entsteht so etwas wie ein „Hongkong noir“ mit halbseidenen Figuren, zwielichtigen Drogenhändlern und hartgesottenen Ganoven, die sich wüste Verfolgungsjagden und Duelle in den Hochhausschluchten der Kronkolonie liefern. Zur Riege der asiatischen Regisseure, die explizit Melville als Vorbild nennen, zählt zum Beispiel der erfolgreiche hongkong-chinesische Filmemacher Tsui Hark, der als Regisseur oder Produzent von den 80ern bis heute zahlreiche Action-, Kung-Fu und Schwertkampf-Epen drehte, wie auch die poetisch-rasante Chinese Ghost Story/Qiànnǚ Yōuhún (1987). Zu seinen asiatischen Verehrern gehören aber auch der immens erfolgreiche Action-Spezialist John Woo aus Hongkong, der sich mit The Killer/Die xue shuang xiong 1989 stark an Le Samourai anlehnte, oder aus Südkorea Filmemacher wie Kim Jee-woon, Regisseur des von Melville inspirierten Gangsterfilms A bittersweet life/Dalkomhan Insaeng (2005), oder der auch hierzulande bekannte Regisseur Park Chan-wook.

Aber sehen wir uns nochmals die zwei Bilder von Hahn genauer an. Das Bild „Le Samourai“  zeigt das Plakat, aber nicht in seiner französischen Originalversion, sondern in der japanischen Fassung. Das Gemälde zeigt uns also das Plakat eines Films, der nicht zuletzt auf der Grundlage japanischer Inspirationsquellen geschaffen wurde, und der eines der größten Meisterwerke des französischen Kinos der sechziger Jahre darstellt, nicht in der Fassung des Herkunftslandes. Sondern vielmehr so, wie es sich nach dem Rücksprung über den eurasischen Kontinent in Richtung Osten, auf die japanischen Inseln präsentierte. Wir sehen also das Plakat, das seinerzeit die Fassaden japanischer Kinos schmückte, um aufgeschlossene Kinogänger in Tokio und anderen Metropolen in einen „exotischen“ Film aus dem Westen zu locken.

Die interkulturelle Vorgeschichte und die verschlungenen Rezeptionsverwirrungen umkreisen sich hier selbst, sozusagen, auf raffiniert-verspielte Art und Weise. Kulturelle Aneignung, filmhistorische und interkulturelle Lesarten, wie sie das Bild augenzwinkernd anbietet, passen wie gesagt auch sehr gut zu Melville selbst mit seinen nichteuropäischen Lieblingsfilmen.

Aber auch auf der Bildebene passt das Werk „Le Samourai“ gut zu Melville. Wir sehen auf dem von Hahn künstlerisch bearbeiteten Plakat neben dem kühlen Gesicht Delons mehrere Hände, die Waffen halten, zielen, schießen… Delon bei der Arbeit, wie er das Tag- (oder besser Nacht-)werk eines Auftragskillers verrichtet, umgeben von japanischen Schriftzeichen und dem Qualm aus den Waffenläufen. Das Plakat wie auch der Film selbst zeigen eine Welt, in der Männer als einsame Helden wenig reden und viel schießen und effizient ihr Geschäft verrichten, ob als Polizist, kleiner Gangster oder Schurke der besseren Gesellschaft, wie grausam auch immer es sein mag. Und dabei notfalls, und manchmal sogar ohne zu klagen, in den offensichtlich zu erwartenden Tod gehen.

Diese Welt der harten, schweigsamen und vor allem einsamen Männer, der tristen Helden, in der Frauen kaum eine Rolle spielen, höchstens als flüchtige Geliebte oder als Jazzsängerin in den Pariser Nachtclubs, breitet Melville in seinen formvollendeten Gangsterepen eindrucksvoll vor uns aus – meisterhaft in Szene gesetzt und verstärkt durch umwerfende, kompositorisch perfekt geplante Kamerabilder und wunderbare Jazzarrangements. In Le Samourai spricht erst in der 9. Minute einer der Protagonisten ein Wort. Doch, um sich von der Phantasie der faszinierenden Filmbilder zu lösen: Ein davon nicht weit entferntes männliches Selbstbild, diese Rollenbilder des einsamen Kriegers, der wenig Gefühle zeigt und sich nicht mit Worten, sondern mit brutaler Gewalt ausdrückt, und der jederzeit bereit ist, auf einen Befehl hin oder aufgrund irgendeiner Art von „Schicksal“ in den Tod zu gehen, solche Männer- und Heldenbilder haben auch in Japan eine entscheidende Rolle gespielt. Und neben dem Titel verweist Melville auch durch ein Zitat im Vorspann des Films auf Japan und die Samurai-Traditionen. Dieses Kriegerbild spielte in Japan eine große Rolle: Als in dem fernöstlichen Land vor und während des 2. Weltkriegs eine ganz eigene Form der Militärdiktatur herrschte, die parallel zum westlichen Faschismus deutscher und italienischer Prägung als eine der drei Achsenmächte die Welt mit einem brutalen Angriffskrieg überzog.

Schwarzer Regen – Friedemann Hahn, 2020 Lack, Holzrahmen, Panzerband, Alufolie, japanischer Holzschnitt, 48 x 37 cm, Arbeitsfoto © FH

Und hier schließt sich der Kreis, denn der pazifische Krieg, den wir in Europa bei der Erinnerung an den 2. Weltkrieg manchmal zu vergessen drohen, führte auch in Asien zur Katastrophe. Beendet wurde der Angriffskrieg Japans mit dem Abwurf der beiden Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki vor fast genau 75 Jahren. Eine weitere, nicht weniger fürchterliche Folge eines Atombombenabwurfs aber ist der sogenannte Schwarze Regen, der hoch radioaktive Staub- und Ascheregen, der diejenigen tötet und tödlich verseucht, die der eigentlichen Explosion entkommen sind. Der japanische Autor Ibuse Masuji schildert in seiner in seinem Heimatland berühmten Erzählung „Schwarzer Regen/Kuroi ame“ aus dem Jahr 1965 die grausamen Auswirkungen, und setzt sie in Kontrast zur Schönheit der japanischen Landschaft. Hahn baut mit diesem raffiniert und klug gewählten Titel für sein Werk eine bildliche Brücke. Das Ethos des Kriegers und Samurais als bedingungslos seinem Kaiser gehorchenden Krieger verbindet sich mit den grauenhaften Folgen. Von der japanischen Diktatur und dem männlichen Ideal völligen militärischen Gehorsams zieht sich eine direkte Linie hin zum Krieg und zum schrecklichen Ende, der Atombombe und dem hunderttausendfachen Strahlentod.

So bilden sich aus dem Zusammenspiel beider Werke Assoziationsketten, die mich nicht kalt lassen: Auch ich bin ein Verehrer von Melvilles Gangsterepen, auch mich berührt die kühle Härte der ebenso eindrucksvollen wie einsamen Männer und ihrer ebenso skrupellosen wie heroischen Opfergänge, auch ich schaue ihnen fasziniert zu, und wundere mich ein wenig über mich selbst. Und auch ich, merke ich, tappe willig in die so kunstvolle Identifikationsfalle, perfide durch die meisterhafte Inszenierungskunst Melvilles vorbereitet. Es ist eine rätselhafte Faszination, die der französische Regisseur entstehen lässt, der als Sohn elsässischer Juden und als ehemaliges aktives Mitglied der Résistance ohne Zweifel jeder Art von faschistischer Ideologie fernsteht. Trotzdem schafft er in seinem Werk diese faszinierenden Figuren, diese tragischen einsamen Wölfe. Heroisiert er sie oder will er die Mechanismen und Klischees nur offenlegen und uns bewusst machen?

Hahns Werk „Schwarzer Regen“ zeigt mit dem bewaffneten Krieger und seinen semiotischen Verweisen wie dem Titel des Bildes auf Krieg, Diktatur und Tod. Das Bild führt mir vor Augen, wohin dies in letzter Konsequenz und im wirklichen Leben führen kann. Und mir wird klar, dass es hier nicht allein um Japan geht. Denn die vielfältigen interkulturellen Wurfanker, die von dem Bild „Der Samourai“ in alle möglichen Richtungen führen, machen mir deutlich, dass wir es hier mit globalen Phänomenen zu tun haben.

Jetzt trennt sie nicht mehr, die Wand der Leinwand. Einer der Wurfanker kam durch – und hat mich erwischt…!

Alexander Sancho-Rauschel, geboren 1967 in Genf (CH). Nach Stationen in Barcelona, Wetzlar und Stuttgart zum Studium nach Freiburg. Magister in Neuer Geschichte und Politikwissenschaft – und ein Erasmusjahr in Dublin. Pressearbeit für die Europäische Union in Brüssel und Bonn. Zurück in Freiburg Radiojournalismus (Lieblings-themen: Film- und Populärkultur), Redakteur beim Amtsblatt der Stadt Freiburg. Eigene Veranstaltungen mit historischen amerikanischen Hörspielen, dazu Vorträge zur Film- und Comicgeschichte, Seminare, Erwachsenenbildung u.a. für Goethe-Institut und Carl-Schurz-Haus/Amerikahaus. Heute Kommunikationsreferent des Freiburger Ober-bürgermeisters, außerdem ehrenamtlicher Redakteur der interkulturellen InZeitung.

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