All posts by Karsten Herrmann

Posted On November 15, 2018By Karsten HerrmannIn Crimemag, CrimeMag November 2018

Stewart O’Nan: Stadt der Geheimnisse

Moralisches Dilemma Von Karsten Herrmann Stewart O’Nan orientiert sich in seinen zahlreichen Romanen gerne an historischen Stoffen und widmete sich so zuletzt in „Westlich des Sunset“ in einer Art Doku-Fiction dem Absturz des berühmten F.S. Fitzgerald. Mit „Stadt der Geheimnisse“ legt er nun einen existentiellen Geschichts- und Kriminalroman aus den Anfängen des Staates Israel vor. Mit wenigen Federstrichen baut O’Nan gleich zu Beginn des Romans eine dichte Atmosphäre auf und entführt den Leser in das Jerusalem des Jahres 1947: „Die Stadt war ein aus Symbolen zusammengesetztes Puzzle, ein Durcheinander vonRead More

Posted On Oktober 16, 2018By Karsten HerrmannIn Crimemag, CrimeMag Oktober 2018

Jennifer Clement: Gun Love

Gütig und erbarmungslos Karsten Herrmann über einen Roman, der lohnt In eine Sammlung mit den schönsten Romananfängen sollte dieser Satz unbedingt mit aufgenommen werden: „Meine Mutter war eine Tasse Zucker. Man konnte sie jederzeit ausleihen.“ Wunderschöne Sätze von diesem Kaliber bietet „Gun Love“ von Jennifer Clement am laufenden Band und sie führen hinein in einen tief berührenden Kosmos aus unbedingter Liebe, Güte, Gewalt und Tod: „Das Leben war wie ein Schuh am falschen Fuß.“ Jennifer Clement erzählt in „Gun Love“ die Geschichte der heranwachsenden Pearl, die mit ihrer Mutter seitRead More
„Er ist niemandes Nigger“ Karsten Herrmann über zwei Bücher von James Baldwin In einer Welt der zunehmenden Vielfalt und der Unübersichtlichkeit haben heute in erschreckender Weise Populisten Konjunktur, die einfache Lösungen anbieten und der Ausgrenzung und dem Rassismus das Wort reden – ein idealer Zeitpunkt, um James Baldwin (wieder) zu entdecken. Der 1987 verstorbene Baldwin, schwarz und schwul, hat in seinen zahlreichen Romanen, Erzählungen und Essays den allgegenwärtigen Rassismus und die Folgen für die Gesellschaft gnadenlos aufgezeigt, ohne dabei in Schwarz-Weiß-Malerei zu verfallen. Er war dabei der festen Überzeugung, dassRead More

Posted On Februar 15, 2018By Karsten HerrmannIn Crimemag, CrimeMag Februar 2018, Litmag

Roman: Szcepan Twardoch: Der Boxer

Neoexpressionistische Wucht Von Karsten Herrmann Der Pole Szcepan Twardoch ist ein außergewöhnlicher Autor mit neo-expressionistischer Wucht und avancierten Romankompositionen. Mit dem Monumentalroman „Morphin“, der in Warschau spielt und die morbid-exzessive Atmosphäre vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges einfing, gelang ihm 2012 der internationale Durchbruch. Mit seinem neuen Roman „Der Boxer“ kehrt er nach seinem erdverbundenen Schlesien-Roman „Drach“ nun nach Warschau und in die Zeit der 1930er Jahre zurück. Erzählt wird „Der Boxer“ im Rückblick von Mojzesz Bernstein, dessen Vater von dem Boxer und Mafiosi Jakub Shapiro getötet wurde: „Ich […]Read More

Posted On Dezember 5, 2017By Karsten HerrmannIn Bücher, Litmag

Julie Zeh: Leere Herzen

Agonie der Demokratie Mit „Unterleuten“ hat Julie Zeh im vergangenen Jahr ein großes gesellschaftliches Kaleidoskop der deutschen Nachwende-Gesellschaft vorgelegt und dabei auf gelungene Weise die Befindlichkeiten einer Epoche eingefangen. In „Leere Herzen“ projiziert die immer wieder auch politisch aktive Schriftstellerin unsere Gesellschaft nun in eine vielleicht gar nicht so ferne Zukunft hinein, in der die Werte verfallen und unsere Demokratie auf dem Spiel steht. Im Zentrum des Romans stehen Britta Söldner – ein sprechender Nachname – und ihr Geschäftspartner Babak Hamwi. Ihre Firma „Die Brücke“ therapiert offiziell potenzielle Selbstmörder, dieRead More

Posted On November 29, 2017By Karsten HerrmannIn Bücher, Litmag

Colson Whitehead: Underground Railroad

Erschütternd finster und eminent erhellend – Der 1969 in New York geborene Colson Whitehead gehört zusammen mit Teju Cole zu den wichtigsten und zugleich am schwierigsten einzuordnenden afro-amerikanischen Autoren. Seine Romane bespielen ein breites Spektrum vom atmosphärisch-dichtem und psychologisch nuancenreichen Erzählen über postmodernes Collagieren bis zur Zombie-Phantastik. Nicht im entferntesten lässt er, der in der gehobenen Mittelschicht geboren wurde und auf eine New Yorker Privatschule ging, sich dabei auf das Etikett „schwarzer“ Schriftsteller reduzieren und lässt die Rassen- und Diskriminierungsfrage allenfalls sublim und untergründig mitschwingen. Doch jetzt blickt er inRead More

Posted On November 29, 2017By Karsten HerrmannIn Bücher, Litmag

Arundhati Roy: Das Ministerium des äußersten Glücks

Das Glück des Friedhofs – Ganze zwei Jahrzehnte mussten die Leser nach dem Welt-Bestseller „Gott der kleinen Dinge“ auf den neuen Roman der Inderin Arundhati Roy warten. In der Zwischenzeit wurde Roy zu einer Ikone der Kapitalismuskritiker und der Anti-Globalisierungs-Bewegung und verfasste statt Belletristik politische Essays. Der Zorn über Ungerechtigkeit, Korruption, Rassismus und Gewalt sprüht so nun auch noch aus jeder Seite ihres neuen Romans, der sich insgesamt als ein Buch mit Licht und Schatten, als ein ebenso stacheliges wie anziehendes Buch entpuppt. Im Zentrum des 550 Seiten-Romans steht derRead More

Posted On November 29, 2017By Karsten HerrmannIn Bücher, Litmag

Ottessa Moshfegh: Eileen

Atemberaubende und abgründige Erzählerin – Schon mit ihrem kurzen finsteren Romandebüt über den Seemann und Säufer „Mc Glue“ (CulturMag-Kritik mit etwas Scrollen hier) ließ Ottessa Moshfegh im vergangenen Jahr aufhorchen. Mit „Eileen“ bestätigt die 36jährige ein ebenso atemberaubendes wie abgründiges erzählerisches Talent. – Von Karsten Herrmann. Während ihr Romandebüt im England des 19. Jahrhunderts angesiedelt war, spielt ihr neuer Roman in einer nördlichen amerikanischen Kleinstadt in den 1960er Jahren. Hier lebt die titelgebende Protagonistin Eileen in einem heruntergekommenen Haus mit ihrem Vater, einem Säufer und Ex-Cop, der sie ausnutzt undRead More

Posted On November 29, 2017By Karsten HerrmannIn Bücher, Litmag

Omar el Akkad: American War

Düstere neue Welt Unsere Welt ist in den letzten Jahren ins Wanken geraten und zeigt sich von vielen Seiten bedroht: Unberechenbare Staatslenker, Terror, (Bürger-) Kriege, Fluchtwellen oder Klimakatastrophe. So wundert es nicht, dass in der Literatur derzeit auch Dystopien, also die Darstellung von negativen bis apokalyptischen Gesellschaftsentwicklungen Konjunktur haben. Eine besonders beklemmende hat nur der in Nordamerika lebende und in Ägypten geborene Omar El Akkad mit „American War“ vorgelegt. El Akkad erzählt von einem düsteren Amerika im Jahr 2075: Die Meeresspiegel sind gestiegen und haben Millionen zur Flucht ins LandesinnereRead More

Posted On November 29, 2017By Karsten HerrmannIn Bücher, Litmag

Virginie Despentes: Das Leben des Vernon Subutex

Düsteres Gesellschafts-Kaleidoskop – Virginie Despentes wurde in Deutschland Anfang des Jahrtausends durch ihr Debut „Fick mich“ schlagartig bekannt und widmet sich seitdem immer wieder den Rand- und Subkulturexistenzen unserer Gesellschaft und schmückt das mit reichlich Sex, Gewalt und Drogen aus. In ihrem neuen Roman erzählt die bekennende Feministin vom Leben und insbesondere vom unaufhaltsamen Abstieg des Vernon Subutex. Ein Vierteljahrhundert betrieb Subutex in Paris einen Plattenladen mit Kultstatus, bevor er dann Pleite machte. Nach langer Arbeitslosigkeit wird ihm schließlich die Stütze gestrichen und er fliegt aus seiner Wohnung: „Im AngesichtRead More

Posted On November 29, 2017By Karsten HerrmannIn Bücher, Litmag

Mohsin Hamid: Exit West

„Wir sind alle Migranten in der Zeit“ – Der in Pakistan geborene und über Harvard, Princeton, New York und London wieder nach Lahore zurück gekehrte Mohsin Hamid ist ein nicht nur literarischer Wanderer zwischen den Welten. Von Karsten Herrmann In seinem neuen Roman greift Hamid nun eine der entscheidenden und von ihm hautnah erfahrenen Fragen für die Zukunft unserer aus den Fugen geratenen Welt auf: Wie ist denen aus der kulturellen, ökonomischen und existentiellen Kluft zwischen Ost und West, zwischen Arm und Reich, zwischen Krieg und Frieden resultierenden Migrations- undRead More

Posted On November 29, 2017By Karsten HerrmannIn Bücher, Litmag

Leila Slimani: Dann schlaf auch du

Der Preis des Glücks – Zwei kleine Kinder liegen tot in ihrem Kinderzimmer auf dem blutgetränkten Prinzessinnenteppich, inmitten des umgestürzten Wickeltisches und verstreuter Spielsachen – wie ein Splattermovie beginnt der französische Bestseller „Dann schlaf auch du“ von Leila Slimani, um dann behutsam das Geschehen bis zu diesem schockierenden Fanal aufzurollen. Die toten Mila und Adam sind die Kinder von Myriam und Paul Messés, einem jungen französischen Paar in Paris. Während Paul als Toningenieur arbeitet, scheint Myriam nach ihrem Jurastudium ganz in einer „instinktiven Mutterschaft aufzugehen. Das Leben in einem Kokon“.Read More

Posted On Juli 5, 2017By Karsten HerrmannIn Bücher, Litmag, News

Roman: Karl Ove Knausgård: Kämpfen

Elektrisierender existentieller Kampf – Mit „Kämpfen“ legt Karl Ove Knausgård nun den Abschluss eines in der Literaturgeschichte wohl einmaligen und zugleich megaerfolgreichen Mammutprojektes vor: In sechs Bänden und auf über 4.500 Seiten versucht er sein Leben in der ganzen unermesslichen Bandbreite ohne literarische Überhöhung und Fiktionalisierung niederzuschreiben: Er will nicht das „‘als ob‘ der Kunst, diese[n] Abgrund, der sie von der Wirklichkeit trennt“, sondern er will „versuchen, zum Rohen und Willkürlichen dieser Realität vorzudringen.“ Von Karsten Herrmann Alle sechs Bände kreisen dabei auch um den strengen und stets missgelaunten Vater,Read More

Posted On Juli 5, 2017By Karsten HerrmannIn Bücher, Litmag

Roman: Hari Kunzru: White Tears

Eine Reise in das dunkle Herz Amerikas – Der Münchener Liebeskind-Verlag ist immer wieder für die Entdeckung von literarischen Grenzgängern zwischen Hochliteratur, Crime und Noir gut. Autoren wie Pete Dexter, David Peace oder Donald Ray Pollock führen mit suggestiver Kraft in die Abgründe des Menschen und der Nationen. Der Brite Hari Kunzru, der zurzeit in New York lebt und arbeitet, zielt mit seinem Roman „White Tears“ in das dunkle Herz Amerikas und in die Grenzbereiche der Wirklichkeit. Von Karsten Herrmann Kunzrus Protagonist Seth streift auf der Suche nach Tönen, GeräuschenRead More

Posted On Juli 5, 2017By Karsten HerrmannIn Bücher, Litmag

Roman: Tex Rubinowitz: Lass mich nicht allein mit ihr

Intertextuelles Spiegellabyrinth – 2014 wurde der Zeichner, Maler, Schauspieler, Herausgeber, Kurator und Reisejournalist Tex Rubinowitz mit dem „Bachmann“-Preis ausgezeichnet und legte daraufhin sein höchst originelles Romandebut „Irma“ vor. In seinem zweiten Roman schreibt das 1961 als Dirk Wesenberg geborene Multitalent nun wie zuletzt auch Joachim Lottmann in „Happy End“ über die zermürbende Unfähigkeit einen Roman zu schreiben. Von Karsten Herrmann „Das meiste war auserzählt, ich war auserzählt“ resümiert der Ich-Erzähler alias Tex Rubinowitz alias Dirk Wesenberg gleich zu Anfang und beklagt ein Leben, in dem eigentlich nichts passiere. Und soRead More

Posted On Juli 5, 2017By Karsten HerrmannIn Bücher, Litmag

Roman: Rachel Kushner: Telex aus Kuba

Süffiges Lesevergnügen – Nach ihrem zweiten Roman „Flammenwerfer“, der mit seiner komplexen Komposition und einem futuristischen Furor 2015 für Aufsehen gesorgt hat, kommt nun auch Rachel Kushners Erstling „Telex aus Kuba“ mit Zeitverzögerung auf den deutschen Markt. Von Karsten Herrmann Erzählt wird vom Kuba der 1950er Jahre, als Batista nach einem Putsch an die Macht kam und Fidel und Raul Castro in die Berge zogen, um das Land von diesem Diktator zu befreien. Es ist eine Zeit, in der die Amerikaner in Kuba noch fest im Sattel sitzen und dasRead More

Posted On Juli 5, 2017By Karsten HerrmannIn Bücher, Litmag

Roman: Richard Russo: Ein Mann der Tat

Der ganz normale Kleinstadt-Wahnsinn – Richard Russo ist derzeit einer der unterhaltsamsten Erzähler der USA und schreibt mit viel Witz und Wärme über Menschen, die alles andere als Helden sind und das Leben mehr schlecht als recht meistern, über die Menschen von nebenan mit ihren kleinen Träumen und Hoffnungen, mit ihren kleinen Freuden, Fehlern und Fehltritten. Von Karsten Herrmann Wie schon in seinen mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichneten Roman „Diese gottverdammten Träume“ siedelt Russo auch „Ein Mann der Tat“ in einer schäbigen Kleinstadt an: „Unterm Strich also war Bath […] einRead More

Posted On Mai 6, 2017By Karsten HerrmannIn Bücher, Litmag

Birk Meinhardt: Brüder und Schwestern

Völlige Umkehrung der Werte – Mit dem ersten Teil der Familiensaga „Brüder und Schwestern“ zeichnete der in Ostberlin geborene Birk Meinhardt ein lebenspralles Gesellschaftspanorama der DDR. Im zweiten, durchaus eigenständigen Teil, nimmt der gebürtige Ostberliner nun die Wendejahre von 1989 bis 2001 in den Fokus und zeigt auf beeindruckende Weise, wie das Leben seiner Protagonisten auf links gezogen wird und alles Bisherige seinen Wert verliert. Von Karsten Herrmann Am Tag der Maueröffnung befindet sich Erik Werchow gerade auf seiner ersten Dienstreise in West-Berlin und über ihn schlagen die „Farbwellen zusammen,Read More

Posted On Mai 6, 2017By Karsten HerrmannIn Bücher, Litmag, News

Tom Kummer: Nina & Tom

Ein Buch mit Wucht und Pathos – Der Journalist Tom Kummer ist eine Skandalfigur, seitdem sich im Jahr 2000 seine unter anderem in der Süddeutschen Zeitung erschienenen Interviews mit Hollywood-Stars als Fiktionen entpuppten. Nun legt der Schweizer Meister des Fakes, der sich selbst als „Borderline“-Journalist bezeichnet, einen beeindruckenden Roman über die Liebe seines Lebens vor. Von Karsten Herrmann Kummers Protagonist Tom begegnet Nina zum ersten Mal im Herbst 1984 in einem Club in Barcelona: ein androgynes Fantasiewesen, eine „Symbolfigur der katalanischen Aufbruchstimmung“. Es entwickelt sich eine amor fou, eine obsessiv-exzessiveRead More

Posted On Mai 6, 2017By Karsten HerrmannIn Bücher, Litmag

Franzobel: Das Floss der Medua

Endloses Theater der Grausamkeit – Der österreichische Schriftsteller Franzobel ist eine der größten literarischen Urgewalten im deutschsprachigen Raum und bespielt ein weites Spektrum von Genres und Sujets – vom Krimi über zeitkritische Gegenwartsbetrachtungen, Familien- und Schelmenromane bis hin zu historischen Stoffen. Immer wieder provoziert er dabei durch seine ironisch-sarkastische, deftige und obszöne Sprache, die keine Grenzen zu kennen scheint. Von Karsten Herrmann Mit „Das Floss der Medua“ legt Franzobel nun einen „Roman nach einer wahren Begebenheit“ vor. Es geht um den Untergang der Fregatte Medusa und dem nachfolgenden Drama derRead More

Posted On Mai 6, 2017By Karsten HerrmannIn Bücher, Litmag

Clemens Meyer: Die Stillen Trabanten

Starke Stories – Clemens Meyer gehört mit seinen zwei Romanen „Als wir träumten“ und „Im Stein“ sowie dem Erzählband „Die Nacht, die Lichter“ zu den stärksten deutschen Erzählern. Er, der selber eine bewegte Vergangenheit als Gabelstaplerfahrer, Wachmann, Bauarbeiter oder Sozialhilfeempfänger hat und schon im Gefängnis saß, dringt dabei tief in Milieus und Figuren ein, die sonst selten oder gar nicht in der deutschen Gegenwartsliteratur auftauchen. Emphatisch zeigt er sich als Chronist der kleinen Leute, der Halb- und Unterwelt, der Nacht und ihrer Geschichten. Von Karsten Herrmann Dies ist nun auchRead More

Posted On Mai 6, 2017By Karsten HerrmannIn Bücher, Litmag

Sven Amtsberg: Superbuhei

Für die Langstrecke fehlt dem Buch etwas der Atem – Sven Amtsberg ist als rühriger Veranstalter, Verleger Entertainer, Kolumnist, Geschichtenerzähler und fiktionaler Hamburger Stadtführer ein literarisches Multitalent. Doch auf der Langstrecke seines Debüt-Romans droht dem Meister der kleinen Form zunehmend die Puste auszugehen. Von Karsten Herrmann Amtsbergs Protagonist Jesse ist ein skurriler Sicherheitsfanatiker, der die Liebe für den natürlichen Feind der Sicherheit und damit letztlich auch des Glücks hält. Und so mischt er seiner Freundin, mit der er zusammen in einem Einfamilienhaus lebt, auch stetig Schlafmittel ins Essen, um alleineRead More
Pointiertes Gesellschafts-Mosaik – Rund 400 „Streichholzbriefchen“ hat der im Februar letzten Jahres verstorbene Umberto Eco für das römische Nachrichtenmagazin „L’Espresso“ seit 1985 geschrieben. In diesen kurzen Kolumnen, von denen der Hanser-Verlag jetzt unter dem Titel „Pape Satán“ eine Auswahl vorlegt, beleuchtet der Schriftsteller und Wissenschaftler aktuelle gesellschaftliche Phänomene und Tendenzen. Von Karsten Herrmann. Ein zentrales Thema der zwei bis drei Seiten umfassenden Miniaturen ist die von Zygmunt Baumann diagnostizierte „flüssige Gesellschaft“, in der nach dem Ende der Utopien alles ineinander zu verschwimmen droht und niemand mehr weiß, wohin es gehenRead More

Posted On März 6, 2017By Karsten HerrmannIn Bücher, Litmag

Roman: Lyonel Trouillot: Yanvalou für Charlie

Verborgene Perlen Viel zu wenig präsent sind auf dem heimischen Buchmarkt die Bücher von Autoren aus den kleineren Literaturen dieser Welt, aus Afrika, Asien, Südamerika oder auch der Karibik. Der Roman „Yanvalou für Charlie“ (der auf der 33. Ausgabe der Litprom-Bestenliste „Weltempfänger“ stand) des Haitianer Lyonel Trouillot ist ein weiteres Beispiel dafür, welche Perlen es dort zu entdecken gibt. Lyonel Troillots Protagonist Dieutor Mathurin Saint-Fort ist ein aufstrebender Anwalt in einer Kanzlei in Port au Prince. Sein Chef ist ein reicher mittelmäßiger Erbe, seine eine Kollegin Elisabeth ist eine IdealistinRead More

Posted On März 6, 2017By Karsten HerrmannIn Bücher, Litmag

Roman: Hanya Yanagihara: Ein wenig Leben

Über Freundschaft und unermessliche Abgründe Mit gewaltigen Vorschusslorbeeren ist der vielseitige Roman „Ein wenig Leben“ der Amerikanerin Hanya Yanagihara jetzt auch in Deutschland erschienen. Die enthusiastische US-Kritik zu diesem mit Anna Karenina verglichenen „Meisterwerk“, über seine aufwühlende und mitreißende Kraft, erweist sich beim Lesen nicht als falsch, aber als doch nur eine Seite der Medaille. Von Karsten Herrmann. Die 1974 geborene Yanagihara, die bei der New York Times als Redakteurin für ein Stil-Magazin arbeitet, erzählt in ihrem zweiten Roman von der lebenslangen Freundschaft von vier Männern ganz unterschiedlicher sozio-kultureller Herkunft:Read More

Posted On Dezember 2, 2016By Karsten HerrmannIn Bücher, Litmag

Teju Cole: Vertraute Dinge fremde Dinge

Engagierte Essays mit Esprit Der in den USA geborene und in Nigeria aufgewachsene Teju Cole gehört seit seinem Debut „Open City“ und dem folgenden Roman „Jeder Tag gehört dem Dieb“ zu einem der international spannendsten Autoren. Er verkörpert dabei auch die vom Aussterben bedrohte Spezies des enzyklopädisch interessierten und politisch engagierten Intellektuellen, der insbesondere auch den Rassismus in all seinen offenen und sublimen Spielarten durchdekliniert. Einen überzeugenden Eindruck davon gibt der Essayband „Vertraute Dinge fremde Dinge“, in dem Teju Cole über Literatur, Fotografie, Film, Kunst, Theater, das Unterwegsseins sowie aktuelleRead More