Geschrieben am 31. Januar 2019 von für Allgemein, Musikmag

Die Türen: Exoterik


Keine Zeit, keine Liebe, kein Glück/ keine Zeit, kein Geld, kein Glück/ ich bin eine Krise“

Seit Tagen wird in sämtlichen deutschen Feuilletons dieses Album über den Klee gelobt. Und wer wäre ich, um etwas anderes zu behaupten, als dass „Exoterik“ ganz wunderbar und herrlich inspirierend geworden ist. Gerade ich, der ich doch so ein Krautrock-Aficianodo bin! Die Hausband des Staatsakt-Labels lädt hier in 19 Kapiteln zu einem Parforceritt durch eben dieses Genre ein, mit Einsprengseln von Psychedelic und Postpunk. Überall auf diesem Album rumpelt und rauscht es, mal mit, mal mit weniger Humor. Aber doch meistens mit.

Die erste Single heißt „Miete Strom Gas“ und kommt auch mit diesen drei Worten allein aus. Überhaupt: Keiner dieser Songs benötigt viele Worte. Stattdessen geben Maurice Summen, Chris Imler, Andreas Specht, Ramin Bijan und Gunther Osburg der Musik einen schier endlosen Raum und lassen Sounds pulsieren und wabern wie in den 70ern – aber mit den Ängsten, Wünschen und den Erfahrungen einer Band aus heutigen Zeiten. „Keine Zeit, keine Liebe, kein Glück/ keine Zeit, kein Geld, kein Glück/ ich bin eine Krise“, heißt es dann im funkigen „Ich bin eine Krise“, und auch da braucht es nicht mehr, um zu sehen, wie es hier steht.

Aufgenommen wurde das Ganze im „Gasthof zur Eisenbahn“ (auch so ein Songtitel) in Ringenwalde (nicht zu verwechseln mit Ringsgwandl). Seltsam, immer denke ich, dieses Album hieße „Exozentrik“. Würde nämlich auch passen.

Man scheut sich ja, bei solch einem monumentalen Werk einen Track herauszuheben, aber nicht nur wegen Länge (knapp 14 Minuten) und Titel steht „Lieber Gott“ schon etwas abgehoben da. Wie da über zehn Minuten das Mantra „Lieber Gott, sag mir was ich tun soll“ verhandelt wird, das macht die Augen nass. Und wie laut Pressetext beim Konzert im August 2018 die Menge bei „Keine Angst“ einen bisher fremden Song einfach mitsang, da wäre man gern dabeigewesen.

Doch ja, es gibt auch etwas, das latent nervt (und das soll es wohl auch), und das ist der Song „Irgendwo hingelegt“ – das leiernde „Ich hab’s irgendwo hingelegt/ ich hab’s vergessen“ erträgt man nur schwer über 14 Minuten. Aber das ist jammern auf göttlichem Niveau, und wenn spätere Generationen einmal wissen wollen werden, wie es im Jahr 2019 so aussah in Deutschland und dem späten Europa, wird man ihnen mit einem wissenden Lächeln den Download-Code – oder wie immer man dann Musik verbreitet – zu dieser Platte in die Hand drücken. Spread the word.

Tina Manske

Die Türen: Exoterik. Staatsakt (Caroline).