Karaoke – Stefan Beuse berichtet von den Erhabenheiten und Fallstricken der Welt. Diesmal: Sie haben nur eine Stimme. Nur noch sieben Sekunden bis zur Strophe. Noch sechs. Fünf. Vier. Bei einer normalen Dichterlesung sitzt der Dichter vor einem Glas Wasser und einer Handvoll Senioren und beantwortet anschließend Fragen. Junger Mann, wo nehmen Sie nur diese Ideen her? Haben Sie das alles wirklich erlebt? Solche Fragen. Interessanter sind Lesungen in Schulen. Dort wird man gefragt: „Kann es sein, dass Sie schreiben, um zu verstehen, warum Sie schreiben?“ – „Eine sehr intelligente
Read More Bernd Clüver macht Karriere – Stefan Beuse berichtet von den Erhabenheiten und Fallstricken der Welt. Diesmal: Die Literaturshow im Luxushotel. Abgehalfterte Showstars erkennt man gemeinhin daran, dass sie zur Eröffnung des neuen Möbelmarkts ins Gewerbegebiet Kattenvenne-Südwest geladen werden und dort vor 26 halbinteressierten Bratwurstessern Hossa machen müssen. Einige Ex-Sternchen jedoch haben aus der Not eine Tugend gemacht und die preisgünstige Resteverwertung ihres einstigen Glanzes vielleicht unbewusst zu einer eigenständigen Kunstform entwickelt. Wer erinnert sich heute noch daran, dass zum Beispiel Jürgen Drews oder Roberto Blanco damals als ernstzunehmende Künstler galten
Read More Das Bäckerinnen-Orakel – Stefan Beuse berichtet von den Erhabenheiten und Fallstricken der Welt. Diesmal: Kindheit, das transparente Band am Anfang der Kassette. Als das Kind Kind war, ging es, den Blick auf dem Boden, mit hängendem Kopf zur Schule, mochte sein Pausenbot nicht und trank Sunkist aus rauen Pappschachteln. Als das Kind Kind war, war es die Zeit der folgenden Fragen: Liebt mich Kerstin Zwirner oder tut sie es nicht? Warum bin ich hier und warum nicht bei ihr? Wie kann es sein, dass ich, der ich bin, bevor ich
Read More Als Letzter auf der Bank – Stefan Beuse berichtet von den Erhabenheiten und Fallstricken der Welt. Diesmal: Vorsicht, Herr Vorstandsvorsitzender! Alle Geschichten brauchen einen Motor. Das gilt auch für Lebensgeschichten. Der klassische dramatische Motor heißt: Konflikt. Ein Konflikt entsteht, wenn Menschen, die irgendwie miteinander verbunden oder aufeinander angewiesen sind, unterschiedliche Dinge wollen. Er will im Urlaub bergwandern, sie will am Strand liegen: Ein harmloser Interessenkonflikt. Spannend wird es, wenn er die dunkle Seite der Macht besiegen will, diese Position aber zufällig von einem nahen Familienangehörigen bekleidet wird. Dann kann daraus
Read More Der Cine-Komplex – Stefan Beuse berichtet von den Erhabenheiten und Fallstricken der Welt. Diesmal: Im Kino mit Benjamin. Mein Freund Benjamin und ich, wir gehen gern zusammen ins Kino. Das allein wäre für Leute, die uns kennen, schon Anlass genug für einen Tick-Trick-und-Track-artigen „oho“, „soso“, „hört-hört“ – Ausruf. Normalerweise nämlich hat jeder für sich schon genug damit zu tun, die Knie-von-hinten-in-den-Sitz-Drücker zu ertragen, das Gequatsche, Geknistere, Gefresse und Geraschel während des Films, das Auf- und Vor-einem-Rumstehen während des Abspanns. Da brauchen wir nicht noch jemanden, der „oh nein, voll peinlich“
Read More Die geschenkte Zeit – Stefan Beuse berichtet von den Erhabenheiten und Fallstricken der Welt. Diesmal: Mythische Orte – von Gewerbegebieten und Autobahnraststätten. Ich habe ein neues Hobby. Ich nenne es: Aus der Zeit fallen. Der Effekt ist erstaunlich. Aus der Zeit fallen kann man auf verschiedene Arten. Die einfachste Methode ist, viel zu früh zu einer Verabredung zu kommen. Probieren Sie das mal: Nicht auf den letzten Drücker loszuhetzen, sondern mindestens eine Viertelstunde zu früh am vereinbarten Treffpunkt zu sein. Ich verspreche Ihnen: Diese Viertelstunde wird Ihnen wie ein Geschenk
Read More Anleitung zum Frühlingmachen – Stefan Beuse berichtet von den Erhabenheiten und Fallstricken der Welt. Heute: Kunden fragen – Ihr Bio-Supermarkt antwortet. Wenn der Winter endlos scheint, wenn Erdbeben die globale Rotation beschleunigen und die Tage noch kürzer werden, dann entwickelt ein jeder von uns seine Strategie, die innere Finsternis etwas luzider zu gestalten, die vergletscherten Kantsteine der Seele ein wenig anzutauen, um so dem Menschen in uns Halt und Trittsicherheit zu geben. Nein, denken Sie über diesen Satz besser nicht nach. Lassen Sie ihn in sich entstehen wie den Ton
Read More Nackt unter Türstehern – Stefan Beuse berichtet von den Erhabenheiten und Fallstricken der Welt. Heute: Muskelhengste im Fitnessstudio. Es gibt grundsätzlich zwei Arten, wie Menschen mit ihren Traumata umgehen, analog zu den zwei Arten, wie Kinder mit ihren Ängsten umgehen. Das eine ist die „Bettdecke-über-den-Kopf“-Strategie (eine Schwester übrigens des „Ich-mach-die-Augen-zu,-dann-sieht-mich-keiner“-Irrtums), das andere ist die „Ich-mach-das-Licht-an-und-sehe-überall-nach,-damit-ich-mich-rational-davon-überzeugen-kann,-dass-hier-im-Zimmer-kein-Monster-ist“-Variante. Während Strategie A bei Kindern noch niedlich ist, wirkt sie bei Erwachsenen eher dümmlich. Umgekehrt Strategie B, die bei Kindern unsympathisch und altklug wirkt, bei Erwachsenen aber mutig. Eines meiner Kindheitstraumata ist Nacktheit. Ich hatte
Read More Stefan Beuse berichtet von den Erhabenheiten und Fallstricken der Welt. Heute: Facebooks schleichendes Gift oder der Auserwählte mit dem Wasserglas. Wie ich einmal die Matrix reloadete – Jaja, die Pubertät. Schwieriges Alter. Immer schon gewesen, klar. War die hormonelle Verirrung früher aber in Form von Pferdedecken, Leonardo-Gläsern und Bon-Jovi-Postern konkret sicht- und damit einschätzbar, verlagert sich das Ganze heute zusehends auf Ebenen, die dem elterlichen Zugriff komplett verwehrt bleiben. Die Pubertät findet nicht mehr im Jugendzimmer, sondern passwortgeschützt in virtuellen Räumen statt. Um den Gegner dennoch im Auge zu behalten, bediene
Read More Stefan Beuse berichtet von den Erhabenheiten und Fallstricken der Welt. Heute: Wie Jürgen Drews einmal unser Auto gekauft hat – Das Auto solle ich verkaufen, sagte meine Frau. Es fahre nicht mehr so gut, außerdem bräuchten wir keines. Es stehe die meiste Zeit nur rum und verursache Kosten. Okay, sagte ich, geh in dein Fitnessstudio. Wenn du wiederkommst, ist das Auto nicht mehr da. Das Auto wird sich in ein Bündel Scheine verwandelt haben, sagte ich wie ein Idiot aus einem idiotischen Film. Meine Frau verdrehte die Augen und verließ das
Read More Unangestrengt universell in der Schwebe: Am Thalia-Theater in Hamburg wird derzeit Ibsens Klassiker „Peer Gynt“ gespielt. Stefan Beuse hat sich die Inszenierung von Jan Bosse angesehen – und fand sie durchweg gelungen. Um die Wahrheit zu sagen: Ich bin nicht so der Theatertyp. Ich bin auch nicht so der Museumstyp. Was vielleicht daran liegt, dass mein Verständnis von Kunst eher konservativ ist. Wenn mich ein Bild nicht anspricht, gehe ich weiter. Ich setze keine Brille auf, um das Kleingedruckte daneben zu lesen. Ich gehe einfach weiter und warte darauf, dass
Read More Ein Bier für den Bürgermeister: Stefan Beuse war in Prag – und hat einem hoffnungsvollen Jungpolitiker eine wertvolle Lektion erteilt…
Read More Prof. Dr. Dschungelkind
Seit sich jeder Quadratzentimeter belebte Natur per Knopfdruck auf den Bildschirm holen lässt, seit keine noch so abseitige Frage im Netz länger als fünf Minuten unbeantwortet bleibt, spätestens aber seitdem die Bilder von mit Speeren nach Hubschraubern werfenden Wilden um die Welt gegangen sind, ist das noch Unbekannte wieder aufregend, das Unentdeckte sexy.
Read More Peter Handke hat mal in einem Interview gesagt, dass sich dem, der Goethe liest, Lichtadern einziehen. Wenn das so ist, wird der, der Salinger liest, mit Licht geflutet. Ein Nachruf von Stefan Beuse
Read More Benjamin Maack: Zimmer mit Aussicht – Maack ist eine Art Punk-Romantiker. Keiner von der Hölderlin-Sorte, eher einer, der die Poesie auch in Multiplexkinos sucht. Der einerseits den Ausverkauf der Gefühle beklagt, wütend, traurig, komisch, der andererseits Oasen errichtet, poetische Inseln, wenn nötig auf dem Grund einer Coladose, und diese Inseln, um mal ein Bild zu verwenden, das Benjamin Maack hassen würde, weil es so aufgedonnert ist, trotzen dem stärksten Tsunami.
Read More Eine wundervoll spleenige, herzzerreißend neurotisch und abgrundtief traurige, schräg-schöne Liebesgeschichte, findet STEFAN BEUSE.
Read More Tunnelblick
Man schwankt während der Lektüre immer wieder zwischen dem Gefühl, etwas wirklich Großes zu lesen und dem Eindruck, dass hier jemand, der es noch besser kann, sein Thema nicht wirklich gefunden hat. Von STEFAN BEUSE
Read More Literatur als Lebensgefühl: Am 3.6.09 wurde Philippe Djian 60. Zeit, einen großen Stilisten zu feiern, der uns beigebracht hat, die Welt mit anderen Augen zu sehen - und wie kein Zweiter ein Lesegefühl erzeugt, das zum Lebensgefühl wird: Zur Djian-Sicht der Dinge. Ein Geburtstagsglückwunsch von STEFAN BEUSE.
Read More Wie macht der Delphin?
Gute Laune ist oft schreikomisch, sollte aber in homöopathischen Dosen genossen werden: Auf Strecke geht diesem nach (Anti-)Pointen schnappenden Text schnell die Puste aus. Von Stefan Beuse
Read More Der neue John Updike: Natürlich, ein Rezensent muss ein Buch aufmerksam zu Ende gelesen haben, bevor er darüber schreibt! Wirklich? Wir denken nein: Manchmal reichen auch die ersten Seiten. Stefan Beuse nährst sich Stewart O’Nans Roman Alle, alle lieben dich - ganz ohne ihn gelesen zu haben.
Read More Kleine Weltgeschichte des Vergessens: Stefan Beuse über Stefan Merrill Blocks fast beängstigend perfektes Debüt, das dem Autor in den USA jede Menge Vergleiche mit anderen Wunderkindern eingebracht hat.
Read More Posted On September 27, 2008By Stefan BeuseIn Bücher, Litmag
Die Queen hat meine Scheiße gefressen: Stefan Beuse über Chuck Palahniuks "Snuff", die originellste Familiengeschichte seit den Buddenbrooks.
Read More Doppelstunde Geschichte mit Uli und Bernd: Der Film wirkt wie ein Spiegel, und es ist gerade in den letzten Tagen interessant zu beobachten, wie genau die empörten Äußerungen aus den verschiedenen Lagern jeweils exakt diejenigen porträtieren, die sich zu Wort melden.
Read More All the things we are: "Wir fliegen" versammelt ausnahmslos Liebesgeschichten. Einige von ihnen funktionieren gewissermaßen über Bande, aber sie gehen immer, wenn auch auf unterschiedliche Art, zu Herzen.
Read More Diese unstillbare Gier nach Leben
Klar: Man hat das alles schon gehört, gesehen, gelesen. Man kennt sie auswendig, die Coming-of-age-Geschichten, in denen das Leben einen Jungen zum Mann formt, die Geschichten über eine Freundschaft, die zur erbitterten Rivalität wird, und natürlich kennen wir auch Dreiecksgeschichten mittlerweile bis in die letztmögliche dramaturgische Verästelung hinein.
Read More Der Tausendprozentige
David Foster Wallace kann eigentlich alles. Aber anders als die meisten Alleskönner kann er alles nicht nur ein bisschen, sondern auch noch ein bisschen besser als alle anderen.
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