Geschrieben am 5. August 2019 von für Allgemein, Litmag, NATUR Special, News, Specials

Hartmut Robert Andryczuk: Betrachtungen über den Teilchenzoo

Bis ins Kleinste dezidiert größenwahnsinnig

Hinweis auf eine bibliophile Seltenheit – von Anna Hoffmann

Wenn Künstler und Autoren Bücher machen, werden Gedichte und/oder Geschichten teuer: die Auflage kleingehalten, Papier und Schriftart mausern sich zu Primadonnen.

Wenn Hartmut Robert Andryczuk (Künstler und Autor in einer Person) Bücher macht, werden schon mal abenteuerliche Ereignishorizonte der Elementarteilchenphysik zwischen zwei Buchdeckel installiert.

„‚Geisterwolke Quark. Betrachtungen über den Teilchenzoo'“ aus dem Jahr 2011 ist gezeichnet und geschrieben mit Lackstiften auf minderwertigem, vorzugsweise nicht lichtbeständigen Papieren, welche anschließend gescannt und auf schönem Passepartoutkarton wiederholt wurden.

Erst das Bild, dann die Schrift. Die schlängelt sich oben, unten und überall drumherum. Das Lesen gerät zu einem zeitfressenden Vergnügen in Zeiten von Contentmanagement und Leichter Sprache.

Die nichtvorhandene Handlung beginnt auf Sylt, in der Fußgängerzone. Die Raum-Zeit-Folge steht nicht zur Debatte. Jede Seite öffnet ein Universum, eine Theorie.

Vierzehn Zeichnungen enthält die Geisterwolke, das sind eine Menge: Totenköpfe, Steuerräder, verstrahlte Meerjungfrauen, die Insektenmonstern ähneln, Insekten, die Insekten ähneln und sich auf James Joyce’s Finnegans Wake beziehen.

Und als Digestif gibt’s ein Glossar zur Elementarteilchenphysik.

Der Künstler, Autor, Verleger selbst sieht sein Werk so: „Die Energie des Anti-Andryczuk strahlt im Universum der Antimaterie; dort, wo es keine Atome mehr gibt. Keine Energie, keine Teilchen, nichts. Die Manager der Teilchenbeschleuniger müssen ihre schwarzen Löcher der Geldvernichtung schließen. Für den Gottesbeweis und den Nachweis des Higgs-Bosons werden keine Milliarden mehr bewilligt. Ende der Photonenreise vom CERN-Institut zum Neptun und zurück. Hier endet mein kurzer Ausflug in den Teilchenzoo. Wahrscheinlich gehe ich bald zum Ereignishorizont. Gute Nacht, Teilchenzoo. Auf Wiedersehen, Quark. Adieu, Supersymmetrie.“

Kurzum: Ich würde dafür gern 800,00 € locker machen und das allen CulturMag-Lesenden empfehlen. Doch das wäre unnötig, da das Buch längst vergriffen ist. Siehe Anfang (kleine Auflage, 25 Exemplare).

2018 wurde das Buch im Klingspor-Museum zum Thema „Das Künstlerbuch und die Naturwissenschaften“ ausgestellt. Es gibt dazu einen Katalog.

Anna Hoffmann

  • Hartmut Andryczuk: Geisterwolke Quark. Vierzehn Zeichnungen mit Textbuch und Glossar zur Elementarteilchenphysik. Limitierte Auflage, Hybriden-Verlag, Berlin 2011 (vergriffen).

Internetseite des Verlages: Hybriden-Verlag, Elsastraße 4, 12159 Berlin.

Anna Hoffmann, Autorin, lebt in Berlin, kommt aus Sassnitz auf Rügen, studierte Kunstgeschichte, Geschichte und Philosophie. Zuletzt von ihr erschienen:
Leverin, MMM-Extraausgabe, Hybriden-Verlag, Berlin 2019. 
Totenmaske, Corvinus Presse Berlin, 2010. 
Mal wieder romantisch gucken?, CD, Berlin 2007. 
Und ungeküsst zurück, Corvinus Presse Berlin, 2006.


Tags : , ,