Geschrieben am 10. Mai 2020 von für Allgemein, Litmag, SHUT DOWN 2020

Birgit Haustedt: Puzzle – Das Spiel der Corona-Stunde



Culturmag Special SHUT DOWN 2020


PUZZLE – DAS SPIEL DER CORONA-STUNDE

Ein Haufen winzig kleiner Holz-Teile, darunter viele in Blautönen. Also wahrscheinlich ein schwieriges Motiv mit Himmel und Meer (die Vorlage fehlte) und damit genau das, wovor Puzzle-Anfänger wie ich gewarnt werden. Doch auf einmal packte es mich an diesem langen Corona-Osterwochenende, ausgerechnet die blauen Stücke zu sortieren, stundenlang. Jedes Teil, das in ein anderes passte, ein kleiner Triumph.  

Mit meiner neuen Puzzleleidenschaft bin ich offensichtlich nicht allein: Puzzles für Erwachsene waren gleich nach Toilettenpapier und Nudeln auf Wochen ausverkauft. Was aber fasziniert uns daran ausgerechnet jetzt? Begonnen hat der Siegeszug des Puzzles im 18. und 19. Jahrhundert als pädagogisch wertvoller Zeitvertreib für Englands Oberschicht. Beliebteste Motive waren Landkarten mit dem Königreich, Handelswegen und den vielen britischen Kolonien – eine spielerische Einübung ins Erobern und Besetzen neuer Räume.    

Während sich im Puzzle Stück für Stück die Himmelsecke immer weiter füllte, fiel mir auf, dass ich mich seit Wochen im realen Raum nach ganz anderen Prinzipien bewege. Egal, ob im Supermarkt, auf dem Gehweg oder im Park – überall antizipieren wir Hauseingänge, Seitenwege, Auffahrten, messen im Geiste 1,5-Meter-Abstände und springen sofort in die Lücken. Gefordert ist eine neue Choreographie des Ausweichens im öffentlichen Raum. Bloß nicht zu nahe kommen! Etwas miteinander zu verbinden, ist zur Zeit nur im Spiel möglich.


Birgit Haustedt




Birgit Haustedt lebt in Hamburg und schreibt Bücher über Frauen, Italien und seit neuestem auch über den Norden. Mehr auf ihrer Website: www.birgithaustedt.de


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