Geschrieben am 4. Oktober 2015 von für Allgemein, Crimemag, DVD, Film/Fernsehen

Film: Kill the Messenger

Kill the messangerNolite necare nuntium – Tötet nicht den Boten

Im Kino ein Flop, hat „Kill the Messenger“ dennoch eine wichtige und wahre Geschichte zu erzählen. Alf Mayer hat sich mit den Hintergründen beschäftigt und ist dabei vielen unter den Teppich gekehrten Schweinereien sowie einem frühen Beispiel des Internet-Journalismus begegnet.

Man stelle sich vor, die Journalisten Woodward und Bernstein, die den Watergate-Skandal aufdeckten, wären nicht als „Die Unbestechlichen“ (1976) berühmt geworden, hätten damit keine Preise gewonnen, keine Karriere gemacht, sondern diese Arbeit hätte sie ruiniert, hätte sie Reputation, Karriere und zehn Jahre später sogar das Leben gekostet. Dem Journalisten Gary Webb ist genau das geschehen. „Kill the Messenger“ handelt davon.

kill_unbestechlichen-825x510Perfiderweise war Woodward und Bernsteins Zeitung, die Washington Post, maßgeblich mit an der Vernichtung von Gary Webb beteiligt. Woran er sich gewagt und was er ans Tageslicht gebracht hatte, war „die wichtigste politische Enthüllung der 1990er Jahre“, war „so etwas wie Käpt’n Ahabs weißer Wal“. Dies ist die Einschätzung des großen Charles Bowden, der wie kein anderer die Wirklichkeiten des „Kriegs gegen die Drogen“ vor Ort studiert, recherchiert und beschrieben hat. (Zu einem CM-Porträt und zu einem Nachruf hier.)

Eine Kiste mit brisanten Dokumenten

Als Reporter der San Jose Mercury News, einer kalifornischen Regionalzeitung mit bescheidener Auflage, deckte Gary Webb 1996 auf, dass die CIA den Contra-Krieg in Nicaragua mit massivem Kokainschmuggel finanzierte und dabei in Kauf nahm, dass billiges Crack erst South Central in Los Angeles und dann die schwarzen Ghettos der ganzen USA überschwemmte. Über die Geliebte eines Drogenschmugglers war Webb auf eine ganze Kiste voller DEA- und FBI-Dokumente, Vernehmungsprotokolle und die eidesstattliche Aussage eines Mannes namens Oscar Danilo Blandón Reyes gestoßen. Aus diesen Regierungsdokumenten ging klar hervor, dass Nicaraguaner auf amerikanischem Boden unter dem Schutz von US-Behörden in großem Stil mit Rauschgift dealten und dieses Geld die Contra-Söldnerarmee mitfinanzierte.

Im September 1995 saß Webb mit Rollen von Kleingeld sechs Tage vor einem Mikrofilm-Münz-Lesegerät in Washington, las sich durch die 1100 Seiten eines Subkomitee-Reports des Außenpolitischen Ausschusses des Senats aus dem Jahr 1989. Unter dem Vorsitz von Senator John Kerry aus Massachusetts (heute der US-Außenminister, damals ein verlachter Frischling, der es mit Reagan auf dem Höhepunkt seiner Popularität aufzunehmen versuchte; siehe auch ganz unten) beschäftigte sich dieser Ausschuss mit den Contras und mit Kokain. Begraben in all dem Material fanden sich Beweise für direkte Verbindungen zwischen (den am Kongress vorbei von der CIA unterstützten) „Freiheitskämpfern“ und Rauschgift in Tonnagengröße, fanden sich Belege, dass Panamas Präsident Manuel Noriega fett im Drogengeschäft aktiv war, fanden sich Lügendetektor-Aussagen von Großdealern, dass sie wirklich ehrlich die Contras finanzierten, dass Piloten routineweise Waffen nach Mittelamerika transportieren und stets mit Tonnen von Drogen zurückkehrten, dies auf die Homestead Air Force Base in Florida. Nach einem Jahr Recherche veröffentlichten die Mercury News im August 1996 Gary Webbs 15.000-Worte-Story als Dreiteiler, an drei Tagen. Der Titel: „Dark Alliance. The Story Behind the Crack Explosion.“ Sie ging auch online. Die Schlagzeilen lauteten: Amerikas „Crack“-Pest hat Wurzeln im Nicaragua-Krieg. Drogen-Pipeline Kolumbien-San Francisco Bay Area finanzierte CIA-gestützte Contras/ Dunkle Ursachen der „Crack“-Epidemie. Rolle von CIA-Agenten bisher ein wohlgehütetes Geheimnis/ War on Drugs hat ungleichen Einfluss auf schwarze Amerianer. Contra-Fall illustriert die Ungleichheit: Nicaraguaner kommt davon, L.A.-Dealer erhält lebenslänglich. (Zur auf den Narco News rekonstruierten Dark Alliance-Internetseite geht es hier.)

17 Reporter gegen einen, das allein nur bei der L.A. Times

Und dann war Schweigen. Orwellsches Schweigen. Während sich Leser in Scharen meldeten, viele per damals noch ungewohnter E-Mail, wurden angefragte Fernsehauftritte Webbs plötzlich abgeblasen, Interviews abgesagt. Nach sechs Wochen begann ein Trommelfeuer. Als wäre es verabredet.

Anstatt Webbs Recherche ernst zu nehmen, die immerhin aus vorweisbaren Regierungsdokumenten zitierte, übernahmen die großen US-Zeitungen die Dementis der CIA, recherchierten GEGEN ihren Kollegen, anstatt der Story auf den Grund zu gehen. Der L.A.Times Chefredakteur Shelby Coffey III. setzte unglaubliche 17 Reporter auf Gary Webb an, um jedes auch noch so kleine Haar in dessen Geschichte und in seinem Leben zu finden. Der Platz, den alleine diese Zeitung zur Diskreditierung von Webb aufwandte, war weit größer als die dreiteilige Originalgeschichte. Jesse Katz, einer dieser 17 Reporter, räumte später ein: „Wir haben wirklich nichts getan, um seine Geschichte zu unterstützen oder sie gar auszubauen. Es war geschmacklos und schäbig, was wir taten. Und es hat ihn ruiniert.“
Auch die Ombudsfrau der Washington Post attestierte ihrer Zeitung später „kein Ruhmesblatt“. „The Post … showed more passion for sniffing out the flaws in Webb‘s findings than for sniffing out a better answer themselves“, bezeugte Geneva Overholser.

Die so sehr auf Qualität erpichten Zeitungen scheuten nicht vor Dreckschleuderei mittels anonymer Geheimdienstquellen zurück, ihre Kontakte zu diesen Kreisen nutzten sie zur Munitionierung gegen den von ihrem eigenen Dachverband zum „Journalisten des Jahres“ ernannten Webb, wiederholten brav immer wieder Vorwürfe, dass der ja nur Geldwäscher und Drogendealer als Zeugen zitiere, keinen einzigen CIA-Offiziellen. Das „saubere“ und patriotische Amerika der Reagan-Zeit spielte nicht mit dem Schmuddelkind. Das Ende von „Kill the Messenger“ zeigt das, ziemlich lakonisch. Für Gary Webb führt dort keine Rolltreppe nach oben.

Journalistenzuflucht Internet anno 1996

Die gemeinsame Linie der großen US-Zeitungen lautete: Es war nie passiert, wenn überhaupt, nur auf kleiner Flamme und dann als Schnee von gestern, welch Euphemismus. (1989 hatten sie bereits den Kerry-Report, die Ergebnisse eines Kongressausschusses zu diesem Thema, ebenfalls unter den Teppich gekehrt; siehe unten.) Die Energie der Mainstream-Medien verwandte sich auf das Abschwächen, nicht das Aufklären – während Webb, dies eine im Film nicht dargestellte Subgeschichte, auf der damals als Medium noch neuen Internetseite der Mercury News Faksimiles der Dokumente, Fotos, Audio-Files, Interviews online stellte und verlinkte, als einer der allerersten Journalisten die publizistischen Möglichkeiten des Internets mit Leserkommentaren, Diskussionsforen und Chats vorexerzierte.

Molly Molloy, Charles Bowdens Witwe, die selbst die Website Frontera List betreibt („News and discussion of US-Mexico border issues)“, schrieb mir dazu: „The Dark Alliance website was truly groundbreaking, one of the first innovations in using the Internet to not just replicate but expand what journalism could be. Rather than remaining static, the articles lived on the website, surrounded by images, sound files, reader discussion forums that Gary participated in, and an entire library of background information supporting Webb’s powerful case against the C.I.A. Millions of readers flocked to these pages, a nearly unheard-of response in those early days of the World Wide Web. Until the end of his life, Gary was immensely proud of this website and its role in expanding the idea of what Internet journalism could be.“

Die Seite gewann 1996 den CNET „Best of the Web” Award. Als der Chefredakteur der Mercury News die Washington Post darauf hinwies, weigerte sich das Blatt, diesen Leserbrief zu drucken, weil dann nur noch mehr „Desinformationen“ verbreitet würden. Gary Webb wurde schließlich in die Provinz verbannt, schrieb im Provinznest Cupertino (wo heute das Apple-Hauptquartier steht) über Verdauungsprobleme von Polizeipferden, was in der Originalversion des Films einige Wortspiele mit der Steigerung von shit, nämlich horseshit zulässt.

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Der Paria

Charles Bowden war einer der ganz wenigen, die Gary Webb zu Seite standen, als die etablierte Staats- und Medienmacht den Reporter ins Abseits trieb. Webb wurde ein Outcast, keine Zeitung wollte ihn mehr beschäftigen. Die millionenfach geklickte Internetseite „Dark Alliance“, eine Ikone der counter culture, und Fan-Buttons wie „Cocaine Import Agency“ verstärkten das nur. In seinem Verteidigungstext „The Pariah“ (Esquire, September 1998) bekannte Bowden: „Ich habe mich immer von der Geheimdienstwelt ferngehalten, weil sie so schwierig zu durchdringen ist und weil dir eh niemand glaubt, wenn du etwas aufdeckst. Diesem Reporter, über den ich hier schreibe, ist genau das passiert.“ Der wenig furchtsame Bowden, der im schlimmsten Killerjahr sieben Monate in Ciudad Juarez gelebt und recherchiert hatte, war in Nicaragua mit einem Kronzeugen Webbs zusammengetroffen, jenem Mann, den Andy Garcia in „Kill the Messenger“ spielt – und hatte sich damals entschieden, dieser CIA-Spur nicht weiter nachzugehen. Gary Webb aber hatte es getan. Er wagte es, sich mit den „Big Dogs“ anzulegen, sich nicht an die „Big Boys Rules“ zu halten.

Am 10. Dezember 2004 wurde Gary Webb tot aufgefunden, ein etwas dubioser Selbstmord mit zwei Kopfschüssen. Aber damit wird man gleich wieder zum Verschwörungstheoretiker, wie damals mit der ganzen Angelegenheit. Heute ist sie zu einer kaum jemanden mehr jemand aufregenden Wahrheit geworden. Die CIA hat – während die USA vorgeblich einen „Krieg gegen die Drogen“ führten – in großem Stil mit Drogenhändlern kooperiert? Hat mitgeholfen, die Ghettos mit billigem Stoff zu überschwemmen? Na und? In Don Winslows Kartell-Welt (zur CM-Kritik hier) lockt das niemanden mehr hinter dem moralischen Ofen vor. Man überprüfe sich hier selbst bei der Abnützung des eigenen Empörungspotentials. Welche Betriebstemperatur aber muss man haben, um wie der Filmkritiker Nikolaus Perneczky den Film über Gary Webb als „eine flache, blutleere Angelegenheit“ wahrzunehmen?

kill_cocaine politics1„Schießen Sie nicht auf den Pianisten“

Niemand liebt den Überbringer schlechter Nachrichten, heißt es in der „Antigone“ von Sophokles. Konfuzius wusste: Ein Mann, der die Wahrheit spricht, braucht ein schnelles Pferd. Der Sage nach verwandelte der zornige Gott Apollon das weiße Federkleid der Rabenkrähe in ein schwarzes, weil dieser Vogel ihm vom Fremdgehen seiner Geliebten Koronis berichtet hatte. Nolite necare nuntium, tötet nicht den Boten, lautet der entsprechende Merksatz auf Lateinisch. Auch Truffauts Filmtitel „Schießen Sie nicht auf den Pianisten“ verweist darauf, dass der nichts für die Noten kann.

„Some stories are too true to tell”, warnt Michael Sheen als ein Washington-Insider am obligaten Wasserbecken vor dem Kapitol, dies bleibt nicht die einzige Erzählkonvention, die in „Kill the Messenger“ dem Muster der „Einer-gegen-das-Establishment“-Filme folgt. Acht Jahre dauerte es, bis das Filmprojekt in Gang kam. Es ist ein ziemlicher Mainstream-Film geworden, mit Profis vor und hinter der Kamera, mitproduziert von Jeremy Renner (ein CM-Porträt hier), einem der besten Schauspieler Hollywoods, mit Cameos von Andy Garcia, Ray Liotta und Paz Vega. Regie führte Michael Cuesta (Jahrgang 1963), der bisher hauptsächlich im Fernsehen auffiel mit Pilotfilmen und vielen Folgen von „Homeland“, „Dexter“, „Elementary“, „Six Feet Under“ und „Blue Bloods“, ein gewiss effizienter Erzähler. Die immer wieder dokumentarisch anmutende Kameraarbeit, oft mit der Hand gefilmt, besorgte der virtuose Sean Bobbitt, der „Hunger“, Shame“, „12 Years a Slave“ oder „The Place Beyond the Pines“ zu seinen Credits zählen kann.

Das Drehbuch schrieb der Investigativ-Journalist Peter Landesman, von dem auch „Trade – Willkommen in Amerika“ stammt und der mit dem Kennedy-Film „Parkland“ debütierte, einer Adaption von Vincent Bugliosis „Four Days in Novermber: The Asssassination of President John F. Kennedy“. An Weihnachten 2015 kommt sein zweiter Film in die Kinos, er heißt „Concussion“ (Gehirnerschütterung) und handelt von einem Pathologen, der gegen den Widerstand der NFL und der Mainstream-Medien die Sportlerkrankheit CTE ins öffentliche Bewusstsein rückte. 2013 war aus dem Buch & Regie-Projekt „Down by the River“ nichts geworden, der filmischen Adaption eines poetischen non-fictions Buchs von Charles Bowden über einen Undercover-Agenten im „War on Drugs“. Für den Jeremy-Renner-Film adaptierte Landesmann „Kill the Messenger. How The CIA’s Crack-Cocaine Controversy Destroyed Journalist Gary Webb ” von Nick Schou (2006) und Webbs Buch „Dark Alliance. The CIA, The Contras, And The Crack Cocaine Explosion” (1998; die Kundenkritiken auf amazon.com geben einen Einblick in all den Wahnsinn).

Plakat kill the messenger paz vega_Focus Features

Nationale Sicherheit und Crack in einem Satz

Der Film hat etliche schöne Dialoge, aber übertreibt es nicht. „Sie dachten, Sie kriegen ein Stück Käse. Aber ich gebe Ihnen die Maus“, sagt die Informantin Coral Marie Talavera Baca (Paz Vega), als sie Webb, der sie eigentlich abwimmeln wollte, einen Karton voller Dokumente übergibt. „Na, haben Sie diese Geschichte auch schon tausend Mal geschrieben?“, ruft sie ihn dann an, um ihn mit weiteren Kontakten zu versorgen.
„Nationale Sicherheit und Crack-Kokain in einem Satz, kommt Ihnen das nicht auch komisch vor?“
„Ich bin ein Arschloch, weil ich an den Rechtsstaat glaube?“
„Ich wusste nicht, dass die Wahrheit eine Granate ist.“
Cuesta Film zeigt – wie „State of Play“, „The Insider“, „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“, „Verblendung“, „The Year of Living Dangerously“, Antonionis „Beruf: Reporter“, „Frost/ Nixon“ oder Hitchcocks „Foreign Correspondent“ – wie schwierig es ist, investigativen Journalismus als Drama und gegen gängige Stereotypen zu inszenieren. Ich finde, das macht er ganz gut, wobei mir die Familienszenen ein wenig zu süß geraten sind. Gary Webb hatte drei Kinder, eine sympathische Frau; das aber ist ein Problem vieler Unternehmungen, die mit noch lebenden Beteiligten klar zu kommen haben.

killMessenger_Focus Featuresx950Jeremy Renner agiert mit viel Understatement, überhaupt ist der Film ziemlich unaufgeregt, versagt sich manche naheliegende Dramatisierung und den ultimativen Schlag in die Magengrube der Zuschauer – weswegen er aber längst nicht flach, blutleer oder gar unpolitisch wäre. Dies ist beachtenswerter Film. Einer, den ein als Hawkeye in den „Avenger“-Filmen, als Aaron Cross in „Jason-Bourne IV“ und als Sidekick von Tom Cruise in „Mission Impossible“ IV und V erfolgreicher, für „The Hurt Locker“ und „The Town“ für einen Oscar nominierter Darsteller sich als Produzent leistet. Jeremy Renner spielt seine beste Rolle seit „The Hurt Locker“, es mag nicht wie große Arbeit aussehen, ist es aber, dazu so ökonomisch wie der ganze Film, der ohne dieses moderne Schredder-Cutting, visuelle Mätzchen oder ausgestellten Retro-Chic auskommt. Die dokumentarisch-inszenatorische Leistung ist beachtlich, kommt entspannt und lässig daher. Etwas, was sie im deutschen Ausstattungsfilm niemals schaffen werden. Eine Szene zitiert direkt Alan Pakulas Verschwörungsthriller „Parallax View“ von 1974 (Tagline: „There is no conspiracy. Just twelve people dead.“): Ein Reporter klopft an eine Tür, er wird hereingelassen und erlebt, wie das Haus von der Polizei gestürmt, ein Verdächtiger verhaftet wird, stolpert so in Geschichte. Nur, dass das Webb eben wirklich so passiert ist.

Kenne deine Rechte, du hast nur drei

Und dann gibt es da eine Sequenz, bei der richtig Gas gegeben wird. Nämlich wenn Gary Webb – im wahren Leben nach über einem Jahr Recherche – seinen Report in die Tasten haut. Dies in einer wilden Bildmontage aus Archiv- und nachbearbeitetem Material: Ted Koppel, Al Sharpton, Maxine Waters, Fernsehnachrichten, Pressekonferenzen, Protestveranstaltungen, Demos, Crack-Häuser in South Central, die Zombies der Reagan-Zeit, Nancy inklusive, all dies unterlegt von einem Song, der wie manch anderer in diesem Film – etwa Pearl Jam mit „Nothing as it seems“, The Cinematic Underground mit „Street Legal“ oder die Black Angels mit „Bloodhounds on my tail“ – politisches Statement ist: „Know Your Rights“ von The Clash, eine Auskopplung aus ihrem Punk-Album „Combat Rock“ (von 1982).

kill the messenger_cover The Clash_KnowyourrightsThis is a public service announcement…with guitar!„, sagt da der Sprecher an, ein offenkund wild gewordener Staatsdiener (die Stimme von Sänger Joe Strummer). Er verkündet die drei Grundrechte, mehr gibt es nicht, nämlich das Recht, nicht getötet zu werden, es sei denn von einem Polizisten oder Aristokraten; das Recht auf Essensmarken, falls man sich ein wenig registrieren, ausforschen und demütigen lässt; sowie das Recht auf freie Meinung, solange man nicht so dumm ist, das auch tatsächlich auszuprobieren. Gary Webb hat sich das getraut.

Alf Mayer

This is a public service announcement
With guitar
Know your rights
All three of them

Number one
You have the right not to be killed
Murder is a crime
Unless it was done
By a policeman
Or an aristocrat
Oh, know your rights

And number two
You have the right to food money
Providing of course
You don’t mind a little
Investigation, humiliation
And if you cross your fingers
Rehabilitation

Know your rights
These are your rights
Hey, say, Wang

Oh, know these rights

Number three
You have the right to free speech
As long as
You’re not dumb enough to actually try it

Know your rights
These are your rights
Oh, know your rights
These are your rights
All three of ‚em
Ha!
It has been suggested in some quarters
That this is not enough
Well

Get off the streets
Run
Get off the streets.

Kill the Messenger. Regie: Michael Cuesta. Drehbuch: Peter Landesman, nach Gary Webb: Dark Alliance – The CIA, the Contras and the Crack Cocaine Explosion, 1998; Nick Schou: Kill the Messenger – How the CIA’s Crack-Cocaine Controversy destroyed Journalist Gary Webb, 2006. Darsteller: Jeremy Renner, Rosemarie DeWitt, Tim Blake Nelson, Barry Pepper, Oliver Platt, Andy Garcia, Michael Sheen, Paz Vega, Michael Kenneth Williams, Mary Elizabeth Winstead, Ray Liotta. Kamera: Sean Bobbitt. Länge: 112 Minuten. Deutscher Kinostart: 10.9. 2015, Verleih: Universal Pictures (USA 10.10.2014)

PS. Die Washington Post gehört heute Jeff Bezos, dem Besitzer von Amazon. Im Oktober 2014 durfte sich dort Jeff Leen, einer der maßgeblich an der Vernichtung von Gary Webb beteiligten Journalisten, den Film vorknöpfen und in den Boden stampfen. Dies „Gary Webb was not hero“ hier als audiatur et altera pars, wobei die Kommentare auch interessant sind.

PPS. Charles Bowden verifizierte alle Quellen von Gary Webb, fand sie allesamt akkurat wiedergegeben. „Blood on the Corn“, seine allerletzte Arbeit, 16 Jahre lang recherchiert und posthum erschienen, zollte Webb noch einmal große Referenz. (CM-Besprechung hier.) Bowden meint darin: „Maybe the CIA is great for America. But if it is, surely it can roll up its sleeves and show us its veins.“

PPPPS. Senator Kerrys Kongress-Report, am 13. April 1989 veröffentlich, konstatierte: „On the basis of the evidence, it is clear that individuals who provided support for the Contras were involved in drug trafficking, the supply network of the Contras was used by drug trafficking organizations, and elements of the Contras themselves knowingly received financial and material assistance from drug traffickers. In each case, one or another agency of the U.S. government had information regarding the involvement either while it was occurring, or immediately thereafter.”
kill_cover_Dark_AllianceDrogenschmuggler versorgten laut Kerry die Contras mit „Cash, Waffen, Flugzeugen, Piloten, Luftunterstützung und Nachschubmaterial“. Das U.S. State Department bezahlte zum Teil dafür sogar direkt, dies noch, wenn manche Schmuggler bereits angeklagt waren oder gegen sie ermittelt wurde. Es war der allererste Kongressbericht, in dem je US-Behörden die Kollaboration mit Drogenhändlern nachgewiesen wurde. Die großen Nachrichtenagenturen und Medien aber spielten die Sache herunter. Anstelle von Titelzeilen und Aufmachern gab es nur kleine Artikelchen. Die 850 Worte der New York Times landeten auf Seite 8. Bei der Washington Post war es die Seite 20. Die Los Angeles Times brachte es auf Seite 11. Eines der wichtigsten politischen Nachschlagewerke, der „Almanac of American Politics“, stellte den Kerry-Report 1992 folgendermaßen dar: „In search of right-wing villains and complicit Americans, [Kerry] tried to link Nicaraguan Contras to the drug trade, without turning up much credible evidence.” (Auf der Suche nach rechtsradikalen Bösewichten und komplizenhaften Amerikanern versuchte Kerry, Nicaraguas Contras mit dem Drogenhandel zu verknüpfen, ohne aber glaubhafte Beweise auftischen zu können.)
1998 bestätigte ein CIA Inspector General Report, dass der Geheimdienst mehr als eine Dekade lang seine Geschäftsbeziehungen mit nicaraguanischen Drogenhändlern wie Blandón Reyes (Gary Webbs Kronzeuge) systematisch verschleiert hatte. Bis heute ist die Freigabe dieses Reports noch von keiner US-Zeitung unter dem Freedom of Information Act eingeklagt worden.
Als Webb seine Recherchen 1998 in Buchform veröffentlichte, gab Senator John Kerry der Washington Post zu Protokoll: „There is no question in my mind that people affiliated with, on the payroll of, and carrying the credentials of, the CIA were involved in drug trafficking while involved in support of the contras.“

PPPPS. Shakespeare und der Überbringer schlechter Botschaft:
… du schüttelst deinen Kopf
Und achtest für Gefahr es oder Sünde,
die Wahrheit reden. Sag’s wenn er erschlagen:
Die Zung‘ ist schuldlos, die ihn tot berichtet,
und Sünde ist’s, die Toten zu belügen.
(Heinrich IV, Zweiter Teil, Erster Aufzug)

Drei Klassiker zum Thema:
Alfred McCoy: The Politics of Heroin: CIA Complicity in the Global Drug Trade (1972)
Peter Dale Scott, Jonathan Marshall: Cocaine Politics: Drugs, Armies, and the CIA in Central America (1991)
Alexander Cockburn, Jeffrey St. Clair: Whiteout: The CIA, Drugs and the Press (1998)

Über Gary Webb.
Soundtrack zum Film „Kill the Messenger“.

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