CrimeMag Februar 2023 Category

Wer liest, sammelt Sätze. Manchmal bewußt. Manchmal ist ein einziges Wort ausschlaggebend: hartnäckig taucht es immer wieder auf. Fliege, zum Beispiel. Oder Mitternacht. Oder Asphalt. In ganz unterschiedlichen Büchern und Zusammenhängen, bei ganz unterschiedlichen Schriftstellern. Solche Fliegensätze oder Mitternachtssätze oder Asphaltsätze finden, immer elf an der Zahl, in der Serie ‚Spielwort‘ ihren Platz. Ein Spaß, ein Zeitvertreib. Und eine andere Art, auf Bücher zu deuten. Spielwort: Ohren Elf Zitate zusammengelesen von Ingrid Mylo             Nun aber begriff er den eklatanten Unterschied zwischen einem Ohr, das allein dazu bestimmt war, bedeutsame Dinge zuRead More

Posted On Februar 1, 2023By Joachim FeldmannIn Crimemag, CrimeMag Februar 2023

Tony Hillermann, wiederaufgelegt

Joachim Feldmann über ein schwieriger gewordenes Terrain Es war wohl nur eine Frage der Zeit, bis auch das Werk des amerikanischen Schriftstellers Tony Hillerman (1925 – 2008) der Vorwurf der kulturellen Aneignung erreichen würde. Schließlich hatte er als weißer Amerikaner zwischen 1970 und 2006 siebzehn Kriminalromane veröffentlicht, die vor allem im Navajo-Reservat in Arizona und New Mexico spielen und deren Protagonisten, Lieutenant Joe Leaphorn und Officer Jim Chee, für die Navajo-Polizei ermitteln. (Seit 2013 wird die Reihe von Hillermans Tochter Anne fortgeführt.) Der Unionsverlag bringt nun eine Neuauflage von TonyRead More
Siegel Ein Gedicht manchmal wieDurch einen gefrorenenSee einzubrechen, du aber nichtErfrierst, auch wenn das Wasser kaltWäre oder die Oberfläche wiederZufröre. Du wirst zurückschauen, gehstWeiter. Trockenen Fußes. An Land.Ein wenig erschüttert. Im Rückblick.Im Sonnenschein. Imago I 1 Schaute einen Film über die Seidenstraße:Da, ein Land so reich an Philosophen, Mathematikern,Astronomen, Entdeckern und mutigen, einfachen, neugierigenLeuten, für die unsere Welt nie groß genug sein konnte:AberWie kann nach dem Ende der FremdherrschaftDenkmäler und Statuen eines Massenmörders aufstellen? 2 bene dicti+ „Die deutsche Bürokratie konnte sich auf Präzedenzfälle stützen, verfügte über eine Richtschnur; dieRead More

Posted On Februar 1, 2023By Gerhard BeckmannIn Crimemag, CrimeMag Februar 2023

Gerhard Beckmann: Pasolini, neu gesehen

Eine neuartige Deutung Pasolinis als Kulturvisionär                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                  „Mir scheint, dass die Vergangenheit im Hinblick auf die Gegenwart die einzige wirkliche Widerstandskraft ist.“ – Pier Paolo Pasolini in einem  Interview mit Gideon Bachmann 1972                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                           Es ist ein überraschendes persönliches Bekenntnis. Noch erstaunlicher ist, dass es von einem prominenten deutschen Kulturmenschen und Mann des Theaters kommt. Moritz Rinke hat es  abgelegt: „Es sind die  besonderen Spieler und ihre Bewegungen“ auf dem Fußballfeld, „die einen für ein ganzes Leben prägen können.“ Und es erregt überdies Aufsehen, dass Moritz  Rinke es in einem Vorwort zu dem Pasolini-Buch Valerio CurciosRead More
Zuschauen, während man sich selber hinterherfliegt Joachim Feldmann über Wilhelm Genazinos Aufzeichnungen 1972 – 2018 „Der Traum des Beobachters“ Frankfurt 1972: Im Augustheft der satirischen Monatszeitschrift „pardon“ wird Literaturgeschichte geschrieben. Ein Autor, so heißt es in dem Artikel von Redakteur Bernd Rosema, wolle „einen Roman im Auftrag seiner Leser“ verfassen. Für nur zehn Mark könne man sich ein Exemplar eines bereits konzipierten „historischen Romans aus dem Jahre 1972“, der in der Frankfurter Kulturszene spiele, sichern. Das Buch werde „Die Vollidioten“ heißen, und das bezeichne mitnichten die Romanfiguren, sondern sei eineRead More
Anderweitig bemühte Fliegen und ein Kinderwitz             Der Titel ist schon mal schön, ‚Diverse Wunder‘, da siehst du die Auslage gleich vor dir, das Schaufenster voller Farben und Pracht, ungeordnet, eine vielversprechende Wirrnis leuchtender Verlockungen, und klar, denkst du an Tucholsky, der hätte vielleicht maliziös gefragt: „Was für Wunder hätten Sie denn so im Angebot.“ Wunder, in denen Fische zuhauf kursieren wie nachbarschaftliche Gerüchte, die sich, natürlich, als falsche Behauptungen erweisen (aber das darf man ja jetzt, das soll man sogar: andere anschwärzen, ungestraft, während die Angeschwärzten in Zukunft beweisen müssen, daß sie dasRead More
Sprachgymnastin im Dienst der Asylbehörde Zu Shumona Sinhas Roman „Erschlagt die Armen“ Das Buch ist 2011 in Paris und vor sieben Jahren auf deutsch erschienen, in der edition Nautilus, wo schon lange bevor es Mode wurde, Stimmen von weither und von jenseits der literarischen Hauptstraßen nach Deutschland transportiert wurden. Ich habe es zufällig in der Bibliothek gefunden, und es ist das Ehrlichste von vielen Büchern, die ich über Geflüchtete, über Asylbewerber und die einsamen fremden Männer gelesen habe, die eingeklemmt in bürokratische Verfahren auf ein Bleiberecht hoffen.  Die Erzählerin istRead More
Bruch im Biographieren Ein Leseheft über die polnische Auschwitz- und Buchenwald-Überlebende Alina Dąbrowska, erstellt von Studierenden aus Jena und Warschau, wird zum Zeugnis des Verlusts von kommunikativem Gedächtnis. Umso wichtiger ist, dass und wie diese Broschüre gelesen wird. ‚Sto lat, sto lat – niech żyje, żyje nam‘, singt man in Polen zum Geburtstag: Hundert Jahre alt mögest du werden. Alina Dąbrowska, geborene Bartoszek, Widerstandskämpferin aus Pabienice bei Łódż, der nach ihrer Verhaftung  und Deportation nach Auschwitz die Häftlingsnummer 44165 eintätowiert wurde und die Birkenau ebenso wie die Todesmärsche in Außenlager der KZsRead More
Immer vorbildgetreuer! Wenn man die Märklin-Kataloge der vergangenen Jahrzehnte durchblättert, fällt auf, dass die Entwicklung zur vorbildgetreuen Miniatur-Nachbildung der „großen“ Bahn sehr allmählich erfolgte und nicht etwa das Produkt einer einmaligen unternehmerischen Idee war. Bereits von der frühesten Geschichte des Unternehmens an hatte man sich bemüht, Modelle herzustellen, die dem Vorbild möglichst irgendwie ähnlich sahen. Aber zum Beispiel erst in den 1950er Jahren bekamen die Modelle die Baureihennummern eines ganz bestimmten großen Vorbilds (wie etwa „44 690“ (vorher „G 800“ als Produktname) oder „E44 039“ (vorher „SE 800“)) und auch erst ab1953 versteckte man schamhaft denRead More
Miniversum. Thesen zu Spur Z Markus Pohlmeyer über die Liebe zur Modelleisenbahn – Philosophie der Modelleisenbahn (2) Märklins „Mini-Club“ Spur Z (1:220) feierte 2022 das fünfzigjährige Jubiläum. Normalerweise war ich seit meiner Kindheit mit Märklin HO sozialisiert worden. Dann kam die Corona-Krise. Nicht mehr in meinem Büro an der Universität sein zu können, war unter anderem nun auch ein Raumproblem. Meine Modelleisenbahnplatte zu Hause wurde zum Bücherstapeln umfunktioniert und als Korrekturfläche verwendet. Die Lokomotiven und Waggons verwandelten sich von technisierten Mitbewohnern zu musealen Objekten im Regal und müssen nun ihren PlatzRead More

Posted On Februar 1, 2023By Christian Y. SchmidtIn Crimemag, CrimeMag Februar 2023

Christian Y. Schmidt: „Corona Tests Beijing“

Die Familienähnlichkeit erkennen Christian Y. Schmidt ist ein Reisender zwischen den Welten und in China verheiratet. Corona setzte seinen Weltenwechseln ein jähes Ende, schränkte die Beweglichkeit stark ein. Erst 2022 konnte er wieder reisen. In den knapp acht Monaten, die er sich im letzten Jahr in Peking aufhielt, musste er sich rund 75 mal einem PCR-Test unterziehen, davon 69 mal in Folge. Aus seinen Beobachtungen und Erfahrungen dabei hat er nun ein Buch gemacht, das – ergänzt von Fotos, die er und seine Frau Gong Yingxin machten – einen seltenenRead More
Vorbemerkung: Das ist der zweite Teil eines Textes, dessen Ursprungsfassung ich für Ulrich Peltzer schrieb, der (mit wenigen anderen) das Fach „Literarisches Schreiben“ in der Kunsthochschule für Medien Köln (KHM) aufbaute, aus Anlass seines altersbedingten Ausscheidens aus der Hochschule. Alles Gute für die Zeit nach der KHM, Ulrich! – Der erste Teil dieses Textes erschein bei uns in der Januar-Ausgabe 2023, d. Red. 6. Die Übersetzung von Eva Rechel-Mertens, Proust, wurde nach dem Erscheinen der ersten Bände gefeiert. „Mit wenigen Ausnahmen fielen die Reaktionen auf das Unternehmen, eine vollständige Ausgabe derRead More
Eine Begegnung mit Yoshihiro Narisawa – von Alf Mayer Ein Buch wie ein Drei-Sterne-Menü. Wie eine Pilgerfahrt. Eine Lektion in Demut und Erdverbundenheit. Yoshihiro Narisawa gehört zu den 100 besten Köchen der Welt, ist Inhaber eines mit zwei Michelin-Sternen ausgezeichneten Restaurants in Tokyo. Das Narisawa, im Süden Tokios im Stadtteil Minato gelegen und die ersten acht Jahre Les Créations de Narisawa benannt, gehört zu den weltweit 50 besten Restaurants. Die Vereinfachung des Namens ist Programm. Acht Jahre Lehrzeit verbrachte Narisawa in Europa bei Meistern wie Paul Bocuse and Joël Robuchon,Read More

Posted On Februar 1, 2023By Harald MuehlbeyerIn Crimemag, CrimeMag Februar 2023

Ein Film für Ennio Morricone

Meistermusik Eine Filmkritik von Harald Mühlbeyer Ennio Morricone (1928 – 2020) war der größte aller Filmkomponisten; vielleicht eines der größten musikalischen Genies überhaupt. Der italienische Regisseur Giuseppe Tornatore („Cinema Paradiso“) würdigt ihn in nun mit einem eigenen Film – und lässt den Maestro ausführlich zu Wort kommen. Ein Star lockt Menschen ins Kino. Dafür wurde das Starsystem erfunden, irgendwann in den 1910ern: Schauspieler werden aufgebaut zu mythischen Ikonen. So war das im Goldenen Hollywood, da wurden unter Aufgabe jedes eigenen privaten Lebens Menschen als Marketinginstrument der Studios zurechtgestutzt. Oder: EinRead More
Zehn weitere Anmerkungen Star Trek „Picard 2“ (2022) – von Markus Pohlmeyer 1) Wir könnten anfangen, anders zu denken. Picard 2 wagt dazu viele Experimente. Diese Staffel aus dem Star Trek-Kosmos erweist sich unter anderem auch als Beziehungsdrama und Entwicklungsroman im Science Fiction-Gewand. 2) Turn around. Am Ende wird Admiral Picard der Seven das Kommando übergeben: die nicht ohne Schwierigkeiten lernen musste, dass sie Mensch UND Borg ist und bleibt (und Raffi liebt). 3) Turn around. Am Ende wird eine neue Borg-Königin (ehemals eine Frau) Picard darum bitten, provisorisch in die Föderation aufgenommen zu werden:Read More