Geschrieben am 1. September 2020 von für Crimemag, CrimeMag September 2020

Alexander Jöckel: Star Trek Picard

Die Auferstehung einer Legende

„Kein Vermächtnis ist so reich als Ehrbarkeit.“[1] So beiläufig dieses William Shakespeare-Zitat von Admiral Jean-Luc Picard[2] in der gleichnamigen Serie auch erwähnt werden mag, so illustriert es doch den Kerngedanken der Hauptfigur.

Science Fiction-Autoren greifen oft aktuelle gesellschaftliche Probleme auf, um diese kritisch zu beleuchten. In der Serie Picard beziehen sich die Autoren auf das Thema Migration (s. Mauer zwischen USA und Mexiko) und auf den Umgang damit durch Politiker: isolationistisches und national-territoriales Verhalten (s. Brexit). Die Romulanische Sonne wurde zwischenzeitlich zur Supernova.[3] Die Föderation sicherte anfänglich bei der Rettungsaktion von über 900 Millionen Romulanern ihre Hilfe zu, stellte diese dann aber auf Druck einiger Mitgliedswelten aus politischen Gründen ein. Außerdem waren zu diesem Zeitpunkt die Romulaner immer noch die erklärten Feinde von einigen Mitgliedswelten der Föderation. Hinzu kommt: Die Romulaner selbst haben eine durch Mistrauen und Bespitzelung geprägte Kultur. Picard sah es aber als menschliche und moralische Pflicht an, gemäß den Grundprinzipien der Föderation zu helfen und nicht zu entscheiden, welches Volk denn sterben müsse. Dies führte letztlich zu einem Bruch von Picard mit der Föderation; der Admiral ging in den Ruhestand. 20 Jahre lang haderte er auf dem Familien-Weingut der Picards in Frankreich mit dem Geschehenen und seinen Schuldgefühlen – auch wegen des Todes von Ltd. Com. Datas, den er nicht hat verhindern können. Auftakt der Serie bildet ein Interview mit Picard, in dem er zum Schluss seine Verbitterung bezüglich der Vorgehensweise der Föderation darlegt. Gleichzeitig geschieht ein Mord; und die Überlebende sucht Hilfe bei Picard. Um allzu sehr Spoiler zu vermeiden, wird hier nur darauf hingewiesen, dass er ab dann eine neue Mission annimmt, um Unschuldige zu retten. 

Die Serie baut nicht nur Handlungsstränge aus Next Generation und den Spielfilmen ein, sondern es treten auch bekannte Charaktere aus dem Star Trek-Universum auf, die Picard tatkräftig bei seiner Mission zur Seite stehen. Des Weiteren wird auch der Umgang mit Künstlicher Intelligenz aufgegriffen, was schon in der Serie Star Trek Next Generation mit Lt. Com. Data begann. So will Commander Maddox, der führende Wissenschaftler in der Föderation für Künstliche Intelligenz, Experimente mit Data durchführen,[4] um ihn beliebig oft nachbauen zu können. Dabei stellt sich die Frage, ob Data Eigentum der Sternenflotte oder ein eigenbestimmtes Lebewesen sei. Während der Gerichtsverhandlung stellt Picard in seinem Plädoyer die Frage, ob dadurch nicht die Föderation auch eine neue Sklavenrasse von Arbeitern schaffen würde. Ab wann wird also aus einer intelligenten Maschine ein Lebewesen mit allen Rechten und Pflichten? Und heißt man diese KI in der Gesellschaft willkommen oder reagiert man mit Angst und Misstrauen?

Der Unterschied zur Next Generation liegt in der neuen Serie darin, dass die Charaktere nicht so steif wirken und die Geschichte dynamischer erzählt wird. Die realistische Darstellung von Gewalt fällt nun expliziter aus, was wohl auch durch die inzwischen besseren Spezialeffekte ermöglicht wird, und um den aktuellen Ansprüchen des Publikums an Actionszenen gerecht zu werden. Da es sich aber um eine Serie und nicht um einen Kinofilm handelt, sind viele künstlerische Darstellungen von Raumschiffen und der Umgebung wohl einfach aus Kostengründen im Copy Paste-Verfahren entstanden. Der Einfluss der Spezialeffektindustrie anderer Filme ist auch in dieser Serie unübersehbar. So wirkt der Anflug auf einen Bork-Kubus wie der auf einen Imperialen Todesstern in Star Wars; und ein Dimensionenportal, aus dem die ‚finsteren Aliens‘ hervorkommen, wirkt so, als stamme es direkt aus dem Marvell-Universum.[5] Auf Glitzer- und Lichtspiegeleffekt wie in den letzten Kinofilmen[6] wurde aber glücklicherweise weitgehend verzichtet; es werden eher die charakterlichen Schattenseiten und Schicksalsschläge der Figuren beleuchtet. Mal ehrlich, wer möchte schon einen blendenden Arbeitsplatz, wo den ganzen Tag lang einem Lampen direkt ins Gesicht strahlen? Das ist doch Folter.

Im Gegensatz zu Next Generation wird aber bei Picard neben kleineren Rahmenhandlungen in der gesamten Staffel eine durchgehende Storyline verfolgt. Das schafft Raum, um Charaktere und Spannung aufzubauen. Star Trek Discovery war dabei ein hervorragender Zwischenschritt, um einen Bogen von den vorangegangenen Serien zu einer neuen Erzählweise zu spannen. Die Umsetzung bei der Serie Picard scheint durchaus gelungen und lässt sie von der Aufmachung her wieder näher an die Föderation von Next Generation rücken.

Die Föderation im Jahr 2399 ist oberflächlich eine fortschrittliche Welt, in der Armut, Hunger und Krankheit keinen zentralen Stellewert mehr einnehmen. Dennoch eine Welt voller sozialer Probleme in einem scheinbar unfreundlichen Universum, wo immer noch letztendlich Konflikte mit Waffengewalt gelöst werden. Aber rückblickend setzte schon in Next Generation Picard, Kapitän des Forschungsschiffs Enterprise, neben Diplomatie sehr oft Photonentorpedos (Antimateriebomben), Quantentorpedos[7] (Bomben, die zusätzlich zu Antimaterie noch Energie aus einer quantenmechanischen Subraum-Reaktion ziehen) und Phaser (Phasenmodulierte Partikelstrahlwaffen) gegen die bösen Jungs ein, um seinen Standpunkt durchzusetzen.

Die Faszination von Star Trek liegt in den unendlichen Weiten des Universums, in denen so vieles Unmögliche dennoch möglich erscheint, bis hin zu giftigen Einhornhasen und planetarischen Verteidigungssystemen aus riesigen Blumen. Im Vergleich zu den zwischenzeitlichen Star Trek-Filmen scheint es bei Picard tatsächlich auch erzählerisch gelungen, ein nachhaltiges Gefühl von der Föderation zu erzeugen, wie man es aus Next Generation kennt. Dennoch wird mit Hilfe der Besetzung der Bogen von Next Generation über Raumschiff Voyager in eine düstere Zukunft gespannt. Und endlich wurde von den Machern der Mut gefunden, die Geschichte der Föderation auf der etablierten Zeitschiene weiter zu erzählen, und sich nicht immer auf Prequels, Sequels und Neuverfilmungen von schon gekappten Storylines mit Kapitän Kirk und Spock zu beziehen. Und wir dürfen gespannt sein, was wohl aus den Borg geworden ist. Picard stellt sich wieder der dunklen Kälte des Universums, seinen Dämonen aus der Vergangenheit und lässt nicht nur für die Fangemeinde auf mehr in den Folgestaffeln hoffen. Bei diesem anfänglich dystopisch wirkenden Ansatz der Geschichte vermisst man aber zur Auflockerung manchmal einen gewissen Humor, wie z.B. aus Deep Space 9, wenn ein Ferengi (Quark) einem Vulkanier die Vorteile des Kapitalismus nahe zu legen versucht. Und der Konsum von Earl Grey Tee spielt diesmal auch nur eine periphere Rolle.

Alexander Jöckelhier bei uns.

Zur Vorgeschichte: Markus Pohlmeyer: Star Trek: Picard. Die einzige und letzte Hoffnung. Ein Essay, hier bei CulturMag, Zugriff am 1.5.20


[1] William Shakespeare; Ende Gut, alles Gut. Dritter Aufzug, Fünfte Szene: gesichtet 24.08.2020.

[2] Siehe dazu Wikipedia: Jean-Luc Picard, gesichtet 24.08.2020. 

[3] Siehe dazu Star Trek – Die Zukunft hat begonnen, gesichtet 24.08.2020. 

[4] Siehe dazu Star Trek – Next Generation; Wem gehört Data?, Staffel 2 – Folge 35: gesichtet 24.08.2020.  

[5] Siehe dazu Marvell’s The Avengers, gesichtet 24.08.2020.  

[6] Siehe dieses Foto dazu, gesichtet 26.08.2020. 

[7] Siehe dazu Wikipedia: Star-Trek-Technologie, gesichtet 23.08.2020.

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